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Rechtsrock & Rechtsterror – Teil 6 „Erschießungskommando“ & Co

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Collage aus unterschiedlichen Materialien der "Turonen". (Quelle: TB)

Die extrem rechte, 2015 gegründete „Bruderschaft Thüringen“ (bzw. „Turonen/Garde 20“) ist ein zentraler Akteur im deutschsprachigen Rechtsrock-Business. Sie war maßgeblich in die Organisation der beiden Konzerte mit ca. 5.000 Neonazis in Unterwasser (St. Gallen/Schweiz, 15.10.2016) und ca. 6.000 Neonazis in Themar (Lkr. Hildburghausen/Thüringen, 15.07.2017) involviert. Nach Einschätzung der Mobilen Beratung in Thüringen (MOBIT) sind die „Turonen/Garde 20“ bzw. „Bruderschaft Thüringen“ einer der Hauptakteure im Bereich Rechtsrock in den vergangenen Jahren gewesen; sie sind weitreichend vernetzt und gefährlich. Die Musik, die in den Zusammenhängen der extrem rechten Bruderschaft produziert wird, ist ein Bekenntnis zu „Blood & Honour“ (B&H) und „Combat 18“ (C18) und zugleich erschreckender Ausdruck von tödlicher Gewaltbereitschaft. Teil 6 der Reihe „Rechtsrock & Rechtsterror“ gibt – abseits von „Sonderkommando Dirlewanger“ (Teil 5) – einen prägnanten Überblick, welche Projekte in den Zusammenhängen der „Turonen/Garde 20“ entstanden sind.

„TreueOrden“

Die fünf Mitglieder der Rechtsrock-Band „TreueOrden“ sind zwischen Anfang 30 und Mitte 40 und wohnen in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Der mutmaßlich führende „Turone“ und Schlagzeuger von „Sonderkommando Dirlewanger“, Thomas Wagner, ist der Bandleader. „TreueOrden“ hat in den vergangenen Jahren einige Auftritte zu verzeichnen. Sie spielte u.a. im Rahmen der beiden „Rock gegen Überfremdung“-Konzerte in Kirchheim (Ilm-Kreis/Thüringen, 20.08.2016) und Themar (Lkr. Hildburghausen/Thüringen, 15.07.2017). Die Antwort auf eine Kleine Anfrage (Drucksache 6/6481) der Thüringer Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss (Die Linke) ergab, dass Wagner am 11. August 2018 eine „TreueOrden-Abschiedsparty“ in Kirchheim organisierte – da er seinen Haftantritt im „Ballstädt-Prozess“ erwartete. Der Haftantritt blieb aus, „TreueOrden“ wurde für ein klandestines C18-Konzert am 23. März 2019 in Mücka (Lkr. Görlitz/Sachsen) angekündigt (Drucksache 6/7410). Im selben Jahr veröffentlichte die Band das Lied „Niemand geht alleine“ auf einem „Combat 18 Deutschland“-Sampler.

Anfangs versuchte „TreueOrden“ den Eindruck zu erwecken, sie sei eine Rechtsrock-Band aus der Schweiz. So prangte die Schweizer Flagge auf dem Cover des ersten Tonträgers „SA voran“ (2011). Der antifaschistische Blog „Don’t call it music!“ stellte die treffende Frage: „Seit wann liegt Thüringen in der Schweiz?“ Zwar ist „TreueOrden“ im Kern eine Thüringer Band, aber die engen Kontakte in die Schweiz spielen für die Aktivitäten der Band eine wichtige Rolle. Der „TreueOrden“-Gitarrist soll gute Kontakte zur Schweizer Rechtsrock-Band „Amok“ um Sänger Kevin Guttmann unterhalten. Die Behauptung, die Band komme aus der Schweiz, könnte eine bewusste Täuschung gewesen sein, um eine strafrechtliche Verfolgung zu vermeiden. 2017 besingt „TreueOrden“ das „Gelbe Haus“ in Ballstädt (Lkr. Gotha/Thüringen). Es heißt: „Schau im Dorf, da steht ein Haus | Das sieht gewöhnlich aus | Doch es ist böse, es ist gelb | Medialer Mittelpunkt der Welt“. In der extrem rechten Immobilie befindet sich ein Tonstudio – das zur Produktion zahlreicher Tonträger dienen dürfte.

