Hoyerswerda, die 30.000 Einwohner große Kreisstadt in Sachsen ist vielen wohl noch ein Begriff, wegen der rassistischen Ausschreitungen Anfang der 90er Jahre. Und offenbar hat sich an der Grundstimmung in der sächsischen Kleinstadt bis heute wenig geändert: Bei den Kommunalwahlen am 26. Mai wurde die AfD mit 26 Prozent der abgegebenen Stimmen stärkste Kraft vor der CDU (21 Prozent). Erstmals wurde mit Toni Schneider ein aktives Mitglied der vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“ hier mit einem Mandat ausgestattet und sitzt fortan im Stadtrat und das, obwohl bereits im Vorfeld über ihn berichtet wurde.
„Altstadtrevolte Bautzen“: IB-Aktivist Toni Schneider
Ob bei Infoständen der IB in Dresden oder bei Aktionen in Bautzen – stets fühlt sich Toni Schneider bei Auftritten und in der Nähe der „Identitären“ wohl. Er gehört zum Kern der IB-Gruppe in Bautzen, die mittlerweile „Altstadtrevolte Bautzen“ heißt, bestätigten uns Szenekenner vor Ort. Auch auf dem „Festival Europa Nostra“ der IB – das jedoch mehr von einer drögen Politikwerbeveranstaltung hatte, als von einem Festival – war Schneider neben Götz Kubitschek und Martin Sellner unter seinen Kamerad*innen. Er kam jedoch nicht als einfacher Besucher, sondern war an diesem Tag personell als Ordner eingebunden.
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Schneider als Ordner auf dem „Festival Europa Nostra“ der IB (Quelle: Thomas Witzgall)
Laut Indymedia ließ Schneider es sich auch nicht nehmen, zur größten Mobilisierung der extremen Rechten 2018 nach Chemnitz zu fahren. Nur wenige Tage später wurde der IB-Aktivist als Ordner der AfD eingesetzt.
Bei den „Identitären“ handelt es sich mitnichten um ein paar harmlose Rechte in einer Politikbewegung, sondern um stramme Rechtsextreme mit verankertem Weltbild – auch wenn Aktivist*innen stets bemüht sind, dem zu widersprechen. Ihre Ideologie diente als Vorlage für den Rechtsterroristen Brenton Tarrant, der aus rassistischen Gründen am 15. März 2019 im neuseeländischen Christchurch 51 Menschen muslimischen Glaubens tötete.
IB-Aktivist trotz Unvereinbarkeitsbeschluss für die AfD im Stadtrat
Während in Österreich derzeit eine Prüfung eines Verbots der Gruppe läuft, wurde in Sachsen nun der erste rechtsextreme IB-Aktivist mit einem AfD-Mandat ausgestattet – und das obwohl eigentlich immer noch ein Unvereinbarkeitsbeschluss zwischen „Identitärer Bewegung“ und AfD gilt. Wegen unzähliger Verstößen ist der Beschluss in der Praxis jedoch bedeutungslos: AfD-Politiker*innen laden IB-Aktivist*innen wie Martin Sellner zu bezahlten Vorträgen ein oder beschäftigen sie als Fraktionsmitarbeiter*innen. Besonders die JA fällt immer wieder wegen ihrer (auch ideologischen) Nähe zur IB auf. Neu am aktuellen Fall ist jedoch, dass mit Toni Schneider erstmals ein IB-Aktivist gewählt wurde. Und das obwohl Schneider kein Geheimnis aus seiner rechtsextremen und zumindest im Ansatz revisionistischen Einstellung macht.
Ist Toni Schneider ein Fan der antisemitischen Rechtsrockband „Stahlgewitter“?
