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Rassistische Mobilisierungen gegen Flüchtlingsunterkünfte, Rechte Demonstrationen und Wahlkampf bei NPD und AfD – Das Jahr 2014 in Brandenburg

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Junge Rechte auf einer Kundgebung Anfang November in Wittstock. Auf der Rückseite der T-Shirts steht geschrieben: "Deutschland Blutet". (Quelle: Presseservice Rathenow)

Von: Opferperspektive e.V. Brandenburg

NPD Kundgebungsmarathon 2014

Von Mitte 2013 bis zur Landtagswahl im September 2014 befand sich Brandenburg mit nur kurzer Unterbrechung im Wahlkampf. Die NPD kündigte für 2014 einhundert Kundgebungen an. Zur  Wählermobilisierung, an der sich regionale „Freie Kräfte“ beteiligten, kamen zahlreiche Protestaktionen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, häufig aus dem gleichen Spektrum heraus organisiert. So gab es zeitweise täglich mehrere Kundgebungen im Land. Viele davon bestanden allerdings nur aus einem Lautsprecherwagen mit zwei Begleitpersonen.

Die enge Verbindung der Partei mit dem militanten Neonazi-Millieu wurde auch bei den Nominierungen zur Kommunalwahl deutlich. Mit Thomas Haberland, Pascal Stolle und Michael Müller wurden drei Kandidaten aufgestellt, die wegen brutaler Überfälle oder Brandstiftung in den 1990er Jahren mehrjährige Haftstrafen verbüßt haben.

Überregionale Großveranstaltungen und Fackelzüge

Neben den vielen Kleinkundgebungen gab es überregionale Großveranstaltungen zur Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft: Am 15. Februar folgten etwa 150 Neonazis aus Brandenburg und Sachsen dem Aufruf zum „Gedenkmarsch“ (Bombardierung im 2. Weltkrieg) nach Cottbus. Die Demonstration kam wegen massenhafter Blockaden nur 500 Meter weit. Ähnliches gelang in Wittenberge, wo sich am 5. April 200 Neonazis aus Mecklenburg/Vorpommern, Hamburg, Thüringen und Brandenburg versammelten, um gegen den „Tod der Heimat“ zu demonstrieren. Wenig Widerstand gab es bei einer Kundgebung in Brandenburg an der Havel im Oktober, wo auf Initiative der „Gefangenenhilfe“ (Nachfolgeorganisation der verbotenen HNG), unterstützt durch NPD und das Kameradschafts-Netzwerk „Licht und Schatten“, rund 80 Neonazis „Gegen staatliche Repression“ protestierten. Hier wie auch bei anderen größeren Aktionen trat Maik Eminger, Bruder und Gesinnungsgenosse des im Münchner NSU-Prozess angeklagten André Eminger, in den Vordergrund. Am 1.Mai mobilisierte die NPD dezentral an drei Orten. In Frankfurt(Oder) kam es dabei zu Angriffen auf GegendemonstrantInnen und einen Journalisten mit Stöcken und Latten. Drei Menschen wurden verletzt.

Auch nach der Wahl gab es weiter zahlreiche Kundgebungen mit sehr unterschiedlichem Charakter: Im Oktober führten z.B. die „Freien Kräfte Prignitz“ eine „Mahnwache“ gegen die (im Übrigen freundliche) Aufnahme von drei syrischen Familien in Karstädt durch, zu der sich nicht mehr als 12 Neonazis aus der Region einfanden. An einem Fackelmarsch gegen „Überfremdung“ in Gransee am ‚Volkstrauertag‘ nahmen dagegen etwa 90 Neonazis aus ganz Brandenburg teil. Bis zum Jahresende sind weitere Fackelmärsche gegen die Aufnahme von Flüchtlingen angemeldet.

