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Prozess gegen Altermedia Hassrede-Schmiede der Vergangenheit

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"Altermedia Deutschland" anno 2011: Hier wurden gerade das geschmacklose "Dönerkiller"-T-Shirt im Bezug auf den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) gefeiert. (Quelle: Screenshot, 2011)

 

„Altermedia Deutschland“ war der erste Versuch der rechtsextremen Szene, ein „alternatives“ Medium zu schaffen und eine rechtsextreme Sicht und Deutung auf die Geschehnisse der Welt zu verbreiten. Mindestens ebenso wichtig wie die Texte der Website waren die Kommentarspalten und Foren, in denen rechtsextremer Lifestyle gepflegt wurde, toxische Hass-Erzählungen etabliert und von Gewalt, Umsturz und dem Ende der Demokratie geträumt wurde. Gewaltaufrufe, Volksverhetzung und Holocaustleugnung gehörten zum Alltag – kein Wunder also, dass das Interesse der Strafverfolgungsbehörden bald geweckt war. Interessant zudem: Ähnlich wie beim Thiazi-Forum sind auch hier viele der verantwortlichen Personen weiblich: Hetze im Internet ist ein „Dienst am Vaterland“, der sich eben gut mit einer häuslichen Orientierung oder Kindererziehung verbinden lässt und deshalb offenkundig von Anfang an für Frauen attraktiv war.

 

Fakten zum Prozess:

Der Prozess gegen die Altermedia-Betreiber_innen findet vor dem Oberlandesgericht Stuttgart statt. Angesetzt sind bisher 14 Verhandlungstage bis in den Januar 2018 (Termine hier).

Die Anklage lautete auf Volksverhetzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung.

 

Die Angeklagten:

Als Betreiber_innen und Administrator_innen:

Jutta V., 48, Callcenter-Mitarbeiterin, aus dem Landkreis Lippe

Ralph-Thomas K., 28, Informatiker, aus dem Schwarzwald

Als Moderator_innen:

Uwe P., 54

Irmgard T., 63, aus Nürnberg

Talmara S., 61, aus Berlin

Das sagt die Staatsanwaltschaft zum Prozess: 

Jutta V. und Ralph-Thomas K. wird vorgeworfen, mit einer “unbekannt gebliebenen Person” eine kriminelle Vereinigung gegründet und sich als Rädelsführer beteiligt zu haben, um strafbare, vor allem volksverhetzende Äußerungen zu verbreiten. Sie wollten durch „eine ideologisch geprägte Berichterstattung“ eine „rechtsextremistische Gegenöffentlichkeit schaffen“ (Pressemitteilung der Generalbundesanwaltschaft) durch „massenhafte und systematische Verbreitung rechtsexremen und nationalsozialistischen Gedankenguts“. Ziel war, „andere Rechtsextremisten zu weiteren Straftaten [zu] ermuntern und damit ein Klima der Angst […] zu schaffen.“

Jutta V. und Ralph-Thomas K. gelten als „Betreiber“; sie waren Administrator_innen und Moderator_innen, und hatten Zugriffsrechte auf die Betriebsstruktur (technische Steuerung) und bestimmten die politische Ausrichtung mit – unter anderem, in dem sie die ideologischen Leitlinien von Altermedia festlegten. Jutta V. ist langjährige Aktivistin, war bereits beim Vorläufer-Portal „Störtebecker-Netz“ aktiv. Ralph-Thomas K. verfasste etwa im Mai 2012 „Mitarbeiterregeln“, wie in den Foren moderiert werden solle. 

Uwe P., Irmgard T. und Talmara S. wird vorgeworfen, dieser Vereinigung beigetreten zu sein und sich als Mitglieder beteiligt zu haben.

Sie gelten als Moderator_innen, die sich Altermedia Deutschland anschlossen (Uwe P. und Irmgard T. 2013, Talmara S. 2014). Das heißt, sie sichteten die von Nutzer_innen verfassten Kommentare und schalteten sie auf der Website frei.

Ab 2014 erhalten Uwe P. und Irmgard T. mehr Rechte, durften forenübergreifend moderieren.

Alle fünf sollen beim Betrieb von „Altermedia Deutschland“ Straftaten der Volksverhetzung begangen haben.

Jutta V., Uwe P. und Irmgard T. verfassten unter Aliasnamen auch eigene volksverhetzende Texte.

 

Die Geschichte von „Altermedia Deutschland“: 

Die erste „Altermedia“-Seite wurde 2002 in den USA gegründet, mutmaßlich vom rechtsextremen ehemaligen “Ku Klux Klan”-Anführer David Duke; die Website wird von Aktivist_innen aus Europa und den USA betreut. Die Seite lag auf einem amerikanischen Server und war damit dem Zugriff der deutschen Strafverfolgung entzogen.

Als für die deutsche Sektion von „Altermedia“ verantwortlich gelten bis 2011 Axel Möller (betreute seit 1997 auch den Vorgänger „Störtebeker-Netz“ ) und Robert Rupprecht.

Axel Möller wurde im März 2010 als Administrator von „Altermedia“ wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu 150 Tagessätzen verurteilt, und ein Jahr später im März 2011 zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro wegen Holocaustleugnung und Volksverhetzung.

Im Oktober 2011 wurden Möller und ein weiterer „Schriftleiter“ der Plattform, Robert Rupprecht, zu Haftstrafen von 30 und 27 Monaten verurteilt. Zu den Anklagepunkten zählten unter anderem Volksverhetzung, das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Aufrufe zu Straftaten. Möllers Strafe wurde 2013 noch um ein weiteres Jahr verlängert. Im Mai 2015 wurde er aus der Haft entlassen.

