„Das Urlaubsparadies in der Sächsischen Schweiz“
Die zum Wahlkreis Sächsische Schweiz gehörende Gemeinde Reinhardtsdorf-Schöna ist zusammen mit dem Nachbarort Kleingießhübel ein beliebter Urlaubsort für Touristen und wird auf der ortseigenen Internetseite als familienfreundliches Kleinidyll angepriesen. Allerdings bringt die politische Situation das harmonische Gesamtbild zum Schwanken. So ist die Dorfgemeinschaft mit ihren 1575 Einwohnern und einem Ausländeranteil von null Prozent nicht in erster Linie für die einladende Naturkulisse bekannt, sondern gewann die Aufmerksamkeit der gesamten Bundesrepublik als Hochburg der rechtsextremen Szene. Dieser Negativaspekt zeigte sich bereits in vergangenen Wahlperioden anhand einer tief greifenden Verankerung rechtsgerichteter Tendenzen in Teilen der Gemeinde. Zur Folge hatte diese Entwicklung einen Einbruch der Besucherzahlen. Statt einem Urlaubsparadies hat es heute den Ruf einer NPD-Hochburg.
Die Qual der Wahl
Während die NPD bei den Landtagswahlen in Sachsen Ende August dieses Jahres nur äußerst knapp mit 5,6 Prozent (2004: 9,2 Prozent) der Stimmen den Wiedereinzug ins sächsische Parlament schaffte, konnte eine derartige Zitterpartie in der kreisangehörigen Ortschaft Reinhardtsdorf-Schöna schon im Vorfeld ausgeschlossen werden. Mit einem Wahlergebnis von 19,4 Prozent knüpfte die NPD-Fraktion an vergangene Erfolge an. Bereits bei den Kommunalwahlen 2004 sowie 2008 konnte die Partei kontinuierliche Rekordsiege mit über 25 Prozent verbuchen. Auch bei der diesjährigen Bundestagswahl erreicht die NPD in der sächsischen Gemeinde ein beachtliches Resultat von 12,9 Prozent und ist damit sachsenweit die einzige Gemeinde, mit einem zweistelligen Ergebnis für die NPD. Gründe für diese demokratisch vernichtenden Ergebnisse ist die ständige Präsenz der NPD in der ländlichen Ortschaft durch die Hauptkandidaten Michael Jacobi und Mario Viehrig, beide vertreten im Gemeinderat, und eine offene Ablehnung der großen Parteien wie CDU und besonders SPD. Es bleibt zu hoffen, dass jene tief verwurzelten Antipathien gegenüber zivilgesellschaftlichen und demokratischen Werten sich nicht weiter vernetzen.
„Demokratie anstiften“
Eine vielversprechende Antwort auf die Erfolgswelle der NPD und das damit verbundene politische Gefahrenpotenzial der kleinen sächsischen Gemeinde stellt die von Bianca Richter gegründete Bürgerinitiative „Demokratie anstiften“ dar. Seit nunmehr fünf Jahren setzt sich das Projekt aktiv gegen die antidemokratische Ideologie der NPD vor Ort ein. Die enge Zusammenarbeit lokaler Vereine und Einrichtungen ermutigt zivilgesellschaftliches Handeln gegen ein aufstrebendes neonazistisches Gedankengut. Während das Projekt außerhalb der Gemeinde durchweg positiv angenommen wurde, stieß die Initiative intern wiederholt auf Widerstand wie Richter gegenüber MUT eingesteht. In ihrer 2008 veröffentlichten Analyse Rechter Alltag – Ein Bericht über die „deutschen Zustände“ in Reinhardtsdorf-Schöna und Kleingießhübel verwies Bianca Richter bereits ausführlich auf das rechtsextreme Potenzial des Ortes. Allerdings konnte die Bürgerinitiative in den vergangenen Jahren erste Erfolge erzielen wie Richter kurz vor der Bundestagswahl der MUT-Redaktion mitteilte: „Trotz des hohen Bindungs-und Mobilisierungspotenzials der NPD vor Ort konnte das Ergebnis der vergangenen Landtagswahl um drei bis vier Prozent reduziert werden.“ Selbst wenn dies zunächst geringfügig erscheinen mag, ist dies jedoch ein enormer Erfolg für die Initiative. Dieser Positivtrend lässt hoffen, zumal Bianca Richter abschließend anmerkte: „Die Stimmung in Reinhardtsdorf-Schöna hat sich geändert.“ Das aktuelle Wahlergebnis weist die Gemeinde wiederum als Hochburg der NPD aus. Dass gegenüber der letzten Wahl wieder ein Prozent weniger NPD gewählt haben bedeutet aber auch eine Fortsetzung des Trends und einen weiteren Erfolg der Initiative.
Claudia Neumann
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).