Franco A. wirkt im Gerichtssaal vor allem eines: selbstbewusst. Die Anklage könnte kaum schwerwiegender sein, doch der Bundeswehroffizier redet gerne, greift in den Prozess ein und wiederholt mit einer verblüffenden Konsequenz immer wieder sein eigenes Narrativ – auch wenn Teile davon im Gericht bereits widerlegt worden sind. Nach einem halben Jahr bröckelt aber die Verteidigungsstrategie von Franco A. zunehmend. Immer mehr Zeugenaussagen belasten den Angeklagten. Und der Richter findet deutliche Worte für die Taktik seiner Anwälte.
Am Oberlandesgericht in Frankfurt am Main wird seit Mai 2021 der Prozess gegen den Bundeswehroffizier Franco A. geführt. Die Anklageschrift bezeichnet A. als einen „rechtsnationalistisch gesinnten Bundeswehrangehörigen“, dem die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach §89a vorgeworfen wird.
Die Vorwürfe wiegen schwer: Die Generalbundesanwaltschaft beschuldigt den Angeklagten, sich Schusswaffen und Munition zugelegt zu haben, um unter der fiktiven Identität eines syrischen Geflüchteten einen Anschlag auf Personen des öffentlichen Lebens vorbereitet zu haben. Ziel seiner Anschlagspläne sollen vor allem Menschen gewesen sein, die sich für eine liberale Migrationspolitik einsetzen. Munition, Signal- und Sprengkörper wurden mindestens teilweise aus Bundeswehrbeständen entwendet. Unter anderem soll Franco A. die Tiefgarage der Amadeu Antonio Stiftung ausgespäht und dort Autos fotografiert haben.
Waffen, Munition und rechte Netzwerke
Seit der Sommerpause im August 2021 wird die Beweisaufnahme des Betrugskomplexes rund um die Auszahlung verschiedener Sozialleistungen an A.s fiktive Identität eines syrischen Geflüchteten nur noch nebensächlich weitergeführt. Ein Großteil der Zeug:innen wurde vor der Sommerpause bereits befragt. In den Mittelpunkt des Verfahrens rückt nun immer mehr die Beweisaufnahme bezüglich des Waffen- und Munitionsbesitzes. Insgesamt gesteht A. den zeitweisen illegalen Besitz von drei Waffen. Eine zentrale Bedeutung im Prozess hat zudem eine vierte Waffe, welche 2017 am Wiener Flughafen gefunden wurde und zur Verhaftung des Angeklagten führte. Dieser gibt jedoch an, die Waffe lediglich zufällig gefunden zu haben.
Am 15. Verhandlungstag im September 2021 ist eine Sachverständige geladen, welche über ihre Untersuchung der Waffe aussagt. Ihre Aussage steht im direkten Widerspruch zu A.s Angaben. Die Sachverständige ist forensische Molekularbiologin und stellt ein Gutachten vor, laut dem die Waffe sowohl außen als auch innen ein „sehr, sehr stark ausgeprägtes“ DNA-Profil des Angeklagten aufgewiesen habe. Das spreche dafür, dass A. die Waffe oft und lange in der Hand gehalten habe. Die DNA-Spuren im Inneren der Waffe zeigen außerdem, dass der Angeklagte auch mit diesen Teilen hantiert haben muss. Auch habe sie keine DNA-Spuren anderer Personen oder Nachweise von Urin an der Waffe finden können. Für die Molekularbiologin sei alles eine „völlig klare Sache“ gewesen. A.s Aussage, die Waffe zufällig beim Urinieren Gebüsch gefunden zu haben, wird damit immer unglaubwürdiger. Er selbst rückt trotzdem nicht davon ab.
Eine weitere Zeugenaussage belastet den Angeklagten ebenfalls. Die Polizistin, die unter anderem die Hausdurchsuchung gegen A.s Freund Matthias F. leitete, sagt vor Gericht aus, dass die in Friedberg gefundene Munition nachweislich aus Bundeswehrbeständen stamme. Dass sei durch entsprechende Untersuchungen der Bundeswehr und des Verteidigungsministeriums herausgekommen. A. sei am Standort Hammelburg, aus dem ein Teil der gefundenen Munition mutmaßlich stammt, für die Munitionsverwahrung zuständig gewesen. Neben der Pistole, die am Wiener Flughafen gefunden wurde, und der in Friedberg gelagerten Munition, geht es im Prozess auch um die drei Waffen, die von den Ermittlungsbehörden bis heute nicht gefunden wurden.
