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Rechte Szene Mecklenburg-Vorpommern: Straff organisierte Vorzeige-Szene

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Die NPD nutzt die parlamentarische Bühne zur Verbreitung ihrer rassistischen Ideologie; Foto (Wahlplakat): hk

Die Fragen beantwortet Anja Schmidt, Beraterin des Mobilen Beratungsteams für demokratische Kultur Mecklenburg-Vorpommern.

Wie sieht Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern derzeit aus?

Im September 2006 ist es der NPD in Mecklenburg-Vorpommern erstmalig gelungen, Erfolge bei der Landtagswahl zu verbuchen. Mit 7,3 Prozent und 6 Abgeordneten zog die Partei in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ein. Im Vorfeld der Wahl traten fast alle führenden Kader der Kameradschaftsszene der NPD bei. Zum Teil finden diese sich jetzt auch in der Landtagsfraktion und ihren Mitarbeitern wieder. Im Zuge dieser Entwicklung ist die NPD auch für die radikalen, eher autonomen Gruppen wieder attraktiv.

Das Anfang der neunziger Jahre von Christian Worch entwickelte Konzept der freien Kameradschaften verfolgt den Ansatz, regional agierende autonome Gruppen zu schaffen und wurde vor allem in Ostvorpommern bzw. Uecker-Randow erfolgreich umgesetzt. In dieser Region entstanden Dachverbände, wie das „Soziale und Nationale Bündnis Pommern“ für den Raum Ostvorpommern/Uecker-Randow oder die „Mecklenburgische Aktionsfront“ für den Kreis Mecklenburg-Strelitz, unter denen sich ein Netz von Kameradschaftsgruppen, Initiativen und Einzelpersonen organisiert. Auch kleinste Gruppen können hier Mitglied werden und erfahren so Rückendeckung und Unterstützung aus der Szene. Gesehen auf das gesamte Bundesland agiert die Kameradschaftsszene regional unterschiedlich. Der Aktionsradius bewegt sich zwischen gut organisierten, eher politisch handelnden Kameradschaften im Uecker-Randow-Kreis, Ostvorommern und Mecklenburg- Strelitz, die u.a. Demonstrationen und Konzerte organisieren und über verschiedene Medien ihre Ideologie verbreiten, und etwa einer gewaltbereiten, mehr auf Aktionen orientierten Szene wie z.B. in Wismar.

Die NPD in Mecklenburg-Vorpommern verfügt bis heute nur über gering ausgebaute Strukturen. Neben einigen Alt-NPDlern sind das zentrale Element die Kameradschaftsszene und ihre Führungskräfte. Sie engagieren sich aktiv in der Partei und prägen zunehmend das Gesicht der NPD in Mecklenburg-Vorpommern. Diese neuen Mitglieder der NPD sind scheinbar weniger steuerbar und verfolgen offen radikalere Ziele. Am deutlichsten manifestiert sich das um die Person Tino Müllers, der in den Kameradschaftsstrukturen in und um Ueckermünde seit Jahren aktiv ist und hier als Kader fungiert. Ihm gelang es nach seinem Parteieintritt, in den Landtag gewählt zu werden. Tino Müller ist kein Einzelbeispiel, sondern steht stellvertretend für einen Trend in der rechtsextremen Szene. Sie betrachtet die NPD montan als strategisches Element, um mehr Einfluss und Anerkennung in der Bevölkerung zu bekommen. Dabei setzen sie nicht auf eine wirkliche parlamentarische Arbeit, sondern versuchen eher, durch populistische Auftritte und die Einrichtung von Bürgerbüros vor Ort ihre Ideologie an der Basis zu verbreiten.

Der Verfassungsschutz spricht von rund 1200 Mitgliedern im rechtsextremistischen Spektrum. Die Zahl von Menschen, die zumindest Teilen rechtsextremer Ideologie zustimmen und von Rechtsextremen mobilisierbar sind, liegt in Mecklenburg-Vorpommern weitaus höher.

Wie zeigt er sich hauptsächlich? Gibt es Schwerpunkt-Regionen?

Grundsätzlich ist „Schwerpunktregion“ des Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern ist vor allem der ländliche Raum. Er ist geprägt durch hohe Arbeitslosigkeit, Frustration, Existenzangst, die Abwanderung junger Menschen und gesellschaftliche Zerfallprozesse. Gerade in diesen Regionen gelang es der rechtsextremen Szene, unbeobachtet von der öffentlichen Wahrnehmung Strukturen aufzubauen und neue Strategien zu erproben. Der „Heimatbund Pommern“ beispielsweise ist seit 2002 als eingetragener Verein in Ostvorpommern und Uecker-Randow aktiv. Das Hauptgewicht der Arbeit diese Gruppierung liegt neben der Verbreitung rechtsextremer Inhalte auf der Jugendarbeit. Ein vierteljährlich erscheinendes Faltblatt richtet sich explizit an Jugendliche und Kinder. Der Heimatbund versucht damit eine Lücke zu füllen, die durch den Abbau und die Kürzung von finanziellen Mitteln im Jugend- und Sozialbereich entstanden ist. Die „hauseigene“ Tanzgruppe schaffte es in den letzten Jahren unbemerkt und unkommentiert von der öffentlichen Wahrnehmung auf die Bühne des einen oder anderen Dorffestes.

