Dass die NPD in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur aus den öffentlich bekannten, vermeidlichen „Saubermännern“ besteht, wissen wir seit dem letzten Artikel über die Hochburgen der NPD, der schnell zu einer Beschreibung der Kameradschaftsszene des Bundeslandes wurde. Auch der NPD-Experte Günther Hoffmann bestätigt: „Die NPD in Mecklenburg-Vorpommern wird dominiert von so genannten ‚freien Kräften’“. Hauptsächlich organisieren sie sich in Form von Kameradschaften, die wiederum sehr eng mit der NPD verbunden sind. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen kulturell orientierten rechten Skinheads und politisch aktiven Neonazis. Die Ideologie, die sie vertreten, setzt sich aus antisemitischen, rassistischen, nationalistischen und völkischen Einstellungs- und Handlungsmustern zusammen, zu deren Durchsetzung Gewalt als legitimes Mittel zählt.
Alle unter einer Decke
Die Kameradschaften arbeiten unter dem Deckmandel der NPD, da sie dadurch viele Möglichkeiten haben, politisch Einfluss zu nehmen und auch noch finanziell gut ausgestattet werden. Für die NPD bedeutet die Zusammenarbeit mit Kameradschaften eine Vielzahl junger potenzieller Wählerinnen und Wähler sowie tatkräftige Unterstützung in den Kommunen. Wo sich die NPD in den letzten Jahren versuchte, klar von den Kameradschaften abzugrenzen, geht sie im diesjährigen Wahlkampf deutlich militanter vor. Dies wird vor allem bei den vielen Demonstrationen und Aufmärschen deutlich, bei denen der Einfluss der Kameradschaften unübersehbar ist. Außerdem überschneiden sich die Mitgliedschaften der Kameradschaften besonders häufig mit denen der NPD. Ein Beispiel ist Thomas Wulff, er entwickelte das Konzept der „Freien Nationalisten“, ein Netzwerk aus scheinbar autonom agierenden Kameradschaften, die auf der einen Seite keine juristisch belangbaren Organisationen sind und auf der anderen Seite besonders militant agieren und den Nationalsozialismus offenkundig huldigen können. Gleichzeitig sitzt Thomas Wulff seit dem Bundesparteitag 2009 im erweiterten Parteivorstand der NPD.
Gewaltpotenzial
Die enge Verbindung von „freien Kräften“ und NPD wird besonders in ihrer völkischen Ideologie und der damit verbundenen Nutzung von Gewalt als legitimes Mittel, um diese Ideologie durchzusetzen deutlich. Immer wieder machen die unterschiedlichsten NPD Mitglieder Schlagzeilen mit Anzeigen und Strafverfahren. Gerade stand das von der Landesparteiführung hoch geschätzte NPD-Mitglied Sven Krüger wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und Waffenbesitz vor Gericht. Zwischen 1992 und 1999 saß selbiger immer wieder wegen Angriffen auf Jugendliche und Menschen mit Migrationshintergrund im Gefängnis. Auch Stefan Köster, NPD-Mitglied des Schweriner Landtags, wurde schon wegen schwerer Körperverletzung verurteilt. Nach einer Wahlkampfveranstaltung hatte er gemeinsam mit drei anderen Parteimitgliedern linke Gegendemonstranten schwer verletzt. Im Dezember 2010 wurde der Bürgermeister von Lalendorf, Reinhard Knaach (Die Linke) auf seinem eigenen Grundstück von Anhängern der neonazistischen Szene bedroht. Die Leitung dieses Angriffs übernahmen Anhänger der mecklenburg-vorpommerischen NPD. Die Chronologie neonazistischer Gewalt ist schier endlos.
Anschläge auf Wahlbüros
Ein weiteres Indiz für die enge Zusammenarbeit der „freien Kräfte“ und der NPD sind die zahlreichen Anschläge auf Wahlbüros demokratischer Parteien und alternativer Begegnungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern. Das Wahlkreisbüro des SPD-Abgeordneten Jochen Schulte wurde beispielsweise im Juli mit Glaskugelgeschossen und einem Gullideckel attackiert. 2010 wurden insgesamt 37 Wahlbüros und Landtagsabgeordnete angegriffen. Besonders auffällig ist, dass ausschließlich demokratische Parteien von den Anschlägen betroffen waren. Dies lässt einen Zusammenhang mit der neonazistischen Szene vermuten. Auch trifft es immer wieder alternative Projekte, wie beispielsweise das gemeinnützige und unabhängige Wohn- und Kulturprojekt Tikozigalpa in Wismar. Der Eingangsbereich wurde schon mehrfach durch Steine zerstört und mit neonazistischen Parolen, wie „Freiheit statt BRD“ beschmiert. Hieran wird deutlich, dass die Angriffe eindeutig politisch einzuordnen sind.
Wie sich die „Freien Kräfte“ in Mecklenburg-Vorpommern, außer der ständigen Gewaltdelikte, in der Öffentlichkeit präsentieren und welche Kampagnen sie im Zuge des jetzigen Wahlkampfes starten, wird Inhalt des nächstens Artikels sein.
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).