Die 33-jährige Ukrainerin wäre von Januar bis Juni 2021 ein „Post Graduate Junior Visiting Fellow“ am geisteswissenschaftlichen Institut in Wien gewesen. Laut ukrainischen Medien hätte sie 1.800€ monatlich bekommen, Reise- und Unterkunftskosten wären erstattet worden und sie hätte wissenschaftlich arbeiten dürfen (vgl. strana). Ihren Master in Philosophie hat sie an der Kiew-Mohyla-Akademie gemacht, Schwerpunkt ihrer wissenschaftlichen Arbeit war die „Konservative Revolution“. Im Programm „Ukraine im europäischen Dialog“ hätte sie gemeinsam mit Timothy Snyder (renommierter Professor an der Yale University) arbeiten sollen. Dieser Plan ist aber nicht aufgegangen. Es ist noch unklar, wer dem Institut die Hinweise gab, aber nachdem durch einen medialen Shitstorm auch das IWF von ihrem politischen und ideologischen Kontext Wind bekam, hat sich das Institut dazu entschlossen, die Zusammenarbeit mit Olena Semenyaka zu beenden: Ein Foto von ihr mit Hakenkreuz-Flagge und Hitlergruß ist viral gegangen. Eine Erklärung dazu hat sie Vice gegeben. Es soll sich um ein Halloween-„Scherzfoto“ aus dem Jahr 2014 handeln, weil ja laut russischer Propaganda „alle ukrainischen Nationalist*innen Nazis seien“.
In dem offiziellen Statement des Instituts heißt es: „Ihre [Olena Semenyaka] Verbindungen zu rechtsextremen Gruppen mit dem Ziel der Verbreitung von Hass und Gewaltbereitschaft und die Spaltung unserer Gesellschaften steht nicht im Einklang mit dem Zweck des Fellowship-Programms oder dem Institut“ (vgl. IWM). Auf eine vertiefende Anfrage von Belltower.News hat das Institut leider nicht geantwortet. In der Stellungnahme stellt das IWM klar, eine fachliche und unabhängige Jury würde die Fellows aufgrund ihrer wissenschaftlichen Arbeit auswählen und keine Auskunft über politische Positionen oder Aktivitäten ihrer Bewerber*innen verlangen. Offenbar gehört zur Auswahl kein Social Media Check, nicht einmal ein oberflächlicher.
Suchmaschine auswählen – „Olena Semenyaka“ eingeben – „Enter“
Und das wird ausgespuckt: Verbindungen zu neonazistischen und rechtsextremen Parteien und Vereinen in ganz Europa, auch in Deutschland, ein wissenschaftlicher Essay (nur ihr und ihrem Einfluss im Rechtsextremismus in der Ukraine und Europa gewidmet) mit dem Titel „Olena Semenyaka, The ‚First Lady‘ of Ukrainian Nationalists“. Des Weiteren Informationen über ihre Tätigkeit beim „Asow“-Regiment und der daraus hervorgehenden Partei „Nationalkorps“. Das sind die Ergebnisse von drei Minuten Recherche. Als Institut, welches von den Regierungen Österreichs, Polens und der Tschechischen Republik finanziert wird, hätte man eine solche kurze Recherche wohl durchführen und beachten sollen. Jetzt erscheint nämlich bei der Suche nach Olena Semenyaka zusätzlich „Rechtsextreme Olena Semenyaka Stipendiatin am IWM – Grüne fordern sofortige Konsequenzen“.
Olena Semenyaka ist Zuständige für internationale Angelegenheiten, Repräsentantin im Ausland und gilt auch als Pressesprecherin der Partei „Nationalkorps“, die 2016 aus dem Freiwilligenbatallion „Asow“ hervorging. Das Asow-Regiment ist mittlerweile Teil der Nationalgarde und im Zuge des Krieges im Osten der Ukraine entstanden. Schon länger sind Verbindungen zu Rechtsextremen und Identitären aus Deutschland und ganz Europa bekannt, die Rekrutierung für Asow findet zum Teil dort statt und wird immer wieder in den Medien stark kritisiert, auch weil mittlerweile „patriotische Trainingslager“ für Kinder veranstaltet werden.