Der Verfassungsschutz benennt in seinem Bericht aus dem Jahre 2005 die Landkreise Ludwigslust, Ostvorpommern, Uecker-Randow, Mecklenburg-Strelitz/Neubrandenburg und im städtischen Raum Rostock und Stralsund als Schwerpunktregionen. Betrachtet man die Wahlergebnisse der Landtagswahl 2006 wird dieses Bild bestätigt. Die höchsten Ergebnisse erreichte die NPD in den beiden Kreisen Uecker-Randow (15 und 13,1 %) und Ostvorpommern (12,2 und 11,6 %). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in großen Teilen der Kreise in Vorpommern, sowie Demmin (8,8 %), Mecklenburg Strelitz 9,2 %) und Ludwigslust (9,1 %) über dem Landesergebnis von 7,3 % liegen.

Welche aktuellen Trends, Strategien beobachten Sie?

Die parlamentarische Arbeit im Landtag nutzt die NPD derzeit als Bühne für die Verbreitung ihrer politischen und ideologischen Inhalte und verlegt sich in großen Teilen auf das Stören der Beiträge anderer Parteien. Ein neues strategisches Ziel ist die Errichtung mehrerer Bürgerbüros in Mecklenburg-Vorpommern. Das erste wurde von Udo Pastörs in den Gewerberäumen seines Wohnhauses in Lübtheen eingerichtet. Dort präsentiert die Partei sich bürgernah und vermittelt damit das Bild eines Anwaltes für „den kleinen Mann“, der sich der Probleme und Sorgen der Menschen anzunehmen scheint.

Aktuell bemüht sich die NPD um Räume in Malchow, Anklam und Ueckermünde. In Malchow z.B. wurde versucht, Räume in Sichtweite des Rathauses anzumieten. Die Verhandlungen mit den Besitzern des Gebäudes laufen derzeit. Ein weiterer Trend ist die Alltagsorientierung der rechtsextremen Szene, die es ihr ermöglicht, unerkannt rechtsextreme Ideologiefragmente in die Gesellschaft zu transportieren. Gruppierungen wie der schon erwähnte „Heimatbund Pommern“ organisieren Ausflüge und Sommerlager, die z.B. von einigen Eltern als freizeitpädagogisches Angebot für ihre Kinder akzeptiert werden. Diese Angebote finden oft in einem militärischen Stil mit einer klaren hierarchischen Ordnung statt und dienen oft der Durchführung rechtsextremer Schulungen. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Struktur des Heimatbundes Pommern. Als eingetragener Verein vermittelt er Außenstehenden das Gefühl von Normalität und ermöglicht es außerdem, Förderungen zu beanspruchen. Diese Strategie hat u.a. im Raum Mecklenburg-Strelitz/Neubrandenburg mit dem Kulturkreis Mecklenburg-Strelitz einen Ableger gefunden der ebenfalls eingetragener Verein fungiert.

Immer wieder agieren Rechtsextreme unter dem Deckmantel von Bürgerinitiativen bzw. versuchen diese als Plattform zu nutzen. In Lübtheen gab es z.B. eine „Initiative gegen Braunkohleabbau“, die inhaltlich von NPD-Kadern mitgestaltet wurde, ohne dass es von anderen Mitgliedern bemerkt wurde. Ein weiterer Trend ist, sich in bestehende Strukturen einzubringen, wie z.B. Freiwillige Feuerwehren. Diese Taktik funktioniert jedoch nur, solange alle weggucken oder das Problem herunterspielen. Der Dachverband der Freiwilligen Feuerwehren in Mecklenburg-Vorpommern z.B. wehrt sich inzwischen aktiv gegen rechtsextreme Vereinnahmungstendenzen und setzt so deutliche Signale für eine demokratische Kultur.

Als wie bedrohlich schätzen Sie Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern derzeit ein und warum?

Als bedrohlich ist die Zustimmung zu rechtsextremen Einstellungen unter der Bevölkerung. Zu diesem Ergebnis kam auch die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung „Vom Rand zur Mitte“.

An Schulen treffen wir manchmal auf Lehrer, die sagen: Ach was, die NPD ist doch eine gewählte Partei, die kann doch nicht so schlimm sein. Und außerdem sagen die manche Sachen richtig. Oder wenn die NPD versucht, sich an eine Initiative von Bauern gegen Gentechnik anzuhängen, und die Initiatoren sagen: Uns doch egal, dass das die NPD ist. Hauptsache, die nehmen unser Thema auf. An solchen Äußerungen merken wir, dass es einen großen Bedarf an Aufklärung und Auseinandersetzung zum Thema Rechtsextremismus. Auch das Demokratieverständnis ist oft mangelhaft bzw. schwach ausgeprägt. Hier gibt es einen großen Bedarf an Wissensvermittlung und vor allem erlebbarer Demokratie.

In Mecklenburg-Vorpommern gibt es viele engagierte Menschen, die seit Jahren aktiv gegen Rechtsextremismus und Rassismus und für ein demokratisch geprägtes Zusammenleben eintreten. Seit dem Einzug der NPD in den Landtag bemerken wir in unserer Arbeit ein zunehmendes Interesse an einer Auseinandersetzung mit der Problematik Rechtsextremismus. Dabei ist der Blick nicht rückwärtsgewandt. Anstatt eines „Dagegen!“ werden Aktivitäten immer mehr unter das Motto „Wofür stehen wir?“ gestellt. Vor allem in den Kommunen wird der Problematik mehr und mehr Aufmerksamkeit gewidmet und es wird nach neuen Wegen und Ansätzen gesucht.

Interview: Simone Rafael

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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