„Erschießungskommando“

Die Rechtsrock-Band „Erschießungskommando“ ist vermutlich ein Gemeinschaftsprojekt aus Thüringer und Schweizer Neonazis. Ob „SKD“/„TreueOrden“-Schlagzeuger Thomas Wagner und „Amok“-Sänger Kevin Guttmann zur Band gehören, konnte noch nicht endgültig bewiesen werden. Das Format „STRG_F“ geht der Frage, wer in der Band spielt, in einer aktuellen Folge nach. Die erste CD „Todesmarsch“ erschien 2013. Sie enthält neben einem Cover des antisemitischen „SKD“-Liedes „Hängt sie auf!“ ein offenes Bekenntnis zum internationalen B&H/C18-Netzwerk: „Wir sind Blood & Honour, führertreu und militant | Unsere arische Bewegung reicht schon heut‘ in jedes Land | So stehen unsere Krieger von Stockholm bis nach Wien | Kampftruppe Adolf Hitler – Combat 18“. Das Lied „Wir sind Blood & Honour“ richtet offene Vernichtungsdrohungen gegen Jüdinnen und Juden: „Bald werdet ihr spüren, welch‘ Schlagkraft in uns steckt | Die Waffen im Anschlag, den Feind im Visier“.

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Drei Jahre später, 2016, erschienen die beiden CDs „Blut & Ehre“ und „Sieg oder Tod“. Die offenen Mordaufrufe setzten sich fort, z.B. singen die Musiker im Lied „White Power“: „Das Erschießungskommando wird jeden erschießen | Wir sind wenige und ihr seid viele | Aber glaubt uns, wir haben genügend Projektile“. Das Lied „C18“, das an Lieder der Rechtsrock-Bands „Oidoxie“ und „Weisse Wölfe“ erinnert, lieferte ein erneutes Bekenntnis zum B&H/C18-Netzwerk. Selbst, nachdem „Erschießungskommando“ zum Mord an einer aktiven Politikerin – der Thüringer Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss (Die Linke) – und ihrem Vater aufrief, blieben strafrechtliche Konsequenzen gegen die Mitglieder der Rechtsrock-Band aus. In dieser Zeit veröffentlichte „Preussen Standarte“ auf ihrer CD „Der Untergrund marschiert“ (2016) eine „Ode an Erschießungskommando“.

Am 02. Juni 2019 erschoss der Neonazi Stephan Ernst, der sich möglicherweise über Jahre hinweg im Umfeld des B&H/C18-Netzwerks bewegte, den Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke auf der Terrasse seines Wohnhauses. Rund anderthalb Monate zuvor, am 12. April 2019, erschien die neue CD „Henkerszeit“. Retrospektiv betrachtet, lieferte die Band eine Art Drehbuch für die Tat:

„Wenn es dunkel wird im Land | Bleibt der Killer unerkannt | Er schleicht sich lautlos an das Haus | […] | Bald da wird ein Leben enden | In den eigenen vier Wänden | Das Opfer ahnt nicht sein Bestreben | Es wird keine Rettung geben | Kühl im Kopf, handelt besonnen | Kein Opfer ist ihm je entkommen | Weißer Stolz, weiße Kraft | Ein Mann, der keine Fehler macht | Der Totenkopf am schwarzen Hemd | Schnellfeuerwaffen schallgedämpft | C18! Heil Combat 18!“

Im Titellied amüsieren sich die Musiker über das Versagen des Staates: „Habt ihr gedacht, eure Paragraphen, eure lächerlichen Strafen, könnten uns zur Umkehr zwingen, könnten uns zum Schweigen bringen?“ Aber: Die Mitglieder haben wegen ihren Aktivitäten in der Band keine „lächerlichen“, sondern gar keine (!) Strafen bekommen. Dass Strafen gegen extrem rechte Bands durchaus möglich sind, zeigen die zwei Verbote gegen „Landser“ (Berlin/Brandenburg, 2003) und „Race War“ (Baden-Württemberg, 2006) nach §129 StGB (Bildung einer kriminellen Vereinigung).