Sieht man sich die Person Olena Semenyaka genauer an, stellt man fest, dass sie sich als Zuständige für internationale Beziehungen mittlerweile ein Netzwerk zum „Who is Who“ der europäischen Rechtsextremen aufgebaut hat und zum Teil langjährige intensive Kontakte pflegt. Semenyaka ist leitende Kraft der Projekte „Reconquista Europe“ und „Pact of Steel“ und Leiterin des Verlags und Clubs für politischen Austausch „Plomin“ in Kiew. Ihre Veranstaltungen finden im „Kosakenhaus“, der Zentrale des „Nationalkorps“, statt, wo auch internationale Konferenzen abgehalten werden. Vor allem von „Reconquista Europe“ war das Ziel „ausländischen Zuhörer*innen zu erklären, wer die Beschütz*innen der Ukraine sind, nämlich das Asow-Regiment“, sagte sie in einem Interview mit „Azov FM“ 2016. Schon damals formulierte sie den Gedanken, nicht nur in Osteuropa, sondern auch nach Westeuropa expandieren zu wollen – „sie denken global“. Und außerdem könnte man von einem ideologischen Austausch Gleichgesinnter profitieren.
Deswegen wurde 2016 auch das „Intermarium“ gegründet. Darunter versteht man die Idee einer Allianz der Ostsee-, Schwarzmeer- und Mittelmeerregionen. Seit Oktober 2020 ist dieses Vorhaben sogar Gegenstand parlamentarischer Arbeit in der „Werchowna Rada“, des ukrainischen Parlaments, wo sich die interfraktionelle Gruppe „Intermarium“ gegründet hat. Ihr neuestes Projekt ist ihre digitale Zeitschrift „The New Prometheism“, in dem sie das „geopolitische Konzept“ von „Intermarium“ im 21. Jahrhundert vorstellen wollen.
Bei all ihren Terminen und Vorträgen im Ausland geht es ihr vor allem um eins: die Vernetzung der Nationalist*innen in Europa und den ideologischen Austausch. Zu Beginn ihres Aktivismus ging es darum, gegen den „Aggressor Russland“ gewappnet zu sein. Mittlerweile aber liegt das Hauptaugenmerk darauf, ihre philosophischen Erkenntnisse aus dem Studium weiterzuentwickeln und die Ideologie des ukrainischen Nationalismus übertragen zu können – für die Gründung der „paneuropäischen“ Allianz von „Ethnostaaten“ für ein „weißes Europa“. Das macht sie als eine wesentliche Figur der „neuen Rechten“ in Europa so gefährlich: Sie organisieren und agieren grenzübergreifend und betreiben einen intensiven ideologischen Austausch.
In dem Neonazi-Podcast „The FashCast Anthology“ wurde ein Interview von ihr und einem Mitglied der „Nordic Resistance“ veröffentlicht, in dem sie über die Ziele und Prinzipien von Asow spricht. Olena Semenyaka und Asow haben auch antisemitische Motive. Sie gibt sie von sich, viele Probleme in der Ukraine wären mitunter durch „reiche Jüd*innen in den Finanzeliten“ verursacht worden. Ziel von Asow ist auch, das „zu korrigieren“.
Also ging Semenyaka auf Mission in Deutschland
Die Repräsentantin der ukrainischen Rechtsextremen ist gerne in Deutschland und hat ein besonderes Verhältnis zu Deutschland – vor allem zum Dritten Reich und deutschen Denkern. Sie selbst beschreibt Deutschland als „ihre spirituelle Heimat“. In ihrer akademischen Laufbahn studierte sie Carl Schmitt, Friedrich Nietzsche und Ernst Jünger intensiv. Wenn sie Seminare in Kiew abhält, ist es ihr wichtig, deren Inhalte auch in der deutschen Sprache auf ihrem Profil zu posten.
Auf ihrem vkontakte-Profil sieht man Bücher deutscher Autor*innen. Zuletzt hat sie z.B. für die deutsche Übersetzung von „Natiokratie“ des ukrainischen Nationalismus-Philosophen Mykola Sziborskyi geworben. Erschienen ist es mit Vorwort von Philip Stein, Leiter von „Ein Prozent“, und im „Jungeuropa Verlag“. Im August 2018 war sie Vortragende bei einer Veranstaltung des Verlags in Dresden, gemeinsam mit Stein (vgl. Twitter).
