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Querfront AfD und Co willkommen auf Wagenknechts Friedensdemo

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97250138 (Quelle: picture alliance / SvenSimon | Annegret Hilse / SVEN SIMON)

„Wenn wir den Marsch in den Abgrund noch verhindern wollen, dann geht es nur über eine Querfront“, behauptet Jürgen Elsässer, Chef des rechtsextremen Compact-Magazins in einer „Nachrichtensendung“ des Verschwörungsblatts. „Weil der Großteil der Linken ist sowieso verloren, die Wagenknecht-Linken, die sind nicht verloren, aber die sind allein zu schwach. Sie brauchen die patriotischen Friedenskräfte,“ so Elsässer weiter. Querfront meint eigentlich eine rechte Strategie, unterschiedliche politische Lager für ein gemeinsames Ziel zu vereinen und damit auch den Versuch rechte Ideologien im linken Spektrum zu normalisieren und zu verankern. Schon am 25. Februar soll der neue Querfront-Versuch starten, Sahra Wagenknecht (Linke) und Alice Schwarzer haben nicht nur eine Petition veröffentlicht, mit der sie Waffenlieferungen an die Ukraine stoppen und Friedensverhandlungen erzwingen wollen, sondern veranstalten auch den „Aufstand für den Frieden“, eine großangelegte Demonstration in Berlin.

Elsässer und Compact sind nicht die einzigen Rechtsaußen-Stimmen, die für die Demo und die Petition mobilisieren. Der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla twitterte: „Ich habe diese Petition für den Frieden unterzeichnet. Im Einsatz für den Frieden sollten Parteigrenzen keine Barrieren sein. Noch fehlen Tausende Unterschriften. Unterzeichnen deshalb auch Sie!“ Von der AfD-Unterstützung schien Wagenknecht zunächst nicht besonders begeistert zu sein: „Wir haben mit der Auswahl unserer Erstunterzeichner deutlich gemacht, mit wem wir zusammenarbeiten und von wem wir uns Unterstützung erhoffen – und von wem eben auch nicht,“ sagte die Bundestagsabgeordnete dem Spiegel. An sich schon ein bemerkenswerter Satz, den zu den Erstunterzeichnern gehört unter anderem Jürgen Todenhöfer, Ex-CDU-Mitglied und früherer Burda-Manager, mittlerweile mit eigener Partei , dem nicht nur immer wieder Antisemitismus und Nähe zu Islamist*innen vorgeworfen wurden, sondern der auch die südafrikanische Apartheid im Bundestag verteidigte.

„Ich werd‘ wahnsinnig“, reagiert Elsässer auf Wagenknechts Distanzierung im Compact-Gespräch auf YouTube. Wagenknecht sei dabei „eine Riesenchance, die sie zunächst eröffnet hat, zu verstolpern“. Elsässer hält nichts von „Abgrenzeritis“ und „Distanzeritis“. Begriffe, die seit einigen Jahren in der extremen Rechten genutzt werden, um Abgrenzungen und Distanzierungen zu rechtsextremer und menschenfeindlicher Ideologie ins Lächerliche zu ziehen. Schließlich bräuchten Wagenknecht und Schwarzer die „sehr aktiven patriotischen Friedenskräfte“. Doch der Chefredakteur, der erst im Dezember 2022 Wagenknecht mit der Schlagzeile „Die beste Kanzlerin“ auf das Cover seines Hefts gehievt hatte, will noch lange nicht aufgeben: „Wir sollten nicht wie verschmähte Liebhaber sagen, ‚Ach, die will uns nicht, da gehen wir nicht hin‘, sondern wir sollten trotzdem hingehen (…) und sozusagen die Sache fluten mit Deutschlandfahnen.“ Denn schließlich wollen doch alle nur das eine: „Da müssen überall auf dem Platz Deutschlandfahnen zu sehen sein, damit die Sahra Wagenknecht richtig bemerkt, dass zu den Friedenskräften eben auch die angeblich bösen Rechten gehören und dass die gar nicht so böse sind, denn sonst wären sie ja nicht für den Frieden.“

Um was für eine Art von „Frieden“ es sich dabei handelt, erklärt Elsässer allerdings nicht. „Hinter dem Ruf nach Frieden verschanzen sich die Mörder“, formulierte Paul Spiegel, der ehemalige Präsident des Zentralrats der Juden. „Angesichts der Situation in der Ukraine ‚Nie wieder Krieg!‘ zu rufen, ist zynisch und verlogen. Weil den Rufenden dabei die konkrete Situation vor Ort egal ist“, schreibt Anetta Kahane in ihrer Kolumne auf Belltower.News. Die Meinung von Betroffenen, zum Beispiel die von Geflüchteten aus der Ukraine oder die der ukrainischen Bevölkerung, interessiert Elsässer wenig und genauso Schwarzer und Wagenknecht, samt Unterstützer*innen.

