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Rassismus? Ein schwieriger Begriff!

Von|
Professor Andreas Zick von der Universität Bielefeld (Quelle: ngn/sr)

Klassischer Rassismus

Der historisch gewachsene und ursprüngliche Rassismus ist ein extremes Vorurteil gegenüber einer Gruppe, die nach scheinbar einzigartigen, sichtbaren Merkmalen wie Rasse, Temperament oder Charakter als anders und minderwertig beurteilt wird. In Form des Sexismus, des Rassismus gegen behinderte oder alte Menschen taucht der Rassismus auf. Er kann in den Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen von Individuen, oder strukturell in Gesetzen, der Kultur oder den sozialen Verteilungssystemen von Gesellschaften erscheinen. Die Diskriminierung nach dem Geschlecht, die sich des Verweises auf natürliche, aber wissenschaftlich nicht haltbare Differenzen zwischen Geschlechtern bemüht, ist rassistisch, ebenso wie die Meinung, dass eine Person, dies oder das tun oder sagen würde, weil sie einer anderen Rasse angehören würde. Klassische Formen des Rassismus finden wir weniger oft vor, weil die Sanktionen in der Gesellschaft relativ gut verankert scheinen.

Moderner Rassismus

Weitaus mehr Zuspruch finden moderne Rassismusformen. Zum einen stellen wir einen kulturalistischen Rassismus fest. Kulturell andere Gruppen und ihrer Mitglieder werden abgewertet, als minderwertig, deviant, oder nicht zu uns passend beurteilt, weil sie angeblich unveränderbare kulturelle Merkmale aufweisen. An die Stelle der „Rasse“ tritt die Kultur oder Religion. Kultur, die eigentlich von Menschen gemacht ist, wird als Natur verstanden. So werden Gruppen als minderbegabt, nicht lernfähig, verschlagen, oder kriminell beurteilt. Der kulturalistische Rassismus stigmatisiert die Anderen und sie können nichts dagegen unternehmen, nicht einmal das Gegenteil beweisen, weil sie ja weniger begabt oder abweichend sind.

Der kulturalistische Rassismus hat große Überschneidungen zu einem subtilen Rassismus, der zu umgehen versucht, als solcher erkannt zu werden. In der Forschung werden viele Facetten dieses Rassismus unterschieden, wie z.B. symbolischer, aversiver, ideologischer oder indirekter Rassismus. Wesentlich ist ihnen, dass Personen und Gruppen wissen, dass sie ihre negativen Gefühle und Antipathien gegenüber Gruppen, die scheinbar anders sind, unterdrücken sollen, oder ihre Meinungen und Gefühle gegen ihre bzw. von der Umwelt eingeforderten Ideologie der Gleichheit, oder humanistische und demokratische Werte sprechen. Sie verstecken ihre Antipathien und drücken sie harmlos verschlüsselt auf Umwegen aus. Die Meinung von grundsätzlichen Wertdifferenzen zwischen Gruppen – „die Wertvorstellung von Gruppe x, passt nicht zu uns“ -, sowie der Entzug von positiven Gefühlen gegenüber den anderen (Bewunderung, Lob, Anerkennung) können Ausdruck eines subtilen Rassismus sein. Auch der Versuch, anderen aus dem Weg zu gehen, keinen Kontakt zuzulassen, sie auf Distanz zu halten, kann ein Ausdruck sein.