Erstmals wieder eine Partei rechts von der CDU im Landtag

Nach der DVU ist seit zehn Jahren erstmals wieder eine Partei rechts von der CDU im Landtag. Bei extrem niedriger Wahlbeteiligung erzielte die AfD 12,2 Prozent. Anders als in Sachsen, wo die AfD in Konkurrenz zur NPD antrat, vermied man in Brandenburg offenen rechten Sprachgebrauch und bemühte sich um das Image einer unideologischen Sachverstandspartei. Gleichwohl haben sieben der zehn AfD-Landtagsabgeordneten eine rechte bzw. extrem rechte Vergangenheit. Andreas Kalbitz z.B. veröffentlichte früher im Organ des von NSDAP-und SS-Mitgliedern gegründeten Witiko-Bundes („Gesinnungsgemeinschaft der Sudetendeutschen“) und schrieb für die Junge Freiheit, sein Parteikollegen Steffen Königer schrieb noch im Jahr 2011 für die Junge Freiheit. Jan-Ullrich Weiß wurde nach offen antisemitischen Äußerungen auf seiner Facebookseite aus der Partei  ausgeschlossen. Für den Kreistag von Potsdam-Mittelmark kandidierte Arpad von Nahodyl, der als Geza von Nemenyi das Oberhaupt der Germanischen Glaubensgemeinschaft (GGG) ist, die sich auf den völkischen Esoteriker Fahrenkrog bezieht.

AfD-Wahlkampf: Asylpolitik und Kriminalitätsentwicklung thematisch verknüpft

Im Wahlkampf verknüpfte die Partei Asyl- und Migrationspolitik mit Fragen der inneren Sicherheit und der Kriminalitätsentwicklung. Sie versuchte ausdrücklich an positive DDR-Erinnerungen von Ruhe und Ordnung anzuknüpfen und forderte gleichzeitig mehr Bürgerbeteiligung. Auf lokaler Ebene wurde vor allem das Thema Asyl mobilisierend eingesetzt: Die geplanten zusätzlichen Erstaufnahmeeinrichtungen brauche man nicht, wenn schneller abgeschoben würde usw…. Es ist davon auszugehen, dass die AfD die Diskussion um Asyl und Einwanderung weiter in diese Richtung vorantreiben und Stimmung gegen Flüchtlinge machen wird. Das Verhältnis zur NPD ist in der Partei umstritten. Während sich die Bundespartei strikt um Abgrenzung bemüht und sich gegen Unterwanderungsversuche wehrt, stimmten AfD-Kreistagsabgeordnete im Landkreis Dahme-Spreewald mit der NPD für schnellere Abschiebungen. Da es der AfD bisher weitgehend gelungen ist, ein bürgerliches Image zu wahren, werden so die Positionen der NPD aufgewertet und normalisiert. Die CDU scheint  ihr Verhältnis zur AfD noch in der Praxis klären zu müssen. Es gibt deutliche Signale für eine zukünftige Zusammenarbeit.

Radikalisierung

Die Schlagwörter „Asylmißbrauch“, „Einwanderung in Sozialsysteme“ und „Ausländerkriminalität“ verbinden AfD-AktivistInnen mit dem mehr oder weniger bürgerlichen (Online-)Stammtisch und Neonazis. In die rassistische Rhetorik werden von der extremen Rechten Elemente aus ihrer laufenden „Kinderschänder“- Kampagne gemischt – man müsse Kinder und Frauen vor Asylsuchenden schützen – und damit Gewalt als legitime, quasi notwendige Selbstverteidigung nahegelegt. Die rassistische Aufladung von Fragen der Kriminalitätsbekämpfung ist im Grenzgebiet zu Polen besonders erfolgreich und wirkt verbunden mit haarsträubenden Gerüchten über Asylsuchende radikalisierend.   