Früher, im Mai 2018 nahm sie teil am „3. Europakongress“ der „Jungen Nationalisten“ (JN), der Jugendorganisation der NPD. Zu der Einladung sagt sie:
Auch für den nächsten „JN-Europakongress“ im Mai 2021 ist eine ukrainische Komponente geplant: Die Organisation „Kraftquell“ ist ein Zusammenschluss norwegischer und deutscher Nationalist*innen (in Deutschland die NPD), die für die Familien ukrainischer Veteran*innen einen Aufenthalt in Norwegen und Deutschland organisieren und sie unterstützen wollen. Im Kontext dieser Organisation war sie im Februar 2019 im „Haus Montag“ in Pirna, Veranstalter*innen waren hier eben „Kraftquell“ und die NPD (vgl. Twitter). Um diese Zusammenarbeit und Freundschaft zu vertiefen, hat am 10. August 2019 im Gegenzug dazu ein Treffen von „Haus Montag“ mit Olena Semenyaka im „Kosakenhaus“ in Kiew stattgefunden. Besucht haben sie hier Thomas Sattelberg mit Tochter und Thomas Rackow.
Am 14. Mai 2018 besuchte sie den „Phalanx Zentropa II“-Kongress der Kleinstpartei „Die Rechte“ (vgl. illiberalism). Und auch mit den Identitären war sie schon im Kontakt: Im Juni 2018 war sie Vortragende bei „Kontrakultur“, einem Ableger der „Identitären Bewegung“. Auf einem Foto vom Vortrag sieht man Hannah Tabea-Rößler ihr in der ersten Reihe gespannt zuhören (vgl. Sachsen-Anhalt rechtsaußen). Rößler ist Mitglied von „Kontrakultur“ und kandidierte im Mai 2019 bei der Kommunalwahl für die AfD in Halle (vgl. Focus).
Zur rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ scheint ein intensiverer Kontakt zu bestehen. Im Juli 2018 war sie Gast beim „Jugend im Sturm“-Festival der Partei und hielt dort eine Rede. Und auch zu Asow sind die Verbindungen bekannt: Belltower.News berichtete bereits davon, dass Personen mit „Der III. Weg“-Mütze und Masken mit Asow-Symbol bei der Neonazi-Veranstaltung „Tag der Ehre“ in Budapest aufmarschierten. Und im März 2020 nahmen Mitglieder der Partei an einer „Helden-Gedenkfeier“ und Fackelmarsch in Lwiw (Lemberg) teil. Lwiw gilt als die Hochburg für Ultra-Nationalist*innen in der Ukraine.
Auch auf der Webseite von „Der III. Weg“ tauchen Nachrichten im Bezug mit der Ukraine immer wieder auf und bei Repressionen des Staates gegen die ukrainischen Nationalist*innen wird Solidarität bekundet. Bei Veranstaltungen in Kiew und Lwiw sind Mitglieder der Partei oft zu Gast und keinem anderen Land schreiben sie die gleiche ideologische Nähe zu, wie zur Ukraine.
Eine Auswahl Semenyakas Abos:
Chronologie einiger ihrer Auftritte in Europa
November 2017: Besuch der Gruppe „Sturzm“ in Polen. Anfang 2019 haben sie allerdings bekanntgegeben, eher regional und autonom aktiv sein zu wollen, weniger in ganz Polen. Sie haben Morddrohungen an Anti-Faschist*innen ausgesprochen und antisemitische Flugblätter verteilt (vgl. notesfrompoland).
November 2017: Interview in der flämischen Zeitschrift „Europa ontwaakt“, der Gruppierung „N.S.V.“. Auf ihrer Webseite werben sie um Menschen, die „flämisch, rechts, studentisch sind und sich nicht schämen“.
Februar 2018 und 2019: Teilnahme an „Ethnofutur II“ und „Ethnofutur III“ in Tallinn, Estland. Mit Colin Robertson aka „Millenial Woes“ aus Schottland (YouTuber, Sexist und White Supremacist), Martin Helme, Parteivorsitzender der nationalistisch-rechtsextremen „Konservativen Volkspartei“ in Estland und Tomas Skorupskis, Rechtsextremist aus Litauen und nun Organisator von „Kryptis“, einer „ethnofuturistischer Jugendorganisation“ (vgl. Hope not Hate)
Oktober 2018: Greg Johnson (bekennender White Nationalist) auf Einladung von Semenyaka bei einer „Pan-Europa“-Konferenz in Kiew. Im gleichen Format waren u.a. Remo Kudwien und Maik Schmidt von der NPD, Julian Bender von „Der III. Weg“, französische Identitäre der „Groupe Union Défense“ (GUD), Bjørn Christian Rødal von „Alliansen – Alternativ for Norge“ aus Norwegen und Mindaugas Sidaravičius der „Nationalistischen Union“ aus Litauen da.
