Am Wochenende wollte die rechtsextreme Szene eigentlich ihren Hass auf dem zweitägigen Rechtsrock-Event „Rock gegen Überfremdung III“ in dem kleinen Ort Magdala in Thüringen feiern. Bis zu 4.000 Neonazis hätten es werden können, die zu den grässlichen Klängen von „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“, „Stahlgewitter“ und „Die Lunikoff Verschwörung“ abgeschirmt in einem Zelt auf einer Wiese ausgelassen „abhitlern“.
Anmelder Steffen Richter (Bildmitte)
Für die Neonazis kam es anders als geplant: Am Freitag, der 5. Oktober um 15.45 Uhr wurde ihnen per einstweiliger Verfügung verboten den einzigen Zufahrtsweg zu ihrem Veranstaltungsort zu nutzen. Die Organisatoren hatten 15 Minuten, um leichtes Gepäck vom Veranstaltungsort mitzunehmen das ganze Equipment mussten sie dort lassen. Die „Turonen“, eine rechtsextreme Gruppe die das Event gemeinsam mit NPD-Mann Sebastian Schmidtke veranstaltete, verlegt das Konzert spontan auf den Marktplatz von Apolda, auch hier hatten sie vorsorglich eine Veranstaltung angemeldet. Ziemlich improvisiert und mit schlechtem Sound fanden sich hier am Freitag knapp 750 Rechtsextreme ein.
1.v.l.: NPD-Politiker aus Berlin Sebastian Schmidtke; 1.v.r.: NPD-Politiker mit Auschwitz-Tatoo auf dem RückenMarcel Zech, Mitglied der rechtsextremen Gruppe „Barnimer Freundschaft 25“
Von Magdala, nach Apolda, nach Kirchheim, nach Apolda
Am Samstagmorgen kam dann die Information vonseiten der Veranstalter, dass das Konzert am in einem Szenetreffpunkt in Kirchheim, ebenfalls Thüringen, weitergehen soll. Doch auch daraus wurde nichts, da die Organisatoren die Anmeldefrist der Ersatzveranstaltung nicht eingehalten hatten. Und so ging es nun doch wieder auf den Marktplatz von Apolda.
Neonazis die auf den Markt wollen
Buntes Herbstfest blockiert braunes Konzert
Der Marktplatz in Apolda war am Samstag jedoch zum Großteil durch ein Herbstfest eines bunten Bündnisses der Zivilgesellschaft mit rund 500 Gegendemonstrant*innen belegt. Die zum Teil überregional und aus Polen, Schwede,n der Slowakei und der Schweiz angereisten Neonazis durften den Platz nicht betreten. Gegen Nachmittag begann die Polizei ein kleines Areal des unteren Marktplatzes mit Polizeigittern abzusperren. Eine Sitzblockade in der Mitte des Gitters wurde von den Beamt*innen recht friedlich aufgelöst.
Sitzblockade
Mittlerweile hatte sich bereits ein recht großer aggressiver braune Mob am Eingang zum Markt versammelt und krakelte die üblichen Neonazi-Sprüche. Mehrfach wurde der Hitlergruß gezeigt.
Aggressive Neonazis vor dem Marktplatz in Apolda
Schließlich wurden die Rechtsrock-Fans einzeln, nach gründlicher Kontrolle auf das abgesperrte Gelände gelassen. Wie im Zoo, wurden die Neonazis nun langsam auf ihr Areal gelassen, unter Beobachtung der Presse und zahlreicher Gegendemonstrant*innen. Für die überwiegend männlichen, glatzköpfigen Männer gab es weder einen Getränkestand noch Toiletten, noch Musik.
