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Rassismus Ein brutaler Polizeieinsatz, der Mutombo sein Leben kostet

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Mutombo Mansamba, Bruder des getöteten Kupa Mutombo, auf einer Pressekonferenz zum Vorfall bei der Beratungsstelle ReachOut
Mutombo Mansamba, Bruder des getöteten Kupa Mutombo, auf einer Pressekonferenz zum Vorfall bei der Beratungsstelle ReachOut (Quelle: picture alliance/dpa/Carsten Koall)

Am 6. Oktober bekommt Mutombo Mansamba den Anruf, dass sein Bruder tot ist. Der 64-jährige gebürtige Kongolese lag drei Wochen lang in einem Koma in der Berliner Charité, sein Gesicht stark geschwollen. Am Tag von Mutombos Tod veröffentlicht ReachOut, eine Beratungsstelle für Opfer rechter und rassistischer Gewalt, eine Pressemitteilung zu den Ursachen seines Todes: ein brutaler Polizeieinsatz in einem betreuten Wohnheim in Spandau, der einige Fragen aufwirft.

Am 14. September 2022 sollte Kupa Ilunga Medard Mutombo, ein Schwarzer Mann mit psychischer Erkrankung, der an Schizophrenie litt, in ein Krankenhaus verlegt werden. Drei Polizeibeamte, ein Arzt und ein Krankenwagen sollten ihn überführen. Als Mutombo seine Tür geöffnet und die Polizei gesehen habe, sei er in Panik geraten, heißt es in der Pressemitteilung. Aus Angst vor der Polizei habe er seine Tür wieder schließen wollen. Dann sei es zu einem „Gerangel“ gekommen, wie ein Betreuer vom Wohnheim, der den Einsatz durch die Tür beobachten konnte, später beschreibt. Ein Gerangel, das für Mutombo tödlich endet.

In dem drei mal sechs Quadratmeter großen Zimmer, in dem Mutombo wohnte, wendeten die Polizisten „massive brutale Gewalt gegen ihn“ an, wirft ReachOut der Behörde vor. Ein Beamter habe das Blut aus Mutombos Gesicht mit einer Decke wegwischen müssen. Ein weiterer Polizist, der von Zeugen als „stämmig“ beschrieben wird, soll Mutombo ein Knie in seinem Nacken gedrückt haben. Mindestens 13 weitere Beamt*innen seien als Verstärkung geholt worden, um Mutombo im kleinen Zimmer zu fixieren. Sowohl der Betreuer als auch ein Mitarbeiter des Wohnheims berichten, dass jemand geschrien habe: „Er atmet nicht mehr! Reanimierung!“ Seine Wiederbelebung habe mehr als 20 Minuten gedauert. Später sei er ins Koma gefallen. ReachOut spricht von einem „rassistischen Polizeieinsatz“.

Erst sieben Tage später erfährt Mansamba, was passiert ist, dass sein Bruder Mutombo im Koma liegt, dass er um sein Leben bangt. Benachrichtigt wurde er nicht von der Polizei, sondern von Ärzten der Charité. Auch eine Woche vergeht, bevor die Polizei über den Einsatz in einer Meldung berichtet. Grund sei ein „Bürofehler“, bietet sie als Erklärung dafür.

In der Polizeimeldung vom 22. September heißt es: Ein Gericht habe die Verlegung von Mutombo ins Krankenhaus angeordnet, weil er ein psychiatrisches Krankheitsbild entwickelt habe. „Da der Mann zunehmend aufgebrachter wurde, wurden die im Vorfeld informierten Polizeikräfte um Unterstützung gebeten“, so die Polizei weiter. Mutombo soll laut Polizei „massiv Widerstand“ geleistet haben, mit „Tritten, Schlägen und Bissversuchen“.

Auf einer emotionalen Pressekonferenz der Beratungsstelle ReachOut am gestrigen 10. Oktober malt Mansamba ein wesentlich anderes Bild von seinem Bruder. „Wir haben nie eine Art von Aggressivität an ihm festgestellt“, sagt er. Als „kindlich“ hätten die Betreuer des Heims ihn beschrieben, wie die taz berichtet.