März 2019: Teilnahme am „Scandza Forum“ in Stockholm, auch Vortragende waren der Identitäre und „Sezession“-Autor Martin Semlitsch aka Martin Lichtmesz, Greg Johnson und Mark Collett (Neonazi und Verschwörungserzähler), Thema: „Anarcho-Tyrranei“ (vgl. Twitter).
April 2019: In Turku, Finnland bei „Awakening II“ neben Jared Tylor (White Supremacist) und Martin „Lichtmesz“ Semlitsch, auch einen Vortrag gehalten (vgl. Twitter).
Mai 2019: In Lissabon, um auch dort die Idee des „Intermarium“ zu erklären. Eingeladen wurde sie von „Escudo Identitário“, den portugiesischen „Identitären“.
Zu „Casapound“ aus Italien pflegt sie ebenso Kontakte, sie verstehen sich als der „Faschismus des 21. Jahrhunderts“. Wie die Recherchen vermuten lassen, hat sie sich Intermarium als langfristiges Projekt angenommen, in verstärkter Zusammenarbeit mit kroatischen Organisationen. So postete sie 2018 vermehrt Fotos aus Kroatien und aus der Universität in Zagreb bei einer Veranstaltung, sie als Rednerin. Und bei der letzten Intermarium-Konferenz im Dezember 2020 wurde ein Schwerpunkt auf die ukrainisch-kroatische Kooperation gelegt.
Und trotzdem war das Institut für die Wissenschaft des Menschen in Wien überrascht über ihren rechtsextremen Hintergrund.
Nicht zu vergessen: Semenyaka und der NSBM
Semenyaka ist neben ihrer Begeisterung für NS-Ideologie auch großer Fan von „National Socialist Black Metal“ (NSBM) und pflegt Kontakte auch in diese Szene. Involviert ist sie in das „Asgardsrei“-Festival in Kiew und hat wohl maßgeblich dazu beigetragen, dass die ukrainische Hauptstadt auch als „Hauptstadt des NSBM“ betitelt wird. Auf einer „Pact of Steel“-Veranstaltung hielt sie am 14. Dezember 2018 die Eröffnungsrede. Der „Pact of Steel“ versteht sich als „Militant Black Metal Alliance“. Diese Konferenz findet im Zusammenhang mit dem NSBM-Festival statt und gilt als ideologischer Austausch durch und neben der Musik. Gesprochen und gespielt hat bei dieser Konferenz auch Hendrik Möbus und seine Band „Absurd“. Möbus ist Neonazi und in Deutschland ein verurteilter Mörder.
Eine Auswahl ihrer Lieblingsmusik:
Wo wir sie das nächste Mal in Deutschland erwarten könnten? Vielleicht auf dem „Ragnarök“-Festival. Zumindest schreibt sie in ihrem Post, dass sie sich auf „Ragnarök“ vorbereiten würde. Dabei handelt es sich um ein Pagan & Black Metal-Festival in Lichtenfels, was am 9. und 10. April stattfinden soll.
Wieso ist Asow bei europäischen Rechtsextremen so beliebt?
Beginnend als Freiwilligenbataillon, welches im Krieg um die Ostukraine das Land vor Russland beschützen wollte, hat sich Asow zu einer professionellen Organisation entwickelt, die nicht mehr nur am Rand der Gesellschaft toleriert wird. Ultra-Nationalist*innen in der Ukraine sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen, werden akzeptiert und auch von einem erheblichen Teil heroisiert.
Erst vor wenigen Wochen, am 01. Januar 2021, organisierten Ultra-Nationalisten einen Fackelmarsch durch die Hauptstadt zum Gedenken an Stepan Bandera, an dem rund 1000 Menschen teilnahmen. Bandera gilt als Held unter den Rechtsextremen in der Ukraine: Er forderte im Zweiten Weltkrieg die Unabhängigkeit der Ukraine, wofür er nicht erst seit der tatsächlichen Unabhängigkeit von Russland als Held angesehen wird. Bandera hat mit den Nationalsozialisten kollaboriert und mit ihnen gemeinsam gegen die russische Armee gekämpft. Er war verantwortlich für die Pogrome und Vernichtungen an Jüd*innen und Pol*innen in der Ukraine. Botschafter und Geistliche aus Israel und Polen haben deshalb zuletzt scharfe Kritik an dem Gedenkzug geäußert.