Dabei hätte sich der Compact-Chef gar keine großen Gedanken machen müssen. Denn schon Wagenknechts Distanzierung ist eigentlich keine. Das eigentliche Problem für die Linke ist nämlich nicht die Unterstützung Chrupallas, sondern die Reaktionen darauf. Die Unterschrift habe diejenigen begeistert, „die den Krieg in der Ukraine mit Panzern und Kampfjets bis zum letzten Ukrainer fortsetzen möchten“, sagte Wagenknecht dem Spiegel. Die Empörung über die Unterstützung aus der rechtsradikalen bis rechtsextremen Partei sei nur „der Versuch unsere Friedensinitiative zu diffamieren“. In einem weiteren Spiegel-Interview mit Wagenknecht und Schwarzer, das am Donnerstag veröffentlicht wurde, antwortet Schwarzer auf die Frage der Journalist*innen, ob die beiden Initiatorinnen die Teilnahme von AfD und Co in Kauf nehmen: „Scherzen Sie? Es haben Hunderttausende Menschen diese Petition unterschrieben. Und Sie sprechen jetzt von einer Person.“ Wagenknecht bekräftigt und spinnt ihre Verschwörungserzählung weiter: „Dieser Versuch, unsere Initiative zu diskreditieren, indem man eine Unterschrift von Hunderttausenden hochspielt, nützt letztlich nur der AfD.“

Noch klarer macht das Oskar Lafontaine, Wagenknechts Mann und mittlerweile aus der Linken ausgetretener ehemaliger Fraktionschef der Partei im saarländischen Landtag. Auch er nimmt Wagenknechts Verschwörungserzählung auf. Nachdem „Herr Chrupalla“ unterschrieben habe, sei sofort eine „Kampagne“ gegen die Demo seiner Gattin gestartet, um die in ein schlechtes Licht zu rücken. Aber Lafontaine stellt klar: „Wenn das so interpretiert wird, AfD-Wähler und so weiter, wären nicht willkommen, das ist natürlich völliger Blödsinn, denn dann würde man sich selbst unglaubwürdig machen.” Versammeln sollen sich laut Lafontaine diejenigen, „die ehrlichen Herzens Frieden wollen. Da sind alle willkommen.“ Die Interviewerin – das Gespräch findet in einem „Querdenken“-nahen Videoformat statt – fragt nochmal besorgt nach: „Das heißt also, dass auch AfD-Wähler und AfD-Politiker (…) mitmarschieren [können], ohne ausgegrenzt zu werden, wie alle anderen auch?“ Lafontaine spricht praktisch eine Einladung aus und versichert: „Da gibt es keine Gesinnungsprüfung.“

Das dürfte mittlerweile auch schwierig werden, denn Chrupalla und Elsässer sind keineswegs die einzigen Rechtsaußen-Akteure, die sich für die Friedensdemo von Wagenknecht und Schwarzer begeistern. Die Petition der beiden Frauen teilt zum Beispiel auch Björn Höcke, dem gehen allerdings einzelne Formulierungen im Petitionstext zu weit, denn immerhin heißt es dort: „Die von Russland brutal überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität.“ Höcke, offenbar auch weiterhin Putin-treu, glaubt, die Formulierung sei „Politphrasologie“ und eine „Rückfalloption“. Damit kommt das nächste Verschwörungsnarrativ ins Spiel. Wagenknecht und Schwarzer beeilen sich demnach, Russland zu verteufeln, um doch noch vom angeblichen Mainstream akzeptiert zu werden und versuchen sich durch die von Höcke kritisierte Formulierung anzubiedern.

Andere Rechtsaußen-Stimmen aus dem gesamten Spektrum weisen ebenfalls auf die Demo hin oder rufen zu Teilnahme auf. „Neverforgetnikki“ ein rechtskonservativer YouTuber, der trotz jungen Alters ein eher älteres Publikum anspricht, solidarisiert sich auf Twitter mit Wagenknecht und Schwarzer. Benedikt Kaiser, der zum rechtsextremen „Institut für Staatspolitik“ gehört, retweetet Lafontaines AfD-Einladung für seine Follower*innen aus dem „neurechten“ Dunstkreis.

Die Chance, sich von Rechtsextremen und Menschenfeinden glaubhaft zu distanzieren, haben die Initiatorinnen des „Aufstands für den Frieden“ mittlerweile vollständig verpasst. Wer mit Wagenknecht und Schwarzer auf die Straße gehen will, muss davon ausgehen, zusammen mit rechtsextremen Putin-Fans und AfD-Anhänger*innen zu marschieren.

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