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Radebeul/ Coswig Streit um einen Frauenkalender

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Kein Aprilscherz: Der Frauenkalender zeigt weiterhin die NPD-Politikerin Petra Müller, die Grünen-Politikerinnen Eva Oehmichen und Christine Renger wurden durch saisonale Botschaften ersetzt.

In Radebeul /Coswig wird derzeit ein Frauenkalender für das Jahr 2015 heftig diskutiert: Unter dem Motto „Frauen mischen sich ein – parteiübergreifend für das Wohl der Städte“ sollte der Kalender veröffentlicht werden. Motive des Kalenders sind politisch engagierte Stadträtinnen aus der Großen Kreisstadt Radebeul /Coswig in Sachsen. Initiatorinnen sind die Gleichstellungsbeauftragte Coswigs/Radebeuls, Angelika Gerhardt, und die Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises, Sylvia Wolf. Insgesamt 15 Stadträtinnen sollten mit Fotos und ihren Ansichten in dem Frauenkalender gezeigt werden, darunter auch zwei Politikerinnen des Bürgerforums /Grünen, Fraktionsvorsitzende Eva Oehmichen und Christine Renger.

Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragten ist die Förderung und Verteidigung der Chancengleichheit innerhalb der Gemeinde. Was aber, wenn die Aufgabe nicht nur nicht erfüllt wird, sondern sogar Gegenteiliges getan wird? Als die zwei Bürgerforum/Grüne-Politikerinnen die fertigen Kalender erhielten- sie wurden zu diesem Zeitpunkt nur den Stadträt_innen zugestellt – mussten sie entdecken, dass auch die NPD-Politikerin Petra Müller Teil des Kalenders ist.

Ein offener Brief – mit Folgen!

„Eine solche, von Ihnen als Gleichstellungsbeauftragte verantwortete Zusammenstellung von sich einmischenden Frauen empfinden wir als skandalös. Es kann nicht ihre Aufgabe sein, Personen oder Parteien zu unterstützen, welche sich gegen den Gedanken der Gleichstellung positionieren. Damit disqualifizieren Sie sich in unseren Augen im Amt“, schreiben Oehmichen und Renger in einem offenen Brief an die Gleichstellungsbeauftragte von Radebeul und Coswig.

In diesem Brief entzogen sie den Gleichstellungsbeauftragten gleichzeitig die Verwendungsrechte für ihre Texte und kritisierten die Verwendung ihrer Bilder, ohne dass vorher entsprechende Genehmigungen eingeholt wurden. Mit einer NPD-Stadträtin zusammen in dem Kalender gezeigt zu werden, schien für sie undenkbar und entsagte für sie jeglichem Demokratieverständnis und den Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten allemal.

NPD und Gleichstellung?

Sie erklären außerdem, weshalb es so skandalös ist, der NPD auf diese Weise eine zusätzliche Plattform für die Verbreitung ihrer politischen Ideologie und eine vermeintliche Akzeptanz der Sichtweise dieser Partei in der Öffentlichkeit zu suggerieren: „Um für die Gleichstellung zu werben, ist die NPD der völlig falsche Partner. Sie verneint demokratische Werte, zum Beispiel die Gleichstellung aller Menschen unabhängig von deren Hautfarbe, Nationalität oder Religion. Als Gleichstellungsbeauftragte können Sie einer solchen Partei keine öffentliche Plattform bieten. Auch die Aktivitäten von Frau Müller persönlich sind keinesfalls harmlos. Über Radebeul hinaus verbreitet sie die rassistischen und menschenverachtenden Parolen ihrer Partei. Bei Demonstrationen mit antidemokratischen Zielen steht sie häufig in der ersten Reihe.“

Einer Forderung wird tatsächlich nachgekommen…

Daraufhin tat sich auch etwas. Aber leider nicht das, was als klares Zeichen gegen Rechtspopulismus und die diskriminierende Politik der NPD zu erhoffen gewesen wäre. Anstatt den Kalender komplett zurückzuziehen oder die Abbildung der NPD-Politikerin heraus zu nehmen, wurden stattdessen wirklich die zwei Bilder der Bürgerform/Grüne-Politikerinnen aus dem Kalender herausgenommen. Sie sollen mit Weihnachts- und Ostermotiven überklebt werden. Die NPD-Frau bleibt Teil des Kalenders.

Schadensbegrenzung? –Nein, danke.

