„Unser muslimisches palästinensisches Volk wird es nicht akzeptieren, dass ein einziger Homosexueller seine Abscheulichkeiten öffentlich verkündet“, erklärt ein Imam während einer Freitagspredigt in der Jerusalemer Al-Aqsa-Moschee, die Anfang Juli 2022 live über YouTube gestreamt wird. „Unser Volk wird keine Institutionen akzeptieren, die diese Abscheulichkeiten im gesegneten und reinen Land Palästina verteidigen“, und: „Wir erklären hiermit, dass wir alle Formen von Homosexualität und Perversion verachten und ablehnen“.
Antidiskriminierung in Gaza?
Tatsächlich ist gleichgeschlechtlicher Sex zwischen Männern in Ost-Jerusalem und den besetzen Gebieten der Westbank schon seit 1951 nicht mehr verboten, im Gegensatz zu Gaza, wo auch unter dem Einfluss Ägyptens nie die homofeindlichen Gesetze abgeschafft wurden, die seit 1936 im britischen Mandatsgebiet herrschten. Die Gesetzgebung betrifft ausschließlich Männer, lesbischer Sex steht nicht unter Strafe. Theoretisch drohen Personen, die von Männern wissen, die homosexuellen Sex haben, das aber nicht den Behörden melden, bis zu zehn Jahre Haft. Die Palästinensische Autonomiebehörde verhinderte mehrfach, dass die Gesetze in Gaza an die im Rest ihres Einflussbereichs angepasst wurden. Doch in der Praxis ist die Situation kompliziert, und das Ergebnis aus kolonialen Gesetzen des Osmanischen Reiches, des britischen Empires, Jordanien, Ägyptens und der Autonomiebehörde. In Gaza werden die Verbote offenbar selten durchgesetzt, das sagt auch Amnesty International, betont jedoch auch, dass die Behörden nicht bei homofeindlicher Gewalt oder Diskriminierung einschreiten.
Hengameh Yaghoobifarah und Rosa Jellinek im Gespräch über Antisemitismus in der queeren Szene
Irgendein Schutz vor Diskriminierung für Queers existiert ohnehin weder in der Westbank noch in Gaza, gleichgeschlechtliche Ehen sind nicht erlaubt und werden nicht anerkannt, Adoption ist für gleichgeschlechtliche Paare unmöglich, Schwule und Lesben dürfen nicht im Militär dienen, es gibt keine Möglichkeit zur Geschlechtsangleichung.
Laut einer Umfrage von 2014 in den palästinensischen Gebieten gaben nur ein Prozent der Befragten an, Homosexualität sei „moralisch akzeptabel“. Das alles hat Auswirkungen auf die Lebensrealitäten von Queers vor Ort.
Die Homofeinde der Hamas
Ein furchtbares Beispiel ist das Schicksal von Ahmad Abu Marhia aus Hebron. Der 25-jährige schwule Palästinenser lebte zwei Jahre in Tel Aviv und wartete auf die Bearbeitung seines Asylantrags in Kanada. Im Oktober 2022 wurde Ahmad wahrscheinlich entführt. Seine enthauptete Leiche wurde in seiner palästinensischen Heimatstadt gefunden. In der israelischen Zeitung Haaretz berichtete ein schwuler Mann aus Gaza über seine Erfahrungen: „Ich habe viele Homosexuelle aus Gaza online getroffen. Aber alle haben Angst voreinander. Manche wurden bestraft, manche wurden getötet. Andere haben sich umgebracht.“ Ein anderer erzählt über den Umgang der Hamas mit Homosexuellen. Seit den letzten Wahlen 2005 stellt die islamistische Terrorgruppe die Regierung in Gaza. „Sie haben mich festgenommen, von der Decke gehängt, mich geschlagen und fünf Tage lang vernommen“, berichtet der Mann, der mittlerweile in der Türkei lebt. Er beschreibt Verhöre durch die Hamas-Kader: „Sie haben mich nach Männern aus meinem Viertel befragt. Ich musste ein Statement unterschreiben, laut dem ich mit denen Sex hatte. Es hat nicht gestimmt, ich glaube nicht, dass sie schwul waren. Sie waren Mitglieder der Fatah [einer Gruppierung, mit der die Hamas konkurriert und zeitweise verfeindet war, d. Red.], deswegen war die Strategie der Hamas sie ins Gefängnis zu bringen. Nachdem ich unterschrieben hatte, durfte ich gehen. Die Männer wurden direkt danach verhaftet.“
Beim Angriff auf Israel am 7. Oktober ermordeten Terroristen der Hamas 1.400 Menschen, 5.400 wurden zum Teil schwer verletzt. Dabei filmten sich die Terroristen selbst. Immer wieder auf den Social-Media-Kanälen der Hamas zur Schau gestellt: Gefolterte und entblößte Frauen. Überlebende des Supernova-Festivals, wo 260 Besucher*innen von Terroristen, die mit Gleitschirmen das Gelände angriffen, ermordet wurden, berichten von Vergewaltigungen und Leichenschändungen. Auch Shani Louk, eine Deutsch-Israelin und Besucherin des Festivals, wurde offenbar noch im Tod verhöhnt. Aufnahmen zeigen, wie Hamas-Terroristen auf der Ladefläche eines Pick-up-Trucks geradezu auf ihrem entblößten Körper sitzen, der von anderen angespuckt wird.