Die Ausrichtung war von Anfang an neonazistisch und militant, die NPD galt hier oft bereits als zu gemäßigt; Antisemitismus, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit wurde stets mit Gewalt und Militanz verbunden.  

Inhaltlich fanden sich hier rechtsextreme Kommentierungen und Umdeutungen der Bericht aus „normalen“ Medien – eine weltanschaulich eingefärbte tägliche Presseschau – sowie eigene Nachrichten aus der rechtsextremen Szene, auch über Konflikte in dieser (von der „Schriftleitung“).

Wichtiger war aber noch die Kommentarfunktion unter den Artikeln, die zu einer intensiven Vernetzung der Szene beitrug.

Nach eigenen Angaben hatte Altermedia in Hoch-Zeiten bis zu fünf Millionen Aufrufe jährlich.

Ab 08. September 2012 ist Altermedia Deutschland nicht mehr zu erreichen. Der amerikanische Hoster hatte das Szeneportal gesperrt und zeitgleich den Speicherplatz leergeräumt. Doch die Seite kehrt zurück, nun auf einem russischen Server.

Doch „Altermedia Deutschland“ verliert an Bedeutung, auch weil neue Rechtsaußen-Portale entstehen: Kameradschafts-Blogs wie „MupInfo“ oder „Spreelichter“, Islamfeinde und Rassist_innen bei „Politically Incorrect“ oder die „Kopp Nachrichten“. Dann wandert die Kommunikation in zahlreiche einschlägige Gruppen in Sozialen Netzwerken, die die Kommunikation in Kommentarforen zunehmend ersetzen.

Seit 2015 ist Jefferey Schoep, Vorsitzender des amerikanischen „National Socialist Movement“, verantwortlich für die Domain altermedia-deutschland.info.

Im Januar 2016 kommt es zu Hausdurchsuchungen bei „Personen aus der Führungsebene“ von „Altermedia“, weil der Generalbundesanwalt wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen sie ermittelt. Es sind die nun Angeklagten. Die Website wird am 27. Januar 2016 abgeschaltet.

 

Vgl.: Altermedia auf Belltower.News

 

Ergänzung 15.09.2017

 

VOLKSVERHETZUNG IM NETZ: DIE UNSCHEINBARE NAZIS VON ALTERMEDIA

Dass es sich bei Jutta V., Ralph K., Irmgard T. und Tamara S. um hochideologisierte und aggressive Rechtsradikale handelt, erschließt sich beim Blick auf die Anklagebank im Gerichtssaal in Stuttgart-Stammheim nicht. Vor allem die drei Frauen wirken in ihren Pullovern so bieder, dass sie an einer Rezeption oder als Verkäuferin niemals auffallen würden. Nur im Zuschauerraum sitzen ein paar durchtrainierte Herren mit einschlägigen Tattoos und typischer Körpersprache. Die Bundesanwaltschaft wirft den vier Beschuldigten vor, zwischen Juni 2012 und Januar 2016 über die Internet-Seite „Altermedia“ massenhaft rechtsextremistische und nationalsozialistische Inhalte verbreitet und zur Volksverhetzung beigetragen zu haben (BTN berichtete). Wahrscheinlich haben die Angeklagten in mehreren Dutzend Fällen gegen das Verbot der Volksverhetzung verstoßen oder verbotene NS-Parolen und Grußformeln benutzt. Das ist aber nicht das Besondere dieses Verfahrens: Außergewöhnlich ist, dass die Bundesanwaltschaft die 48 Jahre alte Jutta V. sowie dem 28 Jahre alten Ralph K. nachweisen zu können glaubt, zum Betreiben der „Altermedia-Seite“ eine kriminelle Vereinigung gegründet und sich als deren Rädelsführer betätigt zu haben. Die Bundesanwaltschaft begründet das mit der „Betriebsstruktur“, mit der die Call-Center-Mitarbeiterin und der arbeitslose Informatiker die zunächst in den Vereinigten Staaten und später in Russland gehostete Internetseite organisierten. „Die Angeklagten betätigten sich als Mitarbeiter der Foren, Frau V. und Herr K. waren Rädelsführer, sie waren an der Willensbildung auf der Internetseite beteiligt“, sagte der Vertreter der Bundesanwaltschaft.

Ralph-Thomas K., 29, Informatiker, ein blonder Mann mit markantem Kinnbart, hat aus seiner Weltanschauung nie ein Hehl gemacht und galt schon vor seiner Verhaftung als einer der umtriebigsten Aktivisten in der rechtsextremen Szene im Schwarzwald. Er sitzt nun mit drei Personen auf der Anklagebank, die weit weniger dem gängigen Bild der Szene entsprechen. Es handelt sich um Frauen zum Teil fortgeschrittenen Alters. Mit-„Rädelsführerin“ Jutta K. war schon seit 2003 beim Vorgänger „Störtebecker-Netz“ aktiv. 

http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/prozess-gegen-altermedia-betreiber-15199033.htmlhttp://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.mutmassliche-neonazis-in-stuttgart-vor-gericht-nazi-hassparolen-im-internet-verbreitet.365dfd56-fc74-48a6-bdbf-e9444f339d34.htmlhttp://www.sueddeutsche.de/politik/stuttgart-sprachrohr-der-neonazis-1.3667177

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