Als Zeuge in diesem Sachverhalt ist am 20. Verhandlungstag im November 2021 der Waffenhändler Rainer H. geladen. Er sagt aus, dass er und Franco A. sich persönlich kennen. Ein erstes Treffen habe in H.s Waffenladen in Bayern stattgefunden, als A. dort Waffenteile für ein G3-Sturmgewehr erwerben wollte. Das zweite Treffen sei ein gemeinsames Schießtraining in H.s Schützenverein gewesen. Neben dem Waffenbesitz und Waffenteilkauf werden in der Vernehmung des Zeugen auch der Verein „Uniter“ und die Chatgruppe „Süd“ thematisiert.
Die Chatgruppe „Süd“ gilt als Teil des sogenannten „Hannibal“-Netzwerkes rund um André S., eines ehemaligen KSK-Soldaten. Zeuge H. war sowohl Mitglied in der Chatgruppe als auch im Verein „Uniter“. Ob A. auch Mitglied des Vereins und nicht nur der Chatgruppe war, wird an diesem Verhandlungstag nicht abschließend geklärt. A. habe jedoch laut H. bei ihrem ersten Treffen einen Aufnäher des Vereins an der Kleidung getragen und H. im Gespräch auf den Verein aufmerksam gemacht.
Die Beweisaufnahme um den Waffenkomplex offenbart Widersprüche Franco A.s Aussagen vor Gericht. Die Geschichte über die zufällig in Wien gefundene Waffe wird in der Beweisaufnahme widerlegt und auch Verbindungen zu rechten Netzwerken scheinen enger zu sein als A. vorgibt.
Eine rechtsextreme Ideologie
Franco A.s Gesinnung wird im Prozess wesentlich anhand dessen 2013 verfasster Masterarbeit besprochen. Sie wurde von der französischen Militärakademie, an der A. studierte, abgelehnt und als rassistisch eingestuft. Auch ein von der Bundeswehr beauftragter Gutachter kam zu diesem Schluss. Seiner Militärlaufbahn tat dieses Urteil keinen Abbruch, lediglich eine neue Arbeit musste A. verfassen.
Als der Senat den Angeklagten zu Stellungnahmen zu einigen Passagen aus der Arbeit auffordert, ergeht sich dieser in Erklärungen, die vor Antisemitismus, Rassismus und Antifeminismus strotzen. Zum Holocaust befragt, antwortet A. fast wütend, er wolle sich nicht in eine „Zwangslage“ bringen lassen, in welcher er sich zum Holocaust „bekennen“ und ein „Glaubensbekenntnis“ ablegen müsse.
Ziel der Befragung durch den Senat ist es, herauszufinden, wie A. heute zu den Inhalten seiner Arbeit steht. A.s Ausführungen sind deswegen besonders interessant: Während er in bisherigen Verhandlungen immer angab, die Arbeit sei unwissenschaftlich geschrieben und stelle nicht seine eigene Meinung dar, gibt er nun an, es sei „nicht alles Quatsch, was in der Arbeit steht“ und es würden sich heute viele Beweise für seine Thesen finden. In Kombination mit seinem Interesse für die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck, deren Verhaftung er bereits mehrmals kritisierte, ergibt sich im Gericht das Bild eines rechten Soldaten, für den Geschichtsrevision und Verschwörungsmythen Konsens zu sein scheinen.
Dieses Bild wird vervollständigt von Sprachmemos von A. Sie werden im Gericht abgespielt und sollen ebenfalls Grundlage sein für eine Einordnung seiner Gesinnung. In den Audioaufnahmen richtet sich A. an ein fiktives Publikum und adressiert ein „Wir“, was die Vermutung zulässt, dass er die Aufnahmen nicht nur für sich aufzeichnete, sondern versuchte andere zu überzeugen. Er spricht über eine „Wiederauferstehung“ des deutschen Volkes als einen Weg ins „Paradies“ und wähnt sich in einem „Rassenkrieg“. In den Aufnahmen wird neben seinem rechten Denken auch seine Gewaltbereitschaft deutlich, bspw. in der Formulierung „Scheuen wir uns nicht zu töten“.
