Auch 2011 gab es in Brandenburg wieder das ganze Spektrum rechtsextremer Vorkommnisse: gewalttätige Übergriffe, Konzerte mit rechter, gewaltverherrlichender Musik, Aufmärsche und Demonstrationen sowie Volksverhetzungen und rechte Schmierereien an Häuserwänden.
Die Gewalttaten werden immer noch vorwiegend von jungen, männlichen Personen begangen und die NPD bemüht sich wie bekannt, um eine stärkere Etablierung innerhalb des Landes. Neben diesen Erkenntnissen, gibt es aber auch neue alarmierende Entwicklungen.
Zunehmende „Nazifizierung“ der NPD
Die NPD konnte, trotz zahlreicher Bemühungen, ihren Aktionsradius nicht erweitern und setzt daher verstärkt auf die Einbindung von Neonazis und den sog. „Freien Kräften“. „Die NPD will ihre Schwächen mit der Einbindung von Neonationalsozialisten übertünchen. Punktuell haben sie ganze Partei-Segmente übernommen. Gerade dort steht dann zwar NPD drauf, doch das Hakenkreuz ist drin. Die Nazifizierung der Partei ist unverkennbar“ , hieß es in der Pressemitteilung zum Verfassungsschutzbericht 2011. So sank die Zahl der NPD Mitglieder um 20 Personen auf nunmehr 350, die Partei versucht dennoch weiterhin sich an den starken Landesverbänden Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern zu orientieren und ihre Präsenz in den Kommunen zu verstärken. Ende 2011 verfügte sie über 29 kommunale Mandate, erklärtes Ziel der Partei ist ein Einzug in das Parlament bei den Landtagswahlen 2014.
Aber auch unabhängig von der NPD gibt es zahlreiche rechte Umtriebe, so erhält die Neonazi- Szene außerhalb von Parteistrukturen weiter Zulauf. Der Trend zum Umbau der rechten Strukturen und die Ablehnung der NPD, als Teil des verhassten politischen Systems, halten weiter an. Die „Freien Kräfte“ haben so viele Mitglieder wie noch nie seit 1990. Das Personenpotenzial und rechte Aktivitäten haben spürbar zugenommen. Diese besorgniserregende Tendenz wird speziell im südlichen Brandenburg sichtbar.
Maskendemos als neue rechte Aktionsform
Auffällig ist dabei vor allem das Netzwerk „Widerstand Südbrandenburg“, welches mit seinem Internetportal „ Spreelichter“ und vor allem der Kampagne „Die Unsterblichen“ neue Maßstäbe innerhalb der Szene setzt. Mit nächtlichen, unangemeldeten Aufmärschen, bei denen maskierte Fackelträger den „nahenden Volkstod“ verkünden, haben sie eine neue Aktionsform begründet, die bereits im gesamten Bundesgebiet Nachahmer fand. Darauf wird auch im Bericht eingegangen. „Unter dem Label »Volkstod« und »Werde unsterblich« haben in Brandenburg entwickelte Aktionsformate bereits im gesamten deutschsprachigen Raum Fuß gefasst. Konspirativ vorbereitete nächtliche Fackelzüge, bei denen Rechtsextremisten hinter Masken ihren »Kostümfaschismus« zelebrierten, liefern Bilder für Videoclips im Internet“.
Dabei wird das Fehlen von organisierten, starren Strukturen mit dem intensiven Gebrauch von modernen Informations- und Kommunikationsmitteln ausgeglichen. Die mediale Aufbereitung von selbstgedrehten, professionell wirkenden Videos von Aktionen, wie bspw. dem Anbringen von Bannern an Autobahnbrücken oder den Fackelmärschen, ist mittlerweile fester Bestandteil der Verbreitung rechtsextremer Ideologie in Brandenburg. Die Gruppe der „Spreelichter“ begreift sich selbst als geistige Elite und veranstaltet u.a. auch Schulungsabende und Lesungen mit Texten von Adolf Hitler oder Joseph Goebbels.
Die umfassende Nutzung des Internets brachte der Kampagne nicht nur enormen Zuspruch innerhalb der Szene ein, sondern sicherte ihr auch eine starke Öffentlichkeitswirksamkeit. Die „Volkstod-Kampagne“ ist in Brandenburg aber keine Alternative zu herkömmlichen Demonstrationen, eher eine auffällige Ergänzung im rechtsextremen Betätigungsfeld.
Rechtsextreme Muskelspiele
In Brandenburg zeichnet sich ein noch weiterer besorgniserregender Trend ab: Neonazis haben den Kampfsport für sich entdeckt. Sie unterwandern Sportvereine, gründen eigene Clubs und veranstalten ebenfalls vor allem im südlichen Brandenburg Kampfsportturniere, bei denen sie rechtsextreme Musik abspielen, rechtes Material verkaufen und neue Zielgruppen für sich erschließen. Sie nutzen solche Events gezielt als Plattform zur Verbreitung ihrer Propaganda und manifestieren dadurch eine rechtsextreme Erlebniswelt, welche vor allem junge Besucher anspricht. Dass diese Zusammenkünfte immer mehr an Attraktivität gewinnen, belegen auch die Zahlen; bei den sogenannten „Fight-Nights“ werden mittlerweile bis zu 1.000 Besucher gezählt.
Neben der Möglichkeit neue Sympathisanten zu generieren und dem nicht zu unterschätzenden materiellen Gewinn für die Szene, sind die Aktivitäten im Kampfsportmilieu auch ein Eckpfeiler im ideologischen Weltbild. Die starke Affinität zum Körperkult und der weit verbreitete Hang zur Selbstdarstellung kann in diesem Bereich ungehindert ausgelebt werden. Somit dient der Sport als ideologisches Mittel und lehnt sich an den Muskel- und Heroenkult der Nationalsozialisten an. Die sportlichen Aktivitäten werden aber auch als körperliche und geistige Vorbereitung für den Kampf gegen den politischen Gegner verstanden und orientieren sich dabei an der Schlägertruppe der NSDAP, der „ Sturmabteilung“ SA. All dies zeugt von einer erhöhten Gewaltbereitschaft und einer zunehmenden Militanz. „Wir können nicht ausschließen, dass Militanz in Terror umkippt“, betonte die damalige brandenburgische Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber bei der Vorstellung des Berichts. Daher kommt diesem Trend eine besondere Rolle zu und muss auf jeden Fall weiter beobachtet werden.
Anstrengungen der Zivilgesellschaft erhöhen
Auch wenn in der Vergangenheit einige Maßnahmen ergriffen worden sind und bspw. die Kameradschaft „Freie Kräfte Teltow-Fläming“ im Mai 2011 verboten wurde, ist die Situation in Brandenburg nach wie vor alarmierend und bedrohlich. Das rechtsextreme Personenpotenzial umfasst immer noch ca. 1.150 Personen und bleibt damit konstant hoch. Für die Szene in Brandenburg gibt es auch weiterhin eine funktionierende und ausgeprägte Infrastruktur mit Konzerten, Bands und rechten Events, wie dem neuen Phänomen der Kampfsportturniere. Schwerpunkt der Aktivitäten bildet das südliche Brandenburg, welches mit seinem dazugehörigen Internetportal und Aktionen beispielhaft für die restliche Szene ist und ein neues Niveau von Eigenwerbung etabliert hat.
Die Entwicklungen in Brandenburg sind eine Herausforderung für das demokratische Gemeinwesen und erfordern nicht nur eine verstärkte Beobachtung durch die Behörden, sondern auch eine aktive Protestkultur der Zivilgesellschaft.
Diana Buhe
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).