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QAnon-Sommercamp Dorffest der Verschwörungsdilettanten

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Symbolfoto: Camp. (Quelle: Snapwire | Lizenz: CC0)

Zum Bedauern vieler machte die Covid-19-Pandemie dem Festivalsommer einen Strich durch die Rechnung. Eine Situation, die Anhänger*innen der antisemitischen QAnon-Verschwörungsideologie aber offenbar nicht wahrhaben wollen. Vom 10. bis zum 23. August soll ein QAnon-Sommercamp in einem mecklenburgischen Dörfchen bei Wismar stattfinden – ein Dorf, so klein, dass es nicht einmal eine Wikipedia-Seite hat [Ort ist der Redaktion bekannt]. In der Telegram-Gruppe „Q-Summer Camp ****“ wird zwei Wochen Zelten, Schwimmen und Brombeeren schneiden unter Gleichgesinnten versprochen: Ein Q-Camp für Querdenker*innen – ohne Anmeldung, ohne Eintrittskosten.

Q, das bezieht sich auf „QAnon“: eine 2017 entstandene verschwörungsideologische Onlinebewegung, nach der ein anonymer Whistleblower namens „Q“ kryptische Enthüllungen auf Imageboards hinterlässt – über geheime Machtkämpfe, den „Deep State“, unterirdische Pädophilenringe und andere steile Thesen. Dabei bietet die Bewegung ein übergreifendes Narrativ für diverse altbekannte antisemitische Verschwörungsideologien. Eine Lachnummer ist die Bewegung allerdings nicht: Mindestens zwei Attentäter in den USA haben schon im Namen von Q nach der Waffe gegriffen. In Deutschland findet die Verschwörungsideologie immer mehr Anhänger*innen.

Initiator des Q-Camps und Gründer der Telegram-Gruppe ist der User „Into the Light“, der den gleichnamigen QAnon-Kanal „Into_The_Light_News“ mit knapp 24.000 Abonnent*innen ins Leben rief. Das Camp wurde auch in anderen QAnon-nahen Kanälen und Gruppen beworben. Trotz seiner Reichweite ist „Into the Light“ jedoch eine etwas umstrittene Figur in der Szene. Nach eigenen Angaben heißt er Stephan N. [Name ist der Redaktion bekannt]. Er habe BWL studiert und sei früher ein Investmentbanker in Frankfurt, danach ein IT-Spezialist. Seit Januar sei er nun arbeitslos und betreue diverse QAnon-Gruppen auf Telegram in Vollzeit. Bestätigen konnte Belltower.News N.s Angaben nicht.

Für das Q-Sommercamp will N. ein Grundstück in dem Dorf gepachtet und dafür einen Kredit aufgenommen haben. Geld ist öfter Thema in seinen Posts: Denn N. behauptet immer wieder, pleite zu sein, und fragt seine Anhänger*innen nach Spenden. Einige aus der Szene werfen ihm daher Betrug vor. Andere behaupten, er sei ein Agent des Verfassungsschutzes. Doch treue Anhänger*innen hat er auch. Der andere Organisator und Gruppenadmin ist der User „Welcome to the Q Age“, der auch unter den Pseudonymen „Mr. Mind“ und „Adam“ bekannt ist. „Mr. Mind“ ist auch Gründer und Admin des Telegram-Kanals „Q_Channel_DE“ mit knapp 6.500 Abonnent*innen.

Planlos in der Pampa

Schon im Vorfeld wirkte die Organisation des Camps alles andere als professionell. Das geben aber die Veranstalter*innen auch offen zu. So sagte „Mr. Mind“ in einer Sprachnachricht: „Ganz ehrlich, ihr wisst ja selber, wir sind Freigeister und so und planen ist immer so eine Sache.“ Diese ehrliche Selbsteinschätzung konnte die Mobilisierungsstimmung allerdings nicht dämpfen: Die Telegram-Gruppe hat mittlerweile mehr als 260 Mitglieder, die scheinbar aus allen Ecken der Bundesrepublik nach Mecklenburg-Vorpommern fahren möchten. Manche User*innen bieten Mitfahrgelegenheiten an, andere planen, mit dem Bus anzureisen.