In einer Stellungnahme zu dem Frauenkalender für Belltower.news schreibt Eva Oehmichen:

„Der Verzicht auf die weitere Verteilung des Kalenders wäre aus unserer Sicht das geeignetste Mittel gewesen, um die blamable Situation für die Gleichstellungsbeauftragte, die Stadtverwaltungen und die Fördermittelgeber nicht noch öffentlicher zu machen. Dies hatten wir eigentlich erwartet.“

Oehmichen ist der Meinung, die Gleichstellungsbeauftragten agierten komplett ahnungslos und unkritisch. Selbst ein Treffen zu diesem Thema blieb ohne Wirkung. Obwohl die Grünen-Politikern die Gleichstellungsbeauftragte über die verfassungsfeindlichen Ziele der NPD aufklärte und erläuterte, warum NPD-Politikerin Müller nicht Teil eines von der Stadt als herausgegebenen Kalenders vorbildlicher Frauen sein sollte, waren die Gleichstellungsbeauftragten nicht umzustimmen.  „Der Widerspruch wird nicht erkannt. Sachargumente waren nicht zu vermitteln.“  Erstaunlich auch deshalb, weil mit Jürgen Gansel ein umtriebiges Mitglied der NPD Sachsen im Kreistag sitzt. Dessen Name war bei einer der Gleichstellungsbeauftragten allerdings nicht einmal bekannt.

Gefragt nach der Bewertung sagt Oehmichen: „Obwohl sie wirklich ahnungslos sind, haben beide ein schlechtes Gefühl. Sie sind aber nicht fähig, kritisch Position zu beziehen. Sie verschanzen sich dahinter, alle gleich zu behandeln. Ein Bezug zu „Pegida“ vor unserer Haustür wird nicht erfasst. Beide wollen eigentlich die NPD nicht befördern, sind aber zur Abgrenzung nicht in der Lage.“

 „Antifa-Posse“

Rechtsextremismus scheint in Radebeul und Coswig generell kein öffentliches Thema zu sein. Laut Oehmichen starteten ihre Partei sowie die SPD bereits vor vier Jahren einen erfolglosen Anlauf, um über den Umgang mit der NPD-Stadträtin zu sprechen und dafür ein Beratungsteam einzuladen. Der Verwaltung in Radebeul ist scheinbar nicht einmal bekannt, dass der Ring Nationaler Frauen (RNF), die Frauenorganisation der NPD, gern in Radebeul tagt. Sie befindet den Kalender als gelungen.

Die NPD bezeichnet die Vorgänge um den Kalender als „Antifa-Posse“, in einem anonymen Leserbrief der Lokalzeitung wird die Politikerin Oehmichen als überhebliche Chauvinistin, die sich über andere Menschen stellt, bezeichnet. Auf der Website des RNF werden die Bürgerforum/Grünen-Politikerinnen als selberernannte „Demokratiewächterinnen“ und „Bestmenschinnen“ beschimpft.

Oehmichen und Renger regen nun an, ein Beratungsteam in die Stadt einzuladen, um sich mit den Gleichstellungsbeauftragten und der Verwaltung auseinander zu setzen, aufzuklären, zu diskutieren: „Falls das geschehen sollte und ich gehe davon aus, wäre es für uns ein Erfolg.“

+ + + Nachtrag: In seiner Neujahrsrede erwähnte auch der Oberbürgermeister von Radebeul, Bert Wendsche (parteilos), den Streit um den Frauenkalender der Gleichstellungsbeauftragten. Jedoch stellte er sich dabei nicht auf die Seite von Frau Oehmichen und Frau Renger, sondern bezeichnete den Ausschluss einer Stadtratskollegin (in diesem Fall wohl Frau Petra Müller von der NPD) als Widerspruch zur Menschenwürde und tut die politische Gesinnung, wie auch immer diese geartet sein soll, dabei als unwichtiges Detail ab. Und das, obwohl er vorher betonte, die Anstrengungen rund um ein Verfassungsbewusstsein und die Wahrung der Verfassung bedürfen immer wieder neuer Anstrengungen.

Zitat OB Wendsche: „Verfassungsbewusstsein, gelebter Verfassungsstolz sind fu?r mich nicht von gestern, sondern notwendige Grundvoraussetzung fu?r ein erfolgreiches morgen. Doch es gilt auch nicht die Augen davor zu verschließen, dass die Wahrung des Geistes unserer Verfassung immer wieder neuer Anstrengungen bedarf.

Dies beginnt schon bei uns im Stadtrat: Weder das Ausspucken vor einer Stadtratskollegin, weder das Verweigern der letzten Ehre fu?r einen Verstorbenen, noch der Versuch einzelnen Gewa?hlten nur eine „formale Gleichbehandlung“ zuzugestehen sind tolerabel. Ersteres widerspricht der Menschenwu?rde, letzeres missachtet den Willen des Wa?hlers als alleinigem Souvera?n. Politische Ansichten hin oder her, so geht es nicht.“ + + +

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