Als schließlich das Equipment für eine provisorische Mini-Bühne angefahren wurde, jubelte die trotzdem größtenteils betrunkene Menge. Gegen 19 Uhr begann schließlich das Konzert mit der Band „Übermensch“. Im abgegitterten Bereich kam jedoch nicht so richtig Stimmung auf. Doch dem braunen Mob, der bisher noch nicht ins Innere des Gitters gelangt war, weil die Personenkontrollen am Einlass schließlich sehr gründlich waren, schien das egal: Spontan versuchten die Neonazis die Polizeikette zu stürmen, um nach dem langen Warten nun endlich ihr Konzert genießen zu können. Es kam zu einer heftigen Auseinandersetzung. Die Neonazis warfen mit Flaschen und Steinen auf die Beamt*innen. Auch die rechtsextremen Teilnehmer*innen im inneren des Kessels gingen die Polizist*innen an. Diese reagierte mit dem großzügigen Einsatz von Pfefferspray. Acht Beamt*innen wurden verletzt.
„Irgendwann würdet ihr euch wünschen, wir hätten nur Musik gemacht“
Gepfefferte Neonazis im Inneren stürmten zu einem kleinen Brunnen, um sich die Augen auszuwaschen.
Die Polizei bereitete sich unterdessen auf die Auflösung der Veranstaltung vor. Dem kam der Mitorganisator Sebastian Schmidtke zuvor. Er verkündete die Auflösung: „Wir tun uns diese Scheiße hier persönlich nicht mehr an. Was dieser Staat hier von sich gibt, da kann man zum Ende nur noch sagen: Irgendwann würdet ihr euch wünschen, wir hätten nur Musik gemacht“. Die Neonazis mussten schließlich noch einige Zeit in ihrem Kessel bleiben, bis sie von der Polizei weg eskortiert wurden.
„Rock gegen Überfremdung III“ wird zum total Reinfall
Ursprünglich hätte „Rock gegen Überfremdung III“ bereits Ende August in Mattstedt (Thüringen) stattfinden sollen. Per einstweiliger Verfügung konnte auch damals das Rechtsrock-Event wenige Stunden vor Beginn untersagt werden. Die Karten, die immerhin um die 35 Euro kosteten, behielten ihre Gültigkeit. Die damaligen Anfahrtskosten und Hotelrechnungen der angereisten Neonazis wurden natürlich nicht erstattet. Dementsprechend gereizt war damals schon die Stimmung innerhalb der Szene. Das jetzige Event sollte dementsprechend eine Wiedergutmachung sein und wurde auf zwei Tage verlängert. Doch das konsequente Vorgehen der Gemeinden, Politik und der Zivilgesellschaft hat „Rock gegen Überfremdung III“ zu einer Katastrophe für die Organisator*innen gemacht.
Das Herbstfest auf dem Marktplatz von Apolda
Der Imageschaden der „Turonen“ und Schmidtkes wird schwer zu beheben sein. Aber auch auf finanzieller Ebene war das Wochenende ein völliges Desaster für die Rechtsextremen. Dienen solche Events doch dazu, Geld für die Szene zu sammeln, beispielsweise um Anwaltskosten für straffällige „Kameraden“ einzusammeln. Dieses Wochenende wird ein Minus-Geschäft gewesen sein. Schließlich gab es keine Einnahmen, weder durch eine Abendkasse, noch durch Merchandise oder Essens- und Bierstände. Die Frustration innerhalb der Neonazi-Szene wird groß sein und es bleibt zu hoffen, dass sie in Zukunft von neofaschistischen Großevents absehen wird.
Die Gegendemonstrant*innen am Abend
Thüringen macht vor wie es geht
Gemeinsam mit Politik, Zivilgesellschaft und Behörden ist Thüringen hier ein Paradebeispiel gelungen, wie man es den Neonazis so ungemütlich wie möglich machen kann. Hat letztes Jahr noch die vereinigte rechtsextreme Szene im thüringischen Themar ihre Macht demonstriert, war es nun die demokratische Zivilgesellschaft die zusammenstand und den Faschist*innen den Raum genommen hat. Thüringen hat vorgemacht wie man mit solchen großen menschenverachtenden Events umgehen muss, um sie zu verhindern. Vielleicht wird auch Sachsen für die kommenden Events „Kampf der Nibelungen“ (13.10.2018) und „Schild und Schwert Festival“ (2. und 3. November) aus dem Vorgehen in Thüringen lernen.
Unsere Bilder aus Apolda