Doch der Camp-Auftakt am Montag sorgte für Enttäuschung: Als die ersten QAnonler im Dorf eintrudeln, ist weit und breit nichts von der versprochenen Camp-Infrastruktur zu sehen. Auch „Into the Light“ und „Mr. Mind“ sind vor Ort nicht zu finden. Nur ein rätselhaftes Satellitenbild vom Dorf mit unerklärten Markierungen wird als Wegweiser in der Gruppe gepostet. „Wie finden wir euch denn?“, schreibt der User T. in der Gruppe. Die kryptische, szenetypische Antwort: „Wir möchten dort nur unkomplizierte Menschen haben. Deshalb ist das ein Test.“ Ein Test, den bis Montagabend niemand bestanden hat. Die Frustration wächst, T. fühlt sich im Stich gelassen: „Aber ehrlich Leute, das geht doch nicht. Man kann doch nicht Menschen einladen und dann selbst gar nicht da sein, das ist irgendwie doof.“ Eine andere Userin schreibt: „Ich war heute am Vormittag ebenfalls dort. Die Einheimischen konnten nicht weiterhelfen.“

Mittlerweile sind die beiden Veranstalter*innen immer noch nicht aufgetaucht. T. und einige wenige Anhänger*innen haben aber offenbar das richtige Grundstück für das Camp gefunden. Nur ist es verwildert und überwachsen. In der Gruppe wird gefragt, ob andere Anreisende Sensen und Scheren mitbringen können. „Man muss wohl erstmal roden, bevor man zelten kann“, heißt es.

Von wegen Nazidorf!

Es gibt aber ein größeres Problem: Dass einige verwirrte Anhänger*innen der QAnon-Bewegung im Ort herumlungern, ist den hiesigen Dörfler*innen spätestens am Montagabend aufgefallen. Begeistert sind sie von der Idee eines Camps nicht. Es sei zu befürchten, „dass die Dorfbewohner mit Heugabeln und Fackeln auftauchen“, schreibt T. etwas alarmistisch. Ihm zufolge sei das unangemeldete Camp auf Kritik von den Nachbar*innen im Gutshaus gestoßen. Denn die Anwohner*innen seien vor ein paar Jahren von den Medien beschuldigt worden, ein Nazidorf zu sein. 3,6 Kilometer weiter ist das berühmt-berüchtigte Nazidorf Jamel, das seit Jahren als Hochburg der rechtsextremen Szene gilt.

Wenn die dortige Neonazi-Szene mit dem QAnon-Milieu verquicken würde, wäre dies tatsächlich eine ernstzunehmende Gefahr. Denn die beiden Bewegungen haben durchaus einiges gemeinsam – wie beispielsweise eine grundlegend antisemitische Weltanschauung, den Glauben an Verschwörungsideologien oder ein Misstrauen gegenüber von ihnen so genannten „Mainstreammedien“.

Von dem Q-Camp ist aber auch am zweiten Tag, dem Dienstag, immer noch nichts zu sehen. Die wenigen QAnon-Anhänger*innen vor Ort haben Angst, dass die Dorfbewohner*innen die Polizei rufen – und das scheint ihnen etwas zu heikel zu sein. T. schreibt: „Bezüglich der Polizei besteht leider die Gefahr, dass persönliche Daten aufgenommen werden. Je nachdem, aus welchem Bundesland man kommt, darf man sich dann aussuchen, ob man sich einen Chip in die Nase schieben lässt oder 14 Tage Hausarrest in Kauf nimmt“ – und meint damit einen Abstrichtest für Covid-19 oder eine Quarantäne.

Dabei soll das Camp doch 13 Tage lang laufen, und es ist erst Tag zwei: Weder „Into the Light“ noch „Mr. Mind“ sind auffindbar. Die wenigen Teilnehmer*innen reisen wieder ab. So wird das Q-Summercamp zum Desaster: Ein „Fyre Festival“ für Verschwörungsfans. Aber auch wenn es ihnen dieses Mal nicht gelungen ist, sich offline zu treffen, agiert die Bewegung weiterhin im Netz. Ende Juli deaktivierte Twitter tausende Profile, die QAnon-Inhalte teilten. Ein Anfang. Doch auf Telegram ist die Szene weiterhin aktiv.

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