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Razzia in Lübeck Rassistischer Kaufhausbesitzer und AfD-Fan spritzt Freiwilligen selbst gemachten  „Corona-Impfstoff”

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Symbolbild (Quelle: Unsplash)

Am 27.11.2021 beendete die Polizei eine Impfaktion gegen das Coronavirus am Lübecker Flughafen. 50 Personen sollen zu dem Zeitpunkt bereits geimpft worden sein, mehr als 200 Personen warteteten offenbar noch auf die Spritze, als die Polizei eintraf. Verimpft wurde „LubecaVax“, eine Erfindung des Medizinunternehmers Winfried Stöckers. Dabei handelt es sich offenbar um einen „Protein-Subunit-Impfstoff“, für den eine Teil des Corona-Virusproteins nachgebaut und mit einem Wirkverstärker ergänzt wird. Bereits Anfang 2021 gab es erste Berichte über den neuen Impfstoff. Offenbar hatte Stöcker das Mittel unkonventionell wie unerlaubt in Eigenregie zunächst an sich und dann an Mitarbeiter:innen und anderen Freiwilligen getestet.

Dabei handelt es sich offenbar trotzdem nicht um Quacksalberei, wie sie bei vielen anderen Heilspropheten aus dem „Querdenken“- und Verschwörungsumfeld üblich ist. Offenbar bewerten auch mehrere Expert:innen den Impfstoff positiv. Kritisiert wird vor allem, dass sich Stöcker nicht an Vorgaben halte, die regeln, wie Tests und Studien zu neuen Impfstoffen durchgeführt werden müssen, um Sicherheit und Nachvollziehbarkeit zu garantieren. Stöcker lehnt Studien ab, weil er von der Wirksamkeit seine Impfstoffes anhand der bisherigen Experimente überzeugt ist.

Qualifiziert ist der Unternehmer auch. Stöcker ist Arzt und Labormediziner. 1987 gründete er eine Unternehmen für Labordiagnostik, das er 2017 nach Informationen des Spiegels für 1,2 Milliarden Euro verkauft hat. 600 Millionen soll Stöcker dabei selbst verdient haben. Bis 2020 war Stöcker Mitglied der FDP, sein Anwalt im Rechtsstreit um die Impfungen: Wolfgang Kubicki. Stöcker selbst hat die FDP inzwischen verlassen — nach eigenen Angaben trat er nach der Affäre um den Thüringer FDP-Chef Kemmerich aus der Partei aus. Kemmerich hatte sich im Februar 2020 mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten von Thüringen wählen lassen und war wenige Tage später zurückgetreten. Wobei Stöcker vermutlich weniger von der Annahme der AfD-Unterstützung als von Kemmerichs Rücktritt empört war – bekannt ist, dass Stöcker finanziell vor allem eine andere Partei unterstützt: Laut Rechenschaftsbericht der Partei spendete der Unternehmer im Jahr 2019 20.000 Euro an die AfD.

Schon vor 2019 war Stöcker aufgefallen — mit äußerst fragwürdigen und rassistischen Aussagen. In ganz Deutschland wurde er spätestens nach einem Interview 2014 bekannt. Im Jahr zuvor hatte der Millionär das ehemalige Hertie-Kaufhaus in Görlitz gekauft. Das Haus mit beeindruckender Architektur stand nach dem Konkurs der Warenhauskette leer und hatte mehreren Hollywood-Produktionen, darunter „The Grand Budapest Hotel“ von Wes Andersen, als Kulisse gedient. Seine politische Gesinnung präsentierte Stöcker 2014 zum ersten Mal öffentlich. Im Kaufhaus sollte ein Benefiz-Konzert für Geflüchtete stattfinden, doch der Investor verbot die Veranstaltung mit der Begründung, „weil ich den Missbrauch unseres Asylrechts nicht unterstützen will“. In einem Interview mit der Sächsischen Zeitung im Dezember 2014 machte der Unternehmer keinen Hehl aus seiner Einstellung: „Die reisefreudigen Afrikaner sollen sich dafür einsetzen, dass der Lebensstandard in ihrem Afrika gehoben wird, anstelle bei uns betteln zu gehen“, hieß es etwas. Oder: „Jedes Volk muss sich seiner Peiniger und Tyrannen selbst entledigen. Jeder wehrtaugliche Mann in Syrien muss seine Familie schützen.“ Von der Zeitung auf das bevorstehende Weihnachtsfest und Nächstenliebe angesprochen, antwortete Stöcker: „Ach, Weihnachten! Hören Sie auf mit dem Firlefanz! Das mit der Krippe ist doch nur ein Märchen ohne jeden historischen Hintergrund.“ Der Mediziner, in dessen Firma eigenen Angaben nach Menschen „aus mehreren Dutzend Ländern“ arbeiteten, malt im Interview das Märchen vom „Großen Austausch“ an die Wand und sagt über die eigenen Angestellten: „Aber sie haben nach meiner Auffassung kein Recht, sich in Deutschland festzusetzen und darauf hinzuarbeiten, uns zu verdrängen, darauf läuft es hinaus, wenn nicht gegengesteuert wird!“ Später heißt es: „Ich beobachte das ziemlich genau. Die Moslems haben längst begonnen, einen Staat im Staate zu bilden. Ich will aber kein neues Mittelalter in meiner Heimat und in 50 Jahren keinen Halbmond auf der Görlitzer Frauenkirche oder auf dem Kölner Dom.“