Geschehen im Gericht
Im Gerichtssaal zeigt sich immer deutlicher, dass der Prozess für Franco A. zur Bühne wird, auf der er seine rassistische, verschwörungsideologische und frauenfeindliche Gesinnung zu normalisieren versucht. Er greift selbst in den Prozess ein, indem er probiert, dem Waffenhändler H. am 20. Verhandlungstag Worte in den Mund zu legen. Nach wie vor führen seine Einlassungen jedoch nicht zu umfassenden weiteren Erkenntnissen bezüglich der Anklagepunkte.
Der Senat begegnet dem Angeklagten deswegen zunehmend ungeduldig. Während der vergangenen 20 Verhandlungstage wird dem Angeklagten vom Senat mehrfach die Möglichkeit gegeben, hierzu weiterführende Angaben zu machen. Doch A. sagt nur aus, was zuvor bereits bekannt war und durch Zeugenaussagen beschrieben wurde. Dass er dabei teilweise nicht von seinen ursprünglichen Angaben abrückt, wenngleich diese im Prozess widerlegt werden, trägt ebenfalls nicht zu seiner Glaubwürdigkeit bei.
Dies merkt auch der Senat immer wieder an. Seine rechtsextreme Gesinnung ist für den Prozess dennoch relevant. Bereits in der Anklageschrift formuliert die Bundesanwaltschaft den Vorwurf, A. habe aus „völkisch-nationalistischer Gesinnung“ einen Anschlag geplant. Da für den Straftatbestand der staatsgefährdenden Gewalttat nach §89a der Bestand des Staates potenziell in Gefahr sein muss, kann hier die politische Gesinnung des Angeklagten nicht, wie in anderen Gerichtsprozessen, ausgeklammert werden.
In seinen ausschweifenden Einlassungen wird Franco A. von seinen beiden Verteidigern, Moritz Schmitt-Fricke und Johannes Hock, nicht unterbrochen. Auch die Verteidigungsstrategie der Anwälte stößt zunehmend auf Unmut vonseiten des Senats. „Manchmal tut mir Herr A. leid, dass er so verteidigt wird“, merkt der vorsitzende Richter Koller an, nachdem die Verteidiger kritische Fragen zum Gutachten bezüglich des Waffenfundes in Wien stellten. Als ein „Eigentor“ bezeichnet Richter Koller diese Verteidigungsstrategie, als ihre Fragen zum Gutachten dazu führen, dass die Gutachterin ihre Ergebnisse nur mit mehr Nachdruck wiederholt.
Insgesamt verdichten sich die Beweise gegen Franco A. Seine Einlassungen zur Masterarbeit und die im Gericht abgespielten Sprachmemos lassen an seiner rechtsextremen Gesinnung kaum Zweifel. Letztere deuten außerdem auf seine Gewaltbereitschaft hin. Es wird deutlich, dass die Geschichte vom zufälligen Fund der Waffe in Wien unglaubwürdig ist und Franco A. Munition aus Bundeswehrbeständen, unter anderem bei einem Freund in Friedberg, versteckte.
Wie oder wer genau sie entwendete, bleibt bisher ungeklärt, da der Angeklagte hierzu schweigt. Auch die Rolle seiner Vertrauten wird in den Gerichtsverhandlungen größtenteils kaum berührt. Die Befragung des Zeugen H. lässt jedoch vermuten, dass A.s Verbindungen zum Verein „Uniter“ und dem „Hannibal“-Netzwerk enger sind, als er selbst angibt. Klar ist zudem, dass A. innerhalb weniger Tage in der Tiefgarage der Amadeu Antonio Stiftung war, Waffenteile kaufte, sich mit der Beschaffung weiterer Waffen befasste und am Schießstand schoss.
Die Verhandlung ist öffentlich und wird vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main geführt. Bisher sind Verhandlungstage bis März 2022 angesetzt.