Die NPD hat letzten Donnerstag ihren für den 27. und 28. Oktober 2007 geplanten Programmparteitag abgesagt. Sie konnte die Stadt Oldenburg gerichtlich nicht zwingen, ihr die Weser-Ems-Halle für ihr Bundestreffen mit rund 500 Teilnehmern zu überlassen. Damit beschleunigt sich die Krise der rechtsextremen Partei. Und ein Verbotsverfahren wird wieder wahrscheinlicher.
Schwarz-weiß-rote Fahnen, schmissiges Liedgut, hübsche Hostessen: So hatte sich die NPD bei ihrem letzten Bundesparteitag in Berlin präsentiert. Doch wie es wirklich um die Partei steht, zeigt die gegenwärtige Situation: finanziell desolat, zermürbt durch Flügelkämpfe und für den diesjährigen Parteitag findet die NPD nicht einmal einen Saal.
Vor einem Jahr strahlten sie um die Wette: Die NPD-Spitzen um Parteichef Udo Voigt. Mitten in Berlin hielt die rechtsextreme Partei ihren Bundesparteitag ab, zuvor waren die Rechtsextremisten in den Landtag von Schwerin eingezogen, in Berlin errangen sie Mandate auf kommunaler Ebene.
Fast genau ein Jahr später ist von der zwischenzeitlichen Euphorie nur noch wenig zu erkennen. Der Austragungsort des diesjährigen Bundesparteitags sorgt seit Wochen für Rätselraten – sowohl bei Beobachtern als auch bei den NPD-Anhängern. Die Parteispitze holte sich bei der Suche nach einem Saal reihenweise Körbe ab – und vor Gerichten hagelte es Niederlagen.
Niedersachsen als Wunsch-Brücke in den Westen
Besonders in Niedersachsen: Wegen der Landtagswahl im Januar bündelt die NPD ihre gesamten Kräfte auf dieses Bundesland. Hier soll der Sprung in ein westdeutsches Parlament geschafft werden. Dafür werden andere Landtagswahlen geradezu ignoriert. Beispielsweise Hessen, wo die lokale NPD nur durch das Kopieren von rassistischen Plakaten der Schweizer SVP auffällt, oder in Hamburg, wo die NPD der rechtsextremen DVU den Vortritt lässt.
Doch in Niedersachsen hat der NPD-Spitzenkandidat Andreas Molau, ein ehemaliger Waldorf-Lehrer, seinen Anhängern beigebracht, die NPD habe eine reale Chance. Dass die Partei dabei Umfrageergebnisse frei zu ihren Gunsten interpretiert oder sogar erfindet, irritiert die Rechtsextremisten bislang kaum. Denn die vermeintliche Hoffnung auf lukrative Posten im Landtag eint die erneut zerstrittene rechtsextreme Bewegung – zumindest vorübergehend und oberflächlich. Und die Ernüchterung wächst. Jüngste Prognosen verheißen der NPD real nur rund ein Prozent und wo immer die NPD derzeit in Niedersachsen auftritt, schallt ihr massiver Bürgerwiderstand entgegen – ob in Hannover, Salzgitter oder Weyhe.
Spagat zwischen rechts und ganz rechts
Auch unter der Oberfläche brodelt es: In Niedersachsen geht für die NPD – wie in den meisten anderen Bundesländern auch – gar nichts ohne die so genannten „Freien Nationalisten“ – Neonazis, die nicht in der NPD organisiert sind oder jüngst in die Partei eingetreten sind. Sowohl im Wahlkampf, als auch um die Listen zu besetzen – die NPD ist auf diese ultra-radikalen Kräfte angewiesen. Dadurch kommt es aber immer wieder zu Reibereien. Denn die NPD setzt strategisch auf ein bürgerliches Auftreten, um Wähler aus dem Mittelstand zu gewinnen. Viele Neonazis definieren sich aber als „Autonome Nationalisten“, kopieren Kleidungsstil und Aktionsformen der linken Autonomen. Die gelten aber als „Bürgerschrecke“ schlechthin, besonders bei potenziellen NPD-Wählern aus dem kleinbürgerlichen Milieu. Bei dieser Klientel kommen Parolen wie „Europa – Jugend – Revolution“ oder „Fuck Authority!“ sowie „Schwarze Blöcke“ auf Demonstrationen nicht gut an.
Daher versucht die NPD-Führung einen Spagat zwischen rechts und ganz rechts – und verrenkt sich dabei gewaltig. Zuletzt nach einer NPD-Demonstration im Sommer in Frankfurt am Main: Dort kam es zu Auseinandersetzungen zwischen NPD-Ordnern und „Autonomen Nationalisten“. Deshalb distanzierte sich die NPD-Führung in einem Schreiben deutlich vom wilden Nachwuchs, was für weitere Debatten und heftige Streitereien in der rechtsextremen Bewegung sorgte.