In Eisenhüttenstadt, wo sich die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge befindet, hat sich mittels  Mobilisierung auf einer Facebookseite eine „Bürgerwehr Eisenhüttenstadt“ gegründet, die auch einige Zeit später begann Streife zu laufen. Die Antifaschistische Recherchegruppe Frankfurt (Oder) machte bereits im Mai darauf aufmerksam, dass die Gruppe große Unterstützung durch bekannte Neonazigrößen erhält. Diese hielten weder einen CDU- noch einen SPD-Lokalpolitiker davon ab, die Initiative anfangs zu unterstützen. Ende November gab auch das Innenministerium auf Nachfrage bekannt, „in diesem Personenkreis befinden sich einzelne Personen, die in der Vergangenheit durch rechtsextremistische Aktivitäten aufgefallen sind.“ Zielscheibe von Rassismus und Hetze sind „osteuropäische Banden“ und Flüchtlinge.

Mediale Verstärkung rassistischer Diskurse

In Frankfurt(Oder) erschien im August in der Lokalzeitung ein Artikel, indem über „Schwarze“ berichtet wurde, die angeblich in einem Park Drogen verkauften. Es folgte die breite mediale Heraufbeschwörung einer Bedrohung durch „Ausländerkriminalität“, die ihren Widerhall u.a. in Aufrufen zur Bewaffnung auf Webseiten wie „Brandenburg wehrt sich“ und „Blaulichtreport Frankfurt/Oder“ fanden. Schnell gründete sich auch hier eine Facebook-Gruppe „Bürgerwehr Frankfurt/Oder“, die bisher nur virtuell ist. Am Online-Stammtisch beteiligen sich Neonazis unterschiedlicher Orientierung, von rechten Hooligans über NPDler bis zur „Kameradschaft Kommando Werwolf/Terrorcrew“. Der Stadtverband Frankfurt (Oder) der AfD versuchte die aufgeheizte Stimmung für sich zu nutzen und bot sich als parlamentarischer Vollstrecker der rassistisch aufgeladenen Vertreibungsforderungen an

Ausblick

Die Hetze im Internet, Protestaktionen und Angriffe auf Flüchtlinge und Unterkünfte nehmen bedrohlich zu. Auch wenn zurzeit noch keine abschließende Jahresauswertung vorliegt, zeichnet sich insbesondere bei rassistischer Gewalt ein deutlicher Anstieg ab. Flüchtlinge und andere MigrantInnen wurden häufiger angegriffen als 2013. Viele Kundgebungen von Neonazis fanden direkt vor Flüchtlingsunterkünften statt. Aber das Bild ist vielschichtig: In Brandenburg gibt es derzeit mehr als 40 Willkommensinitiativen.  Immerhin 48 Prozent der Bevölkerung sind laut der letzten Infratest-Umfrage für die Aufnahme von Flüchtlingen, was deutlich mehr sein dürfte, als in den so oft zum Vergleich herangezogenen 1990er Jahren. Das Engagement für Flüchtlinge wirkt sich eindeutig positiv auf das politische Klima im Bundesland aus.

Wie sich die Lage 2015 weiter entwickelt, hängt von vielen Faktoren ab: Im Landtag gibt es nicht nur die AfD als neuen Faktor, sondern auch den neuen Innenminister Karl-Heinz Schröter, der in der eigenen Partei als asylpolitischer Hardliner umstritten ist und von Kritikern als Sarrazin der Brandenburger SPD bezeichnet wird. Es ist zu befürchten, dass in dem Maß, wie restriktive asylpolitische Positionen parteiübergreifend zunehmen und von einem angstschürenden Sicherheitsdiskurs flankiert werden, auch der Rassismus und die rechte Gewalt in Brandenburg weiter zunehmen werden. Den Medien kommt hierbei die große Verantwortung zu, sachlich zu berichten, statt von „Flüchtlingsfluten“ zu schreiben und Bilder wie „das Boot ist voll“ heraufzubeschwören. Für Juni 2015 wird von der Neonaziszene bundesweit nach Neuruppin zum „Tag der deutschen Zukunft“ (TddZ) mobilisiert. Die Vorbereitung von Protestaktionen ist bereits angelaufen.

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