Queers für Vergewaltigung
Den homofeindlichen Vergewaltigern und Leichenschändern der Hamas drücken queere Aktivist*innen aus Berlin jetzt ihre Solidarität aus. Die „Internationalist Queer Pride“, ein Demobündnis aus zahlreichen sich selbst als links und emanzipatorisch verortenden Gruppierungen, ruft auf Instagram zur Teilnahme an einer Großdemo unter dem Motto „Free Palestine will not be cancelled!“ auf, die am 4. November in Berlin stattfinden soll. Auch weitere Aktivist*innen aus dem queeren Spektrum der Hauptstadt mobilisieren zur Demo. Organisiert wird sie unter anderem von „Palästina spricht“. Die Gruppierung bezeichnete das Massaker der Hamas am 7. Oktober auf Instagram als „revolutionären Tag“, auf den man „stolz“ sein könne und den man „feiern“ müsse. Die Gruppe versteht die Gleitschirmkommandos der Hamas als feministischen Widerstand.
Zu den Unterstützern der Demo gehört das „Demokratische Komitee Palästina“, genauso wie Samidoun – eine Gruppierung die am 2. November in Deutschland endlich verboten wurde – eine Vorfeld- und Unterstützer*innenorganisation der Terrorgruppe PFLP, die für zahlreiche Anschläge in Israel verantwortlich ist. Anhänger von Samidoun hatten nach den Massakern und Vergewaltigungen vom 7. Oktober zur Feier des Tages Süßigkeiten auf der Berliner Sonnenallee verteilt. Finanziert werden die Organisationen, genau wie im übrigen die Hamas auch, vom Iran. Seit der islamischen Revolution 1979 wurden dort über 4000 schwule Männer an Baukränen erhängt. Für Teile der queeren Szene in Berlin offenbar kein Grund, Distanz zu wahren.
Die gibt es auch nicht zu den Tätern der Hamas. Denn zu den Unterstützern der Demo am Samstag gehört auch die BDS-Kampagne. Als BDS 2005 gegründet wurde, unterschrieben 172 Organisationen den Gründungsaufruf. An allererster Stelle steht dabei das „Council of National and Islamic Forces in Palestine“. In diesem Council ist unter anderem der Islamic Jihad vertreten, eine Terrorgruppe, die an den Massakern vom 7. Oktober beteiligt war, die schon erwähnte PFLP und auch direkt die Hamas.
An der Demo am 4. November teilzunehmen oder dafür zu mobilisieren, bedeutet mit Menschen Hand in Hand zu marschieren, die kein Problem mit Vergewaltigern und Schwulenhassern in den eigenen Reihen haben, mit solchen die die Rechte von Frauen und Minderheiten mit Füßen treten. Sich für Palästinenser*innen und gegen die zweifelsohne katastrophalen Zustände in Gaza zu positionieren, heißt laut zu werden gegen Hamas, PFLP und damit gegen BDS und andere Terrorverharmloser. Es heißt keinesfalls, sich mit ihnen zu solidarisieren. Für niemanden und vor allem nicht für Queers.