Der Druck auf die NPD-Oberen wurde dabei offenbar so groß, dass eine Kehrtwende folgte. Beim Wahlkampfauftakt der NPD-Niedersachsen demonstrierten NPD-Chef Voigt sowie Generalsekretär Peter Marx plötzlich ihre Verbundenheit mit den Neonazi-Gruppierungen. Von der eigenen Distanzierung wollten sie nun nichts mehr wissen, dies hätten die Medien gezielt gestreut, hieß es.
Bundespartei vor dem Bankrott
Weitere Probleme bereitet der NPD ihre finanzielle Situation. In Dresden und Schwerin verfügen die Fraktionen über hunderttausende Euro, während die Bundespartei vor sich hin darbt. Jetzt scheiterte die NPD mit dem Versuch, die komplette Auszahlung eines Abschlags der staatlichen Parteienfinanzierung in Höhe von rund 277.000 Euro zu erreichen. Geld, das offenbar dringend für den laufenden Betrieb benötigt wird. Doch das Bundesverfassungsgericht verwarf eine entsprechende Beschwerde: „Ohne Kenntnis der weiteren Finanzlage der NPD, die nicht weiter dargelegt wurde“, könnten die Behauptungen der Partei nicht nachvollzogen werden, so die Begründung. Die Ursache der Finanzmisere ist hausgemacht: Die NPD kämpft mit den Folgen einer Parteispendenaffäre. Die Immobilien der NPD sind bereits hoch belastet, fast alle Angestellten der Parteizentrale mussten nach NPD- Angaben entlassen werden. Daher liegen viele geplante Projekte brach – oder werden regional realisiert. Bestes Beispiel ist die von der NPD vollmundig angekündigte „Medienoffensive“ mit einem eigenen TV- sowie Radio-Sender im Internet. Herausgekommen sind bislang mehrere regionale Schülerzeitungen. Bei den Machern handelt es sich zumeist um junge NPD-Mitglieder, die aus dem Spektrum der „Freien Kameradschaften“ in die Partei stoßen – und so ihren Einfluss ausweiten.
Wer übernimmt wen?
Auch in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ist die wachsende Macht der jungen Neonazis zu beobachten. Hier sind „Freie Kameradschaften“ und NPD bis zur Unkenntlichkeit miteinander verschmolzen. Nach den Erfolgen bei Landtags- bzw. Kommunalwahl wollten die Rechtsextremisten in den Parlamenten für Furore sorgen. Davon ist nach zwölf Monaten allerdings nichts zu vermelden. Stattdessen gab es Rekordzahlen an Ordnungsrufen, Formfehler bei Anträgen und NPD-Drohungen gegen demokratische Abgeordnete. Außerhalb der Parlamente hofiert die NPD weiter militante Neonazis. Der Rechtsextremismus-Experte Andreas Klärner wirft daher die Frage auf, ob die NPD überhaupt noch handlungsfähig sei, oder nur noch von den jungen Nazis getrieben werde. Auch Verfassungsschützer*innenund Expert*innen sehen eher eine Übernahme der NPD durch junge Neonazis, denn eine Integration, von der die NPD-Spitze redet.
Für eine Übernahme spricht auch die Besetzung der neuen Führungsspitze der einflussreichen „Jungen Nationaldemokraten“: Hier sitzen jetzt ebenfalls Neonazis aus ehemaligen Kameradschaften an den Schalthebeln. Vize-Chef wurde Norman Bordin, ein mehrfach vorbestrafter Neonazi aus Bayern. Wenige Monate zuvor hatte die NPD-Spitze noch angekündigt, ein Parteiausschlussverfahren gegen Bordin zu prüfen, da er laut einem ARD-Fernsehbericht bei einem Konzert den Hitler-Gruß gezeigt hatte. Jetzt sitzt er in der Führungsetage der NPD.
Die Chancen für ein erneutes Verbotsverfahren gegen die NPD steigen durch das offene Auftreten der Neonazis. Eine aggressiv-kämpferische Ausrichtung gegen die Verfassung wird so leichter nachzuweisen – auch ohne die aus der NPD gekauften Informationen des Verfassungsschutzes, die vor Gericht nicht benutzt werden dürfen. Dass die NPD die Gefahr eines Verbots mittlerweile ernst nimmt, zeigt ihre Demonstration gegen den SPD-Parteitag in Hamburg: Dort bietet die rechtsextreme Partei sämtliche wichtigen Parteifunktionäre als Redner auf. Der Journalist und Rechtsextremismus-Experte Anton Maegerle spricht von einem „Frontalangriff“.
Zeit dafür haben die NPD-Spitzen ja, denn einen Saal für den Bundesparteitag hat die Partei bislang noch immer nicht gefunden. Frustriert teilte sie am Nachmittag des 25.10. mit, dass das Oldenburger Landgericht in einer Schnellentscheidung „leider auch gegen uns entschieden“ hat. „Entscheidungen des Oberlandesgerichtes und ggf. des Bundesverfassungsgerichtes sind in der Kürze der Zeit nicht mehr zu erwarten. Das Präsidium hat deshalb entschieden, dass der Parteitag verschoben werden muss.“
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).