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Rechtsextremismus online Weltnetz 2.0

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www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto: Screenshots StudiVZ und Facebook im April 2009

„Das löschfiebervirus ist wieder richtig aktiv…:(“ beschwert sich der User „S. Vastica“ in der StudiVZ-Gruppe „Werwolf an die Macht“. Wenige Stunden später ist die Gruppe gelöscht. Und ihr Profil auch.

Wer in der VZ-Gruppe aus Schueler-, Studi- und meinVZ extremistische Inhalte veröffentlichen will, hat es schwer: Zwar existieren eine große Zahl von Profilen und Gruppen, die offensichtlich von Neonazis erstellt wurden – lange dauert es meist aber nicht, bis sie wieder von der Netzoberfläche verschwinden.

Grund dafür ist die gewachsene Wachsamkeit des Unternehmens – und der Studi-VZ-User. In den Nutzungsbestimmungen ist festgeschrieben, dass „rassistische, gewalttätige, politisch extremistische, sexistische, diskriminierende […] nicht gestattet“ sind. Wenn solche Inhalte von anderen VZ-Nutzer gemeldet werden, werden sie gelöscht.

Meldefunktion für Nazi-Inhalte

So tragen viele Nutzer der Gruppe „Nationalisten gegen Drogen“ oder auch „Walhalla ruft“ Usernamen wie „Ronald wieder da“ oder „Tim mal wieder“. Wer gelöscht wird, meldet sich halt unter neuem Namen wieder neu an. Eine rechte Feierstimmung und Vernetzung will aber in den meisten StudiVZ-Gruppen nicht aufkommen.

Anders sieht dies aus, wenn die Netz-Nazis Themen aufgreifen, die sie für andere Nutzer anschlussfähig machen. Die Gruppe „Gegen Kinderschänder“ beispielsweise zählt 539 Mitglieder, darunter besorgte Mütter genauso wie Glatzen aus Mittweida. Im Thread „was haltet ihr von kinderschändern“ sind sich alle einig – „TODESSTRAFE!!!“ fordert „Michael Jo“ und erntet dafür Unterstützung bei den anderen Diskussionsteilnehmern, andere User fordern, den mittelalterlichen Pranger wieder einzuführen. Der Wunsch nach martialischen Strafen offenbart ein Bedürfnis nach Autorität. Zusätzlich gehört der wahrscheinliche Täter schon nicht mehr zum eigenen Kollektiv. Das Problem Kindesmissbrauch wird externalisiert. Obwohl, statistisch gesehen, die meisten Übergriffe von ganz normalen Familienvätern, Onkels, Bekannten und Verwandten der Familie verübt werden.

 

Vereinzelt verwendet StudiVZ im Kampf gegen rechte Inhalte auf der Seite auch Filter. Der Ausdruck „NPD“ zum Beispiel ist bei der Gruppensuche gesperrt, Gruppen mit der Partei im Namen wie „Gegen NPD bei meinvz“ aber sind über Umwege ansteuerbar.

Mengele-Fans bei Facebook

Filter wären bei Facebook, dem großen Bruder von StudiVZ, nicht denkbar. Hier durften sich Nazis bis vor kurzem – sollten sie das Produkt eines Unternehmens aus den USA denn trotz ihres Antiamerikanismus nutzen wollen – nach Herzenslust austoben.

Dutzende Diskussionsgruppen und Fanseiten zu Hitler fanden sich auf der Plattform, der Auschwitz-Arzt Mengele fand genauso Bewunderer wie Hermann Göring oder die Waffen-SS, die von Nutzern aus aller Welt mit Lobeshymnen versehen wurde. Bis diese Seiten vor kurzem gelöscht wurden, störte sich Facebook offenbar nicht an den Inhalten ihrer Seite, obwohl diese teilweise gegen geltendes deutsches Recht verstieß.

Die Löschungen haben vor allem finanzielle Gründe: Zwar gaben Unternehmenssprecher schon früher zu Protokoll, Facebook reagiere auf User-Meldungen über rechtsextremistische Umtriebe auf der Seite schnell, nur ließ sich diese Praxis nicht in der Realität verfolgen. Auf User-Anfragen reagierte Facebook meist schlichtweg nicht.

Hitler gelöscht

Als, ausgelöst durch das Blog „boocompany“, jedoch kürzlich ein Aufschrei durch die Bloggerszene ging und auch die deutschsprachige Presse ausführlich über Facebook-Nazis berichtete, kündigten verschiedene Unternehmen wie die Telekom an, bei der Plattform künftig keine Werbung mehr schalten zu wollen. Innerhalb nur weniger Tage ließ sich daraufhin beobachten, dass das Facebook-Team durchaus in der Lage ist, den Inhalt seiner Seite zu filtern. Hitler, Göring und Mengele-Gruppen wurden gelöscht. Nur die Fanseite des Hitler-Hundes Blondi gibt es noch. Und die der NPD – immerhin mit rund 250 Mitgliedern.

Doch offensichtlich geht es Facebook nicht um die Inhalte, sondern um das Wohlbefinden seiner Werbekunden.

Arne Semsrott

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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