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Rechtspopulismus in Europa „Keine Koalitionen bilden, Zeichen setzen“

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(von links): Prof. Cas Mudde, Prof. Hajo Funke, Fabio Ghelli (Mediendienst Integration), Prof. Andreas Zick (per Skype) (Quelle: Netz gegen Nazis)

von Johanna Voß

Beim Expertengespräch „Rechtspopulismus in Deutschland und Europa“ des Mediendienst Integrations am 29.05.2015 in Berlin diskutierten und informierten dazu  Professor Cas Mudde, Politikwissenschaftler und international führender Experte zu Rechtspopulismus aus den Niederlanden, Professor Hajo Funke, emeritierter Politikwissenschaftler der Freien Universität Berlin  und Rechtsextremismus-Experte, und  Professor  Andreas Zick, Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung  der Universität Bielefeld.

„Rechtspopulismus ist kein neuartiges Phänomen in Europa, diesmal erstarkte er mit der abflauenden Krise“

Rechtspopulistische Parteien konnten in den letzten Jahren verstärkt Wahlerfolge verzeichnen. Aber warum gerade jetzt? Und welche Strategien waren für die Erfolge ausschlaggebend?  Es ließe sich vermuten, dass die Rechtspopulist_innen während der Eurokrise mit ihren euroskeptischen Parolen Wähler_innen für sich gewinnen konnten. Dies ist allerdings nicht der Fall, erklärte Prof. Dr. Andreas Zick: Das Erstarken der rechtspopulistischen Parteien begann erst mit dem Abflauen der Wirtschaftskrise. Warum? Während der Krise bieten diese Parteien keine ausreichenden Lösungen für soziale Probleme an und stellen somit noch keine „Alternative“ zu den Parteien der Mitte da. Nach der Krise jedoch, so Zick, verbreiten rechtspopulistische Parteien „beim Volk“ das Gefühl, abgehängt zu werden und bei dem Aufschwung nicht zu denjenigen zu gehören, die profitieren, sondern als Verlierer dazustehen – und so gelangen sie zu Popularität.

Weiterhin haben nach Zick gezielte Propaganda-Strategien zum Erfolg der rechtspopulistischen Parteien geführt. Oftmals greifen jene Parteien ein vorherrschendes Gefühl von Ohnmacht auf und stellen sich als einziges Sprachrohr der „einfachen Menschen“ dar, ganz nach dem Motto „Wir sind das Volk“. Gleichzeitig wird das „Meinungsdiktat der herrschenden Elite“ in Frage gestellt  und das Gefühl vermittelt, dass mit der Maxime der „politischen Korrektheit“ abweichende Meinungen verboten würden. Eine weitere Waffe in ihrem Repertoire ist die Hetze gegen „Ausländer_innen“.  In ihren Parteiprogrammen wettern Rechtspopulist_innen gegen „Überfremdung“ und die „hohe Ausländerkriminalität“. Dabei spielt besonders in West-Europa das Feindbild Islam eine übergeordnete Rolle. „Der Islam“ wird als rückständig, nicht aufgeklärt und mit „unseren demokratischen Werten“ unvereinbar dargestellt.

Zur zukünftigen Entwicklung meint Andreas Zick: „Obwohl sich rechtspopulistische Gruppen oft selbst zerlegen, da sie zu Korruption neigen, bergen sie doch noch Potenzial zu wachsen, da Nicht-Wähler ein ähnliches Profil wie Sympathisanten von Rechtspopulisten haben.“ Steigbügelhalter könnten dabei Medien sein, die mit dem provokanten Auftreten rechtspopulistischer Politiker_innen Quote machen wollen und diesen dadurch verstärkt Aufmerksamkeit verschaffen. 

“Putting things in the right perspective”

Als ein „politisches Erdbeben“ würde Prof. Dr. Cas Mudde die Wahlerfolge der Rechtspopulist_innen bei der Europawahl 2014 eher nicht beschreiben. Er relativiert die Bedeutung der rechtspopulistischen Parteien: „Selbst wenn sie bei den Wahlen zum EU-Parlament gut abschneiden konnten, haben sie es nicht geschafft, eine eigene Koalition zu bilden. Außerdem werden wichtige Entscheidungen nicht allein vom Parlament getroffen, die Kommission, der EU-Ministerrat und der Europäische Rat der Staatschefs, welche von den nationalen Wahlen abhängen, sind immer noch entscheidender. Und bei den nationalen Wahlen waren rechtspopulistische Parteien eher wenig erfolgreich“.

Überdies ist Rassismus, so Mudde, ein Problem, das nicht erst durch das Aufkommen rechtspopulistischer Parteien entstanden ist, sondern nur von ihnen aufgegriffen wird. Aus diesem Grund sei es auch wichtig, Gruppierungen wie Pegida und der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem Parteien der Mitte informieren und Probleme rechtzeitig ansprechen, damit es nicht so scheint, als ob erst Pegida kommen müsse, um dies zu tun. In diesem Zusammenhang betont Mudde auch, dass er eine Demokratie dann für am stärksten hält, wenn jeder sagen kann, was er möchte, denn dann sieht man, wie eine Gesellschaft aufgestellt ist und kann entsprechend reagieren.

„Ohnmacht macht anfällig für einfache Antworten“

Der AfD, analysiert Professor Hajo Funke, fehlt eine populäre Führungsfigur, die  das nationalkonservative Lager und das wirtschafts-liberale-euroskeptische Lager vereinen kann – und so ist sie auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit.  Viel gefährlicher sei es, dass sich im Schatten der Pegida-Bewegung rechtsextreme Kräfte breit gemacht haben und mehr Publikum gewinnen konnten. „Dadurch hat eine Pluralisierung im rechten Spektrum stattgefunden, die insbesondere für die Lage der Flüchtlinge gefährlich wird.“

Darüber, dass man angesichts der erstarkenden Rechtspopulist_innen nicht überreagieren sollte, ist sich Funke mit Mudde einig. Trotzdem sei es wichtig, sich mit den Rechtspopulist_innen eingängig auseinanderzusetzen, weshalb Funke noch einige konkrete Gegenstrategien vorschlägt, um zukünftige Wahlerfolge der Rechtspopulist_innen zu verhindern: „Die etablierten Parteien der Mitte dürfen keine Regierungskoalition mit den Rechtspopulisten eingehen. Sie müssen ein Zeichen setzen. Außerdem ist es entscheidend, das Ohnmachtsgefühl innerhalb der Bevölkerung zu bekämpfen. Hierfür müssen die Bürger ernst genommen werden und aktiv eingebunden werden. Weiterhin muss die Ankunft weiterer Flüchtlinge gut organisiert und moderiert werden und vor allem muss aktiv daran gearbeitet werden, Ressentiments gegenüber Flüchtlingen zu entlarven und abzubauen.“

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