Im Dezember 2015 rief Stöcker auf seinem Blog „zum Sturz der Kanzlerin Merkel“ auf. Grund dafür sei der „Asyl-Irrsinn“, für den er die Kanzlerin verantwortlich mache. Unterzeichnet ist der Beitrag Stöckers mit „Prof. Prof. h.c. Dr. Winfried Stöcker – kein Fremdenfeind oder Rassist, sondern Philanthrop, noch bei Verstand, dem die Narretei der Kanzlerin wie Millionen anderen den Schlaf raubt“.

2016 zeigte Stöcker während der Preisverleihung eines Mode-Awards in seinem Görlitzer Kaufhaus eine bizarre Präsentation. Nachdem er erzählte, dass er gerade von einer Geschäftsreise aus Iran zurückgekehrt sei, zeigte er ein Bild von zwei iranischen Frauen in schwarzen Gewändern und sagte, dass er „Iranerinnen im Einheitslook“ nicht als Kundinnen haben wolle.

Aber Stöcker hat auch noch andere Themen. 2017 griff er in seiner Weihnachtsansprache vor den Mitarbeitendes seines Unternehmens die #metoo-Bewegung an. Aktivist:innen, die sich gegen sexuelle Ausbeutung in der Filmbranche einsetzen, bezeichnet er als „aufdringliche Tugendwächter“. Laut Stöcker beschweren sich ohnehin vor allem diejenigen, die nicht seinen Vorstellungen von guten Aussehen genügen: „Es ist anzunehmen, dass vorwiegend diejenigen unserer Gesellschaft so erbost und hysterisch aufschreien, die von der Natur optisch weniger vorteilhaft ausgestattet worden sind. Oder es sind manche der Hübschen, denen die Moral oder die Religion verwehren, das in die Tat umzusetzen, was sie eigentlich selbst am liebsten tun würden.“ Natürlich hat der Mediziner auch Tipps für die Opfer von Missbrauch und Belästigung. Die sind nämlich eigentlich selbst schuld an allem: „Die Mädchen könnten zurückhaltender gekleidet und weniger provozierend zum Casting gehen, dass die armen Regisseure auf dem Pfad der Tugend bleiben.“ Täter-Opfer-Umkehr wie aus dem Bilderbuch.

Aber auch in dieser Rede finden sich Versatzstücke von Ideologien, die am rechten Rand zum üblichen Diskurs gehören. Etwa Medienfeindschaft: „(…) glaubt keiner dummen Zeitung und keinem indoktrinierten Nachrichtensprecher des Fernsehens. Petra Gerster, Marietta Slomka und Claus Kleber sind nicht die einzigen, die ihre Funktion missbrauchen: Man geht davon aus, dass sie sachlich über wahre Fakten berichten, aber oft flößen sie den Hörern nur ihre eigenen, einfältigen, rot-grünen Moralvorstellungen ein (… ) Auf diese Weise manipulieren Journalisten-Cliquen die öffentliche Meinung (…).“ Und auch Weihnachten 2017 („Firlefanz“, wir erinnern uns) geht es bei Stöcker nicht ohne Umvolkung, aber der Unternehmer hat ein Gegenmittel: deutsche Kinder. „Wir haben so viele nette Jungs und Mädchen in der Firma, geht ran, egal ob Ihr Vorgesetzte seid oder nicht, es kommt nur darauf an, dass Ihr das Mädchen oder den Jungen liebt. Und zeugt viele Kinder, dass wir dem mutwillig herbeigeführten, sinnlosen Ansturm unberechtigter Asylanten etwas entgegensetzen können.“

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