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Rechte Medien Wie ein schwuler Theologe zum Sprachrohr von AfD, IB und Co wurde

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David Berger (links) neben Jürgen Elsässer, dem Chefredakteur des Querfront-Hefts "Compact". Beide waren zu Gast in einer Talkrunde des Youtube-Kanals "AfD Wendezeit". (Quelle: Screenshot des YouTube-Kanals)

„Tischgespräch“ heißt die Sendung im Radioprogramm WDR5, in der Berger am 23. Januar zu Gast sein wird. Der Ankündigungstext zur Sendung bereitet schon die von ihm selbst gern erzählte Legende des schwulen Theologen auf: Vom mutigen Kirchenkritiker und Liebling der Medien wurde er zum angeblichen Hassobjekt. Mit den „politischen Äußerungen in seinem Blog macht er sich bei vielen unbeliebt.“ Richtig ist, dass Berger eine schillernden Lebenslauf vorweisen kann.

Theologische Karriere

In seinem „ersten Leben“ war Berger ein erfolgreicher Theologe. Er gründete ein theologisches Jahrbuch und gab eine Zeitschrift heraus. Mit 35 Jahren war er „Professor correspondens“ an der Päpstlichen Akademie des heiligen Thomas von Aquin. 2009 wurde er zum Lektor der päpstlichen Kongregation ernannt, einer katholischen Institution, die seit 1542 besteht und allgemein als Inquisition bekannt ist. Als Lektor war Berger für zwei Zeitschriften zuständig. Er galt als konservativer Theologe. Allerdings war Berger auch schwul, eine Tatsache, die nicht besonders lange ein Geheimnis blieb. Das erzkonservative und extrem homofeindliche Internetportal kreuz.net veröffentlichte Details aus dem „Gay Romeo“-Profil von Berger – „Gay Romeo” ist eine schwule Dating-Seite. Berger kam allerdings der größten Aufregung zuvor und outete sich im April 2010 in der Frankfurter Rundschau selbst. „Ich darf nicht länger schweigen“ war der Titel des Textes.

Seine Jobs und sein Ansehen im Vatikan und kirchlichen Institutionen verlor Berger daraufhin sehr schnell. Und wandelte sich von konservativen Theologen zum Kirchenkritiker. Im gleichen Jahr veröffentlichte er „Der heilige Schein. Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche“: Darin machte der der Kirche schwere Vorwürfe und prangerte Homofeindlichkeit und Doppelmoral an.

Schwuler Medienstar

Als 2012 der Komiker Dirk Bach starb, wurde kreuz.net und im Anschluss daran auch David Berger außerhalb der am Katholizismus interessierten Szene bekannt. Die Internetseite schrieb über den Tod des schwulen Komikers: „Jetzt brennt er in der ewigen Homo-Hölle“. Diese widerwärtige Schlagzeile führte dazu, dass sich eine größere Öffentlichkeit mit dem Homohasser-Portal befasste. Der – seit 2014 insolvente – schwule Bruno-Gmünder-Verlag lobte damals ein Kopfgeld auf die Betreiber*innen der Seite aus. An die Spitze der Kampagne wurde David Berger gesetzt.

Klarstellung: Wegen dieser Aktion habe ich David Berger getroffen und interviewt. Der Text der damals entstanden ist, ist hier nachzulesen. Berger behauptet auf Twitter, ich hätte ihn deswegen „hofiert“ und würde ihn heute als „Untermenschen“ bezeichnen. Beides entspricht nicht der Wahrheit.

15.000 Euro wurden damals für Hinweise auf die Betreiber der Seite ausgelobt. Zusätzlich sammelte der Verlag Spenden. Die Aktion führte tatsächlich zu Hausdurchsuchungen, zu einer Gerichtsverhandlung kam es allerdings nie. Das „Kopfgeld“ wurde nie ausbezahlt. Laut Informationen des Portals queer.de wurden über 12.000 Euro Spenden gesammelt. 7.772,59 Euro sollen davon ausgegeben worden sein, 6.000 Euro gingen an Berger, der Rest wurde für Gerichtskosten bezahlt. Das übriggebliebene Geld wurde Teil der Insolvenzmasse des Verlages.

Zunächst wurde Berger aber zum Chefredakteur des wichtigsten Titels des Bruno-Gmünder-Verlages ernannt: Ab Mai 2013 leitete er das damals größte schwule Magazin Deutschlands, „Männer“. Damals forderte er, Homohasser*innen aus Talkshows auszuschließen, zu einer Zeit, als die gesetzliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben noch diskutiert und in zahlreichen Talkshows tatsächlich permanent homofeindliche Positionen von Personen wie Gabriele Kuby vertreten wurden. Eine – auch noch heute – richtige Forderung. Mit Blick auf den David Berger von heute überrascht es allerdings wenig, dass er diese Position mittlerweile auf dem Portal „The European“ widerrufen hat.