Am 25. April postete er etwa auf Instagram ein Bild von sich mit perfekt sitzendem Seitenscheitel, dazu zitiert er einen Song der rechtsextremen Band „Stahlgewitter“. „Stahlgewitter“ gehören zu den populärsten Gruppen der rechtsextremen Szene und decken in ihren Texten alle klassischen Motive des Rechtsrocks ab. Die Band sieht sich selbst „im Kampf gegen ZOG“. (ZOG: Neonazicode für „zionist occupied government“), huldigen den heutigen Neonazis als „politischen Soldaten“ (wie einst die SA), wünschen „Ruhm und Ehre der deutschen Wehrmacht“ oder besingen die „Achtundachtzig“ (ein Neonazikürzel für „Heil Hitler“). Die 1995 gegründete Band mit den Neonazis Frank Krämer und Daniel „Gigi“ Giese, tritt häufig auf „Blood & Honour“-Konzerten auf. Daniel Giese ist außerdem der Kopf einer Band, die den Song „Döner Killer“ veröffentlichte. In diesem Lied wird eine brutale Mordserie auf widerwärtige Art und Weise begeistert gefeiert – eine Anspielung auf den NSU lange vor dessen Aufdeckung.
Zwar können wir nicht belegen, dass Schneider ein Fan dieser Band ist, sehr wahrscheinlich kennt er jedoch die Musik dieser Neonazi-Band wenn er so textsicher ist und den Inhalt dieses rechtsextremen Liedes so wichtig findet, dass er ihn als Text unter sein Portrait legt.
Schneider zu Besuch auf antisemitischer und geschichtsrevisionistischer „Gedenkstätte“
Zudem postete Schneider unlängst ein Bild von sich in der „Gedenkstätte“ Guthmannshausen vor schweren Steinen mit geschichtsrevisionistischer Inschrift. Der „Gedächtnisstätte e.V.“ leitet diese Immobilie. Gegründet wurde der Verein unter anderem von Holocaust-Leugner*innen wie Ursula Haverbeck-Wetzel. Der niedersächsische Verfassungsschutz schreibt über den Verein, er versuche durch „die Relativierung der Opfer des NS-Regimes […] eine Revision der Geschichte zu betreiben“. Laut Verfassungsschutzbericht ist der Verein klar antisemitisch und rechtsextrem ausgerichtet.
Laut „mobit“ ist das „Rittergut“ in Thüringen ein bundesweit bedeutender Treff für Geschichtsrevisionist*innen, Holocaust-Leugner*innen, völkische und militante Neonazis. Monatlich finden Veranstaltungen für die Szene statt. Das Haus bietet beste Voraussetzungen für ungestörte Treffen. Doch selbst für die so skandalerprobte AfD ist „Gedächtnisstätte e.V.“ offenbar eine heikle Angelegenheit. Die damalige AfD-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein, Doris von Sayn-Wittgenstein, wurde im Dezember 2018 aus der Landtagsfraktion geworfen, nachdem bekannt geworden war, dass sie schon 2014 um Unterstützung für den Verein geworben hatte.
„Das Jahrhundert des Kapitalismus, das Jahrhundert der Lüge und der Ausbeutung neigt sich unweigerlich seinem Ende zu. Trotzdem bedarf es weiterer Anstrengungen in der Aufklärung, um die Hintergründe der jetzigen Entwicklung in Deutschland und Europa aufzuzeigen. Es ist ja kein Zufall, daß Menschenmassen unser Land wie bei einer Invasion besetzen. Man hat aus den letzten Kriegen gelernt. Ein zerstörtes Land kann man wieder aufbauen, ein zerstörtes Volk nicht! Multikulti ist ein Vernichtungsprogramm der Neuen Weltordnung (NWO).“
(Aus der Jubiläumsbroschüre des Gedächtnisstätte e.V. vom 05.08.2017)
Unter Freunden mit dem “Volkslehrer”
Doch das blieb nicht Schneiders einziger Ausflug zu Neonazi-Pilgerstätten. Im Herbst letzten Jahres besuchte Schneider eine völkische Inszenierung von Wilhelm Tell in Bischofswerda. Die Aufführung zog rund 800 Personen der völkisch-nationalistischen Rechten aus dem ganzen Bundesgebiet an. Das braune Theater-Event galt offenbar als Vernetzungstreffen der verschiedenen rechtsextremen Milieus. Und auch Schneider traf auf einen Gesinnungsgenossen, auf den antisemitischen und rassistischen Youtuber Nicolai Nerling, auch bekannt als „der Volkslehrer“. Mit ihm ließ sich Schneider dann auch fotografieren und kommentierte das Ganze mit „unter Freunden“.
Update: Auch der IB-Aktivist Paul Neumann in der Oberlausitz hat einen Platz für die AfD im Kreistag und Stadtrat Bautzen bekommen.