Ursachen des Rassismus

Ebenso wie andere Vorurteile hat der Rassismus vielfältige Ursachen. Er hat historische, gesellschaftliche, wie auch individuelle, biografische Ursachen. Trotzt aller Differenzen der Theorien über die Ursachen, die notwendig für den Erkenntnisgewinn sind, scheinen einige gesellschaftlichen Ursachen in besonderer Weise verantwortlich zu sein. Wenn Gesellschaften rassistische Theorien über den Unterschied zwischen Gruppen zulassen, oder sogar in ihr Bildungs- und Wertsystem aufnehmen, dann ist die Gefahr einer Normalisierung hoch. Studien zeigen, dass Länder mit einer fragilen oder gegenläufigen demokratischen Kultur stärker rassistisch sind. Rassismus kann im Grundstein einer Gesellschaften eingemeißelt sein. Zweitens beobachten wir, dass rassistische Umwelten Menschen, die nicht rassistisch eingestellt sind, rassistisch machen können. Der Rassismus ist ein kollektives Phänomen. Rassismus wird von Personen geäußert, weil sie Gruppen angehören oder sich mit ihnen identifizieren und die Gruppen sie dazu auffordern. Drittens sind Gruppen anfälliger, wenn sie weniger demokratische Bildung aufweisen und politisch konservativ orientiert sind. Viertens macht eine allgemeine Ideologie der Ungleichwertigkeit zwischen Gruppen – die einen sind oben, die anderen unten und das ist gut so – anfällig für Rassismus. Die Orientierung an der Dominanz von einigen Gruppen, denen wir gerne angehören möchten, produziert rassistische Ideologien, weil der Rassismus die einfachsten Formeln zur ungleichwertigen Bemessung bereitstellt. Fünftens macht der gesellschaftliche Wandel anfällig für die Normalisierung des modernen Rassismus. Wenn Gesellschaften es zulassen, dass nicht nur ökonomischer Fortschritt nach Wettbewerbskriterien angekurbelt wird, sondern ökonomische Kriterien zur Bemessung von Gruppen herangezogen werden, dann bietet der Rassismus die einfachsten Kriterien: Natürliche Schwächen von Menschen, die aus der Natur ihrer Gruppe resultieren, sind scheinbar einfach bemessbar und sind der Vermessung des Sozialen dienlich. Das erklärt, warum die Debatte über weniger starke Bildungserfolge von Menschen mit Migrationsgeschichte immer wieder auf Kompetenzen und Defiziten verwiesen wird, und nicht auf soziale Ungleichheiten, die die Differenz erzeugen. Die Formel, dass die sozial schwachen Mitglieder der Gesellschaft rassistischer sind als die bürgerlichen Gruppen, die über Bildung und starke antirassistische Werte verfügen, stimmt daher nicht mehr.

Die Zukunft des Rassismus

Der Rassismus in Deutschland hat eine Zukunft. Das liegt an seiner Wandelbarkeit. Nach dem Mord an Millionen von Menschen durch Menschen, die einer nationalsozialistischen Rassetheorie bewusst oder unbewusst folgten, ist der offene Rassismus fast nur noch in rechtsextremen Gruppen zu finden. Der Rassismus hat aber immer Eingang in Kulturen und Gesellschaften dann gefunden, wenn Gesellschaften in Krisen geraten. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ungleichheit zwischen Gruppen ein besonders hohes Maß angenommen hat. Ein ökonomischer Wettbewerb, der alle Lebensbereiche bestimmt, wird Rassismus befördern. Der Rassismus ist dabei durch seine Anpassungsfähigkeit längst in gesellschaftliche Regionen vorgedrungen, die unverdächtig erscheinen. Der Naturschutz, Sportvereine oder Bürgergemeinschaften sind nur einige Plätze. Dabei darf am Ende nicht übersehen werden, dass es neben dem Rassismus viele andere Elemente der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit gibt. Der Rassismus ist dann stark, wenn er sich mit anderen Vorurteilen, wie die Islamfeindlichkeit, den Antisemitismus, aber auch der Abwertung von Obdachlosen, Frauen, Menschen mit homosexueller Orientierung verbindet. Wenn sie alle genauer betrachtet werden und danach gefragt wird, wohin die Menschenfeindlichkeit drängt, dann hat sie weniger eine Chance, sich zu verstecken. Der Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes fordert dazu auf, das zu tun. (Anm. d. Red.: Art. 3, Absatz 3 des GG besagt, dass „niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“ darf . Und: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“)

Andreas Zick ist Vorurteilsforscher und Professor am Institut für Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. Hier erforscht er u.a. die Mechanismen der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ (www.uni-bielefeld.de/ikg/zick). Außerdem ist er Mitglied des Stiftungsrat der Amadeu Antonio Stiftung.

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