Auch ReachOut-Sprecher Biplab Basu zweifelt die Version der Polizei an: „Ich bewerte das als einen rassistischen Vorfall“, sagt er im Gespräch mit Belltower.News. „Ich finde es nicht plausibel, dass insgesamt 16 Polizisten nicht in der Lage waren, eine einzelne Person festzusetzen.“ Auf der Pressekonferenz hieß es von ReachOut, Mutombo habe sich laut Augenzeugen nicht gewehrt.

Basu kritisiert auch, dass in solchen Fällen die Opfer oft als psychisch krank gebrandmarkt werden. „Und dann ist es ein leichtes Spiel für die Polizei, die Person wegen dieser Krankheit als aggressiv darzustellen“, so Basu weiter. „Für die Öffentlichkeit ist das immer glaubwürdig. Und für die Staatsanwaltschaft ist das ein Grund, ein Verfahren schnell wieder einzustellen“. Er findet nicht, dass in solchen Situationen uniformierte, bewaffnete Polizist*innen eingesetzt werden müssen. „Wir brauchen ein geschultes Personal, das Erfahrung im Umgang mit psychisch beeinträchtigten Menschen hat“, fordert er.

Der Tod von Kupa Ilunga Medard Mutombo ist kein Einzelfall, er reiht sich ein in eine erschreckend lange Liste von ähnlichen Vorfällen: Seit 1990 zählt die Organisation Death in Custody mindestens 217 Todesfällen von Schwarzen Menschen, People of Colour und von Rassismus betroffenen Personen in Gewahrsam und durch Polizeigewalt in Deutschland. Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher sein.

Der jüngste Vorfall im Spandauer Wohnheim zeigt nicht nur Parallelen auf mit dem Tod des US-Amerikaners George Floyd, der 2020 von einem Polizisten ermordet wurde, indem er auf Floyds Nacken kniete. Im August dieses Jahres starb Mouhamed Lamine Dramé, ein 16-Jähriger aus dem Senegal, bei einem Polizeieinsatz in Dortmund: Er befand sich in einer akuten psychischen Krise, hatte ein Messer dabei und wollte offenbar sich selbst verletzen. Elf Polizisten waren anscheinend nicht in der Lage, den Jungen zu entwaffnen und in Gewahrsam zu nehmen. Stattdessen feuerte ein Beamter sechs Schüsse von seiner Maschinenpistole ab, einige von denen trafen Dramé tödlich. Wie die Situation dermaßen eskalieren konnte, bleibt noch unklar: Alle elf Polizisten hätten vergessen, ihre Body-Cams einzuschalten, hieß es später von der Polizei. Die Situation sei stressig gewesen.

Auch in Berlin-Spandau bleibt unklar, wie drei Polizisten den schlanken Mutombo nicht festsetzen konnten, warum 13 Beamt*innen als Verstärkung geholt werden mussten, warum einer auf seinen Nacken knien musste, warum er sterben musste. Auf Anfrage von Belltower.News reagierte die Polizei Berlin bis zum Redaktionsschluss nicht.

Doch der tödliche Einsatz wird ein juristisches Nachspiel haben. Die Staatsanwaltschaft Berlin leitete nun Untersuchungen zur Todesursache ein. Die Leiche des Mannes soll zudem obduziert werden. Gegen die beteiligten Beamt*innen wird wie üblich die Polizei gegen sich selbst ermitteln – wegen Körperverletzung im Amt. Doch erst eine Woche später, am 20. September, wurde das Verfahren eingeleitet.

„Die Staatsanwaltschaft muss unbedingt eine Anklage erheben“, fordert Biplab Basu von ReachOut gegenüber Belltower.News. Er plädiert für Offenheit und Transparenz: „Die beteiligten Polizisten müssen auch in der Öffentlichkeit beantworten, was sie getan haben, warum und wie“. Denn es sei höchste Zeit, dass Polizei und Politik darüber nachdenkt, wie sich solche tödlichen Vorfälle, die unverhältnismäßig oft Schwarze Personen und People of Colour betreffen, in Zukunft vermeiden lassen.

Update 12.10.2022: Auf Anfrage von Belltower.News antwortete die Polizei Berlin, dass sie aufgrund der noch laufenden Ermittlungen, „die sowohl die Rekonstruktion des Einsatzverlaufes wie auch die Todesursache umfassen“, keine näheren Auskünfte zum Einsatzgeschehen geben kann.

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