Hin zum Populismus

Darüber, ob sich die politische Positionierung David Bergers während seiner Zeit als Chefredakteur bei „Männer“ verändert hat, oder ob sich die Einstellung des damals als schlicht „konservativ“ geltenden Theologen radikalisierte, lässt sich nur spekulieren. Es wurde allerdings deutlich, dass in der vormals liberalen „Männer“ immer öfters auch eher fragwürdige Meinungen vertreten wurden. Ende 2014 war das der Deutschen Aidshilfe zuviel.: „Die schwule Zeitschrift Männer trägt immer häufiger zu Ausgrenzung und Diskriminierung bei. Chefredakteur David Berger propagiert ein traditionelles Männlichkeitsbild und provoziert mit teils rechtspopulistischen Aussagen. Diese Ausrichtung steht im Widerspruch zu den Grundsätzen der HIV-Prävention in Deutschland. Die Deutsche AIDS-Hilfe wird darum in ‚Männer‘ keine Anzeigen mehr schalten.“ Die Aidshilfe beschreibt in der Pressemitteilung sehr genau, was sich in den kommenden Jahren noch um einiges zu verstärken scheint:

„Populistische Äußerungen findet Berger „zumindest diskussionswürdig“ (so zum Beispiel die Auffassungen des Lehrers Daniel Krause, der auch auf einer Kundgebung von Pro NRW sprach). Die November-Ausgabe der Männer befasst sich mit dem schwulen „Pro Köln“-Politiker Michael Gabel unter der Überschrift „Ein schwuler Rechter, na und?“ Muslime werden immer wieder pauschal als Urheber schwulenfeindlicher Gewalt dargestellt.

Wie bei den anderen Themen äußert Berger seine Ressentiments meist nicht offen, sondern kleidet sie in Fragen oder verweist scheinheilig auf seine journalistische Aufgabe, Debatten anzustoßen. Haltung und Richtung sind trotzdem unübersehbar. Eine differenzierte Auseinandersetzung zum Thema Homophobie und Islam bleibt der Journalist schuldig. Der Beifall von rechts bleibt indes nicht aus.“

 

Am 1. Februar 2015 verkündet „Männer“ schließlich die fristlose Entlassung Bergers. Zum endgültigen Bruch führte offenbar ein Text, den Berger auf dem „Männer“-Kanal der Huffington Post verantwortete. Der schwule Aktivist der rechtsextremen Kleinstpartei „Pro Köln“ und ehemalige Lehrer David Krause, der vorher unter anderem öffentlich geäußert hatte, dass ihm „Massentierhaltung emotional näher [geht] als Auschwitz“ hatte auf dem Kanal einen extrem “islamkritischen” Text veröffentlicht. Und das am 27. Januar, dem Gedenktag der Befreiung des Vernichtungslagers.

AfD, Identitäre und noch weiter rechtsaußen

Nach seinem Rauswurf begann die Blog-Karriere von Berger. Unter anderem betreibt er bis heute das Portal „Gaystream“, auf dem es zu Anfang unter anderem um schwule Themen ging, allerdings auch bereits um rechtspopulistische Politik. „Gaystream“ bezeichnet Berger heute als „PP-Notblog“, also eine Art Backup für sein Hauptportal „Philosophia Perennis“. Schon bei Gaystream zeigte sich, dass Bergers Position zu homofeindlichen Einstellungen deutlich „toleranter“ geworden ist. So lobt er unter anderem Jürgen Elsässer, Chefredakteur der Verschwörungspostille „Compact“, der 2013 zu seiner jährlich stattfindende Konferenz die Verantwortlichen für die menschenfeindlichen russischen Anti-Homo-Gesetze eingeladen und gefeiert hatte. Mittlerweile tritt Berger sogar an der Seite von Elsässer in Videos der AfD auf.

