Am Mittwochmittag zog die Polizei Bilanz: In mehreren Bundesländern seien bei 204 Beschuldigten rund 45.000 Tonträger beschlagnahmt worden, sagte der für die Razzia zuständige Leiter der Staatsanwaltschaft Stuttgart, Siegfried Mahler, in Stuttgart. Außerdem stellten die Ermittler 173 Computer und rund 70 Waffen sicher.
Ausgangspunkt sei die Internetplattform ‚unserauktionshaus.de‘ eines 34-jährigen Mannes aus Baden-Württemberg gewesen. Seit 2007 hätten die Ermittlungsbehörden die gesamte Vertriebsstruktur beobachtet. Mit dem Verkauf der Tonträger werde jährlich ein Umsatz von mehreren Millionen Euro erzielt.
Carsten Voß vom Bundeskriminalamt (BKA) sagte, Musik und Konzerte seien der Einstieg, „das ideologische ideologische Anfixen“ junger Menschen, um sie in die rechte Szene hineinzuziehen. „Es ging vor allem darum, die ganze Vertriebsstruktur aufzudecken“, sagte Voß. Ziel der Durchsuchungen seien die Verkäufer von Tonträgern, deren Inhalt aggressiv, fremdenfeindlich, antisemitisch und antidemokratisch sei. „Der bloße Kauf ist nicht strafbar, aber der Verkauf“, ergänzte Mahler. Die Ermittlungen dauerten an. Einen Haftbefehl gebe es noch nicht.
Norbert Walz vom Polizeipräsidium Stuttgart sagte, die Beschuldigten seien zwischen 21 und 45 Jahre alt. Sie stammten aus allen sozialen Schichten. Mit dem Einsatz wollten die Strafverfolgungsbehörden vor allem junge Menschen sensibilisieren, nicht alles, was möglich ist, im Internet herunterzuladen, sagte Mahler. Das Polizeipräsidium Stuttgart hatte in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft und dem BKA den Einsatz zentral geleitet. Betroffen waren aber alle Bundesländer. So wurden in Brandenburg 17 Wohnungen durchsucht, in Sachsen-Anhalt 16 und in Sachsen sogar 25.
Beschlagnahmter Server als Fundgrube
Beschlagnahmt wurde Hassmusik von Bands wie „Landser“, „Skrewdriver, „Brutal Attack“, „Noie Werte“ und „Kampfzone“. Die Beamten nahmen auch 455 Propagandaschriften und 53 braune Devotionalien, darunter Uniformteile mit Nazisymbolen mit. Die Ersthinweise auf „UnserAuktionshaus.de“ hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz gegeben. Die Handelsplattform existiert bereits seit 2001. Sicherheitsexperten berichteten dem Berliner ‚Tagesspiegel‘ am Mittwoch, die Zahl der Zugriffe auf „UnserAuktionshaus“ liege bei zwei Millionen. Die Razzia gegen das Unternehmen war dort nicht die erste Polizeiaktion. Ihr ging eine Durchsuchung im September 2007 voraus, bei der dem Betreiber der Plattform, dem Stuttgarter Neonazi D., der Server weggenommen wurde. Das BKA wertete dann rund 20 000 Auktionen aus, an der sich etwa 800 Nutzer beteiligt hatten. Außerdem mussten sich die Beamten mit den bei der Razzia sichergestellten 10 000 Tonträgern befassen.
Europaweiter Handel
Gegen die jetzt beschuldigten mehr als 200 Personen im Alter zwischen 21 und 45 Jahren wird wegen des Verdachts auf Volksverhetzung, Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und andere Delikte ermittelt. Außerdem hat die Szene den wichtigsten Marktplatz im Internet verloren – auch wenn auf der Homepage von „UnserAuktionshaus“, mit der Eigenwerbung „das erste nationale Auktionshaus mit über 2500 Benutzern“, noch verkündet wird: „Das Original kommt wieder“. Diese Sorge räumten auch die zuständigen BKA-Experten ein. Solange europaweit dem Thema nicht Aufmerksamkeit gewidmet werde, würden immer mehr Händler „ihren braunen Schund“ von Nachbarländern aus betreiben.
Die Ermittler feierten ihre Aktion dennoch als großen Erfolg. „Einen solchen strukturierten Einsatz gegen rechte Musik hat es in der Bundesrepublik noch nicht gegeben“, sagte Carsten Voß vom BKA. Er kündigte weitere Ermittlungen als Warnung an die rechte Szene an. Auch der Stuttgarter Oberstaatsanwalt Siegfried Mahler sprach von „Prävention“ und „Abschreckung“. Musik sei ein wesentlicher identitätsstiftender Faktor der rechten Szene, sagte er. „Sie ist ihr verbindendes Element.“ Vor allem diene sie zur Rekrutierung neuer Anhänger, Musik sei das „Tor in die Szene“.
Quellen: Keven Nau /Reuters/Tagesspiegel/taz/BKA u.a.m.
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).