Die Fragen beantworteteKai Partenheimer, Leiter des Netzwerks für Demokratie und Courage in Rheinland-Pfalz.
Wie sieht Rechtsextremismus in Rheinland-Pfalz derzeit aus?
Die NPD ist in Rheinland-Pfalz relativ umtriebig. Sie betreibt in Rheinland-Pfalz zwei Schulungszentren – oder versucht es jedenfalls. Ein Schulungszentrum befand sich in der Südpfalz, in der Gaststätte „Zur Burg“ in Alt-Leiningen. Es ist allerdings im März 2007 ausgebrannt und kann derzeit nicht genutzt werden. Ein weiteres Zentrum sollte in einem alten Schulgebäude in Gonzerath in der Gemeinde Morbach im Hunsrück eingerichtet werden. Hier gelang es jetzt allerdings der Gemeinde, das Gebäude zurückzukaufen, da die Eigentümer Renovierungsarbeiten nicht so erfüllt hatten, wie es im Vertrag festgehalten war. Insgesamt versuchen die Rechtsextremen also, sich hier Strukturen aufzubauen. Die NPD verzeichnet schon im zweiten Jahr hintereinander Mitgliederzuwächse. Es gibt laut Verfassungsschutz 1550 Anhänger der rechtsextremen Szene in Rheinland-Pfalz, davon sind rund 100 gewalttätige Rechtsextreme.
Wie zeigt er sich hauptsächlich? Gibt es Schwerpunkt-Regionen?
In Rheinland-Pfalz sind es die strukturschwachen, ländlichen Regionen, in denen die Rechtsextremen stark aktiv sind, Propaganda betreiben, aber auch jüdische Friedhöfe schänden. Schwerpunkte sind der Westerwald und die Südpfalz – wobei wir bei unserer Arbeit in den Schulen merken, dass die ganz Pfalz ein latentes Rechtsextremismus-Problem hat. Ausländerfeindlichkeit ist sehr weit verbreitet.
Welche sind die wichtigsten Organisationen?
Die NPD ist die wichtigste Partei, wie bereits eingangs beschrieben. Sie hat eine ausgeprägte Struktur mit vierzehn Kreisverbänden, besonders in den strukturschwachen Gegenden.
Die wichtigste Kameradschaft ist der „Nationale Widerstand Zweibrücken“, der schon seit Anfang der 1990er Jahre existiert und damit schon sehr lange aktiv ist. Die Region ist das strukturschwache Hinterland von Pirmasens, da gibt es viele Sympathien für rechtsextreme Ideen. Eine weitere wichtige Kameradschaft war die „Kameradschaft Westerwald“. Seit deren führende Köpfe allerdings von rund zwei Jahren als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurden, ist sie nicht mehr sehr aktiv. Im Rhein-Neckar-Raum, in der Pfalz, um Ludwigshafen und Worms gibt es das „Aktionsbüro Rhein-Neckar“, das die Aktivitäten verschiedener Kameradschaften koordiniert.
Zwischen NPD und Kameradschaften gibt es eine Zusammenarbeit, die sich etwa in Doppelmitgliedschaften manifestiert.
Gibt es „lokale Spezialitäten“ der Szene?
In Rheinland-Pfalz gibt es – zumindest, soweit es bekannt ist – fast keine rechtsextreme Konzertszene mehr. Von staatlicher Seite ist unter Innenminister Bruch gegen rechtsextreme Konzerte sehr hart vorgegangen worden, so dass sich die rechtsextreme Szene offenbar wirklich kaum noch traut, in Rheinland-Pfalz Konzerte zu veranstalten und lieber in andere Bundesländer ausweicht, in denen sie weniger harte Sanktionen zu befürchten haben. 2006 gab es laut Verfassungsschutzbericht fünf Konzerte.
Welche aktuellen Trends, Strategien beobachten Sie?
Die rechtsextreme Szene macht derzeit deutlich klar, dass sie wissen, was gegen sie passiert. Bei jeder Informationsveranstaltung gegen Rechtsextremismus sind bekannte Gesichter aus der Szene anwesend. Sie zeigen Präsenz, sind dabei in der Regel freundlich und argumentieren subtil, versuchen aber auch, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen oder die Diskussion an sich zu reißen. Es ist auch eine unterschwellige Drohung an die gegen Rechtsextremismus Engagierten, dass bekannt ist, wer was tut.
Außerdem nehmen sich die Rechtsextremen auch in Rheinland-Pfalz lokalen und Sozialproblematiken an und versuchen so, Punkte zu machen. Zum Beispiel trat im letzten Jahr eine neue EU-Verordnung für das Reinheitsgebot des Weines in Kraft, die in einem Weinbauland wie Rheinland-Pfalz viel diskutiert wurde. In den USA werden etwa den reifenden Weinen Eichenholzspäne beigemischt, um einen vollmundigeren Geschmack zu erreichen. Die Rechtsextremen nutzten die Diskussion, um massiv gegen Amerika und Imperialismus zu agitieren. Damit gewinnen sie schon Sympathien, auch wenn sich dies bisher nicht im Wahlergebnis bei Landtagswahlen niedergeschlagen hat.
Als wie bedrohlich schätzen Sie Rechtsextremismus in Rheinland-Pfalz derzeit ein und warum?
Rechtsextremismus als antidemokratische und menschenverachtende Ideologie ist grundsätzlich bedrohlich. Konkret wird das im Umfeld rechtsextremer Demonstrationen, vor und nach denen politische Gegner und Migranten Opfer von neonazistischer Gewalt werden, wie zuletzt bei den Naziaufmärschen am 1. Mai.
Positiv ist zu vermerken, dass die Zivilgesellschaft in Rheinland-Pfalz relativ wachsam ist. Wenn zum Beispiel, wie es letztens der Fall war, einer Schule bekannt wird, dass einer ihrer Schüler ein rechtsextremer Wortführer ist, der eine eigene Internetplattform für die Szene betreibt, thematisieren das die Lehrer. Erst in dessen Klasse, und jetzt wird auch eine Schulkonferenz zum Thema stattfinden. Auch in Morbach, wo die NPD ihr Schulungszentrum aufbauen wollten, sind die örtlichen Schulen sehr aktiv und veranstalten Projektschultage gegen Rechtsextremismus, um die Schüler zu warnen. In Gegenden und Gemeinden, in den die Rechtsextremen besonders aktiv werden, bilden sich auch schnell aktive Bündnisse gegen Rechtsextremismus aus der Zivilgesellschaft etwa in der Pfalz, in Leiningen und in Morbach. Derzeit wehrt sich die Gemeinde Oberlahr vehement gegen ein neues Schulungszentrum, dass die NPD in einem ehemaligen Hotel aufziehen will.
Interview: Simone Rafael
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).