Passend dazu veröffentlichte Berger– der sich immer wieder gegen die „Ehe für alle“, also die Öffung der Ehe auch für homosexuelle Paare, ausgesprochen hatte – am 30. Juni 2017 auf Philosophia Perennis einen Artikel eines Autoren namens „Johannes Gabriel“, der Text erscheint unter gleichem Namen als Gastbeitrag in der FAZ. Der Autor ist offenbar ein erbitterter Gegner der Homoehe und legte nahe, dass für Kinder, die mit homosexuellen Eltern aufwachsen, eine größere Gefahr bestehe missbraucht zu werden, da eine „Inzest-Hemmung“ wegfiele. Tatsächlich wird ziemlich deutlich nahegelegt, dass alle homosexuellen Menschen potentiell Kinder missbrauchen. Die FAZ handelte sich wegen dieses Textes eine Rüge des Presserates ein. Die Zeitung gab nach Veröffentlichung des Artikels und viel Kritik daran bekannt, dass „Johannes Gabriel“ ein Pseudonym sei. Unter anderem hatte die Branchen-Website „Meedia“ vermutet, dass Berger selbst hinter „Gabriel“ steckt. Auf Twitter danach gefragt, antwortete er, es sei wichtig, die „Strategien der ,Inneren Emigration‘ wieder auszugraben“. Dieser Tweet wurde kurze Zeit später wieder gelöscht.

Mit „Philosophia Perennis“ hat Berger großen Erfolg im rechtspopulistischen und rechtsextremen Lager. 1,5 Millionen Besuche kann das Blog laut dem Informationsdienst SimilarWeb jeden Monat verzeichnen. Die Themensetzung ist dabei einschlägig, schwule oder lesbische Themen kommen mittlerweile kaum mehr vor. Berger und seine Autor*innen hetzen bevorzugt gegen den Islam, demokratische Politiker*innen, werben für die AfD und verteidigen die rechtsextreme “Identitäre Bewegung”. Der sogenannte „neurechte“ Antaios-Verlag wird mehrfach lobend erwähnt und immer wieder greift er die antisemitische Verschwörungserzählung über George Soros auf.

Eigenen Angaben nach war Berger von 2016 bis Februar 2018 Mitglied der CDU. Zur Bundestagswahl 2017 war davon bereits nicht mehr viel zu merken. Auf Philosophia Perennis wurden regelmäßig Artikel veröffentlicht, die zur Wahl der AfD aufriefen. Mittlerweile sitzt Berger auch im Stiftungsrat der Desiderius-Erasmus-Stiftung der AfD.

Es geht aber auch noch weiter rechts für den Theologen. Kürzlich veröffentlichte Berger ein Interview, dass der rechtsextreme italienische Aktivist Valerio Benedetti mit ihm geführt hatte. Das Gespräch war zuerst im Magazin „Il Primato Nazionale“ („Nationale Vorherrschaft“) erschienen. Es gilt als Hausblatt der “Casa Pound”, einer neofaschistischen Partei Italiens, die aus einem rechtsextremen Hausprojekt hervorgegangen ist. Der Name bezieht sich dabei auf Ezra Pound, einen amerikanischen Lyriker und Faschisten, der lange Zeit in Italien gelebt hatte und bis zu seinem Lebensende ein Verehrer Mussolinis blieb. Das alles verschweigt Berger übrigens auf seinem Blog. Benedetti ist hier lediglich ein „bekannter Publizist“. Den Namen des Magazins nennt Berger, allerdings ohne Verweis auf den rechtsextremen und neofaschistischen Hintergrund.

Im Interview geht es dabei wieder um Kritik an der „Ehe für alle“. Sie sei aus „lauter Verachtung für die klassische Ehe“ eingeführt worden. Das Ziel derjenigen, die die Homoehe wollen, sei die „Auflösung des klassischen Ideals von Ehe und Familie“. Auch hier vergisst er nicht Werbung für die AfD, die er als einzige Partei beschreibt, die gegen eine angebliche „Islamisierung“ kämpfe und damit an der Seite von LGBTs stehe. Daneben stehen Zahlen ohne irgendeinen Bezug zur Realität. So behauptet Berger beispielsweise, dass Täter bei homofeindlicher Gewalt „zu 95 % junge Männer mit muslimischem Kulturhintergrund“ seien. Eine Zahl, die mit absolut nichts belegbar ist.

Gern gehörter Gast im WDR?

Nun darf Berger also im Tischgespräch des WDR auftreten und über seine „politischen Äußerungen in seinem Blog“ sprechen, mit denen „er sich bei vielen unbeliebt“ macht: Eine eher verharmlosendere Sicht der Dinge. Auf Kritik hat der WDR mittlerweile reagiert: Berger darf trotzdem auftreten. „Den Ausschlag gab letztlich die Überzeugung, dass WDR 5 auch mit Menschen in den journalistisch-kritischen Diskurs gehen möchte, die Positionen vertreten, die viele nicht teilen.“ Was der Mehrwert von homofeindlichen, rechtspopulistischen und islamfeindlichen Positionen und schlicht falschen Fakten sein soll, geht aus der Stellungnahme leider nicht hervor.

 
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