Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Rassismus trifft Desinformation Hetze gegen ukrainische Geflüchtete

Von|
Wohin die rassistische Stimmungsmache mit Desinformation und Falschmeldungen im schlimmsten Fall führen kann, zeigt der Brandanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft bei Wismar
Wohin die rassistische Stimmungsmache mit Desinformation und Falschmeldungen im schlimmsten Fall führen kann, zeigt der Brandanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft bei Wismar (Quelle: picture alliance/dpa/Jens Büttner)

„Nazis raus“ tönt es am 10. Oktober bei einer Leipziger „Montagsdemo“. Etwa 2.000 Demonstrierende „spazieren“ am frühen Abend durch die Innenstadt. Mit dabei: Banner der rechtsextremen „Freien Sachsen“ und eine Wehrmachtsfahne. Doch Bild und Sound passen an diesem Tag nicht zusammen: Denn die „Nazis raus“-Rufe kommen von den Demokratiefeind*innen selbst. Sie gelten einer Gruppe von Ukrainer*innen, die am Rande des Aufmarschs gegen den Schulterschluss der extremen Rechten mit Putin protestieren. Die Mär von der Ukraine als Nazi-Regime, die der Kreml schon lange vor Kriegsbeginn verbreitete – sie hat es längst bis auf deutsche Straßen geschafft.

Fake News über Geflüchtete haben gerade wieder Konjunktur. Vor allem die Entscheidung der Bundesregierung, geflüchtete Ukrainer*innen beschleunigt ins Hartz-IV-System aufzunehmen, liefert reichlich Anlass für Hetze. So warnte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in einem Interview mit Bild-TV Ende September vor einem „ukrainischen Sozialtourismus“. Geflüchtete würden zwischen der Ukraine und Deutschland hin und her pendeln, um Hartz-IV-Leistungen abzugreifen. Nur: Ohne Meldeadresse kein Hartz IV. Merz entschuldigte sich für seine Äußerung. Laut dem Rechercheportal Correctiv zirkulierte dieselbe Falschbehauptung bereits zuvor in den Sozialen Medien. Erwartungsgemäß mischt auch die AfD bei der Stimmungsmache gegen Geflüchtete mit. Dass Ukrainer*innen Anspruch auf Sozialleistungen haben, deutet die Partei als Benachteiligung „deutscher“ Rentner*innen und Hartz-IV-Empfänger*innen.

Zweisprachige Desinformation

Schon seit Kriegsbeginn verbreiten prorussische und verschwörungsideologische Telegram-Kanäle Falschmeldungen über ukrainische Geflüchtete. Die Stimmungsmache verwischt dabei oftmals Sprachgrenzen. Davon zeugt eine Reihe russischsprachiger Videos, die mit Beschreibungen auf Deutsch versehen auf Telegram die Runde machen. Dieses Vorgehen ist typisch für viele prorussische Desinformationskanäle. Sie leisten Übersetzungsarbeit und bilden so ein wichtiges Scharnier zwischen der russischen Inlandspropaganda und deutschsprachigen demokratiefeindlichen Milieus.

Die meisten der Videos über Geflüchtete entlarvten Journalist*innen als Fakes. Neben herbeifantasierten Gewalttaten ging es dort vor allem um erfundene Fälle von Vandalismus. In einem Video, das die „Putin-Influencerin“ Alina Lipp im Juni auf ihrem reichweitenstarken Telegram-Kanal verbreitete, führt eine auf Russisch fluchende Frau durch eine verwüstete Wohnung. Ukrainer*innen, die sie bei sich aufgenommen habe, hätten Möbel zertrümmert und den Fernseher mit Nutella beschmiert. Wer diese Frau ist und wo in Deutschland sich der Fall zugetragen haben soll, bleibt völlig offen – das lässt auch hier auf eine Fälschung schließen.

Dazu passt, dass zwei linientreue russische Nachrichtenportale die Meldung aufgriffen – ohne jegliche weitere Einordnung. Denn derartige Desinformationen zielen selten nur auf das Ausland, auch in Russland werden sie zur Stimmungsmache gegen Ukrainer*innen genutzt. Dort ist Wladimir Solowjow eine Schlüsselfigur der Propaganda. Der Fernsehmoderator ist auch hierzulande bei russischsprachigen Putin-Fans beliebt. In einer seiner Talk-Sendungen spekulierte er bereits darüber, ob Deutschland nicht längst Kriegspartei sei: Geflüchtete würden hier für den Kampf in der Ukraine vorbereitet.

Wer genau hinter Fake-Videos und Desinformationskampagnen steckt, bleibt meist unklar. Doch letztlich ist es gleich, ob bezahlte Kreml-Trolle oder rechtsextreme Hetzer*innen hinter der Stimmungsmache stehen. Denn beide wollen das demokratische Miteinander untergraben und setzen hierfür auf Desinformation. Falschmeldungen sind deshalb eine Gefahr, erst recht, wenn sie rassistisch sind.

Dieser Artikel ist zunächst in Ermutigen erschienen, der Zeitung der Amadeu Antonio Stiftung. Die komplette Zeitung finden Sie hier.

Weiterlesen

Menschen im seperatistischen Donezk gehen 2014 auf die Straße. Das Motto: „Rettet die Kinder des Donbass vor der ukrainischen Armee“. In eins mit dem Bürgerkrieg in der Ostukraine lief damals auch die russische Propagandamaschine an.

Russlands Staatsmedien Fake News seit Jahren

Dem Angriff auf die Ukraine ging in Russlands Staatsmedien eine langjährige Desinformationskampagne voraus. Von den „Banderowzi“ und dem gekreuzigten Jungen.…

Von|
Eine Plattform der