Namen, die Bände sprechen: „Hass im Kopf“, „N.A.Z.I.“, „Unbeliebte Jungs“, …

Neben „SKD“, „TreueOrden“ und „Erschießungskommando“ sind weitere Projekte, die mutmaßlich in den Zusammenhängen der extrem rechten „Turonen/Garde 20“ entstanden sind, von Bedeutung. Folgende sind besonders relevant:

  • Die Rechtsrock-Band „Unbeliebte Jungs“ hat bereits mehrere Tonträger veröffentlicht. Sie tritt regelmäßig in Thüringen und gelegentlich außerhalb des Bundeslandes auf. Beispielsweise spielte sie im Rahmen der „TreueOrden-Abschiedsparty“ (11.08.2018) in Kirchheim und der „Tage der nationalen Bewegung“ (06.07.2019) in Themar. Aber der Auftritt in Südthüringen wurde wegen Auflagenverstößen unterbrochen, die Band wurde von der Versammlung ausgeschlossen. Mehrere Mitglieder von „Unbeliebte Jungs“ stehen anlässlich des brutalen Überfalls auf die Ballstädter Kirmesgesellschaft vor Gericht. Laut EXIF pflegt das Bandmitglied Marcus Rußwurm intensive Kontakte in die Schweiz.
  • „N.A.Z.I.“ („Nordic AntiZionistic Incorporation“, deutsch: Nordisch-Antizionistische Vereinigung“) ist vermutlich ein Projekt von „Erschießungskommando“. Die CD „18 We Fight For You“ (2016) propagiert den Massenmord: „Ethnic cleansing, the only solution | Ethnic cleansing, white revolution“. Im Lied „Combat 18“ bekennt sich die Band zum internationalen B&H/C18-Netzwerk: „We’re fighting for Blood & Honour and our nation | We’re Combat 18, success or death is our motivation“. Am Projekt „Hitlers Elite Kommando“ sollen „N.A.Z.I.“-Musiker beteiligt gewesen sein. Es veröffentlichte die CD „Leibstandarte Norman Ritter“ (2018).
  • Bereits der Name des Rechtsrock-Projekts „Kommando S3“ deutet eine Zugehörigkeit zum Umfeld des „Gelben Hauses“ bzw. der „Kameradschaft Jonastal“ an: „S III“ war der Deckname eines geheimen Bauvorhabens des NS-Regimes. 30.000 KZ-Häftlinge sollten 1944/45 im Jonastal (Thüringen) das letzte „Führerhauptquartier“ errichten. „Kommando S3“ veröffentlichte bislang keine Tonträger, aber beteiligte sich mit dem Lied „Holocaust“ am „Combat 18 Deutschland“-Sampler (2019). Es sind mehrere Auftritte des Projekts dokumentiert. So spielten „Kommando S3“ und „N.A.Z.I.“ am 14. März 2015 gemeinsam mit „Kraftschlag“ und „Strafmass“ in Schweden. Laut „EXIF“ wurde das Konzert von „B&H/C18 Scandinavia“ veranstaltet.
  • „Hass im Kopf“, ein Gemeinschaftsprojekt der Rechtsrock-Bands „Sonderkommando Dirlewanger“, „TreueOrden“ und „N.A.P.O.L.A.“ (Thüringen), veröffentlichte 2016 die CD „Die Bombe tickt“. Die Musiker drohen im Titellied des Tonträgers: „Nennt uns fanatisch, nennt uns verrückt | Die Bombe tickt, die Bombe tickt, die Bombe tickt | Euch bringt sie das Ende, uns das lang ersehnte Glück“. Außerdem gründeten die Rechtsrock-Bands „TreueOrden“ und „Ostfront“ (Thüringen) das gemeinsame Projekt „Grosskaliber“. Die Band veröffentlichte die CD „Aus allen Rohren“ (2017).
  • „Mordkommando“ ist vermutlich ein Projekt von „Erschießungskommando“ und der Schweizer B&H/C18-Band „Amok“. Das Projekt veröffentlichte 2014 die CD „Schwarze Liste“, die zur Bombardierung Israels und des Züricher Bezirks Wiedikon („Kosher-City“) sowie zum Mord an Schweizer Persönlichkeiten aufrief. Eine Anzeige gegen die Band scheiterte, weil die Mitgliedschaften nicht geklärt werden konnten.

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OIDOXIE (final)

Rechtsrock & Rechtsterror – Teil 3 „Oidoxie“

„Oidoxie“ wurde 1995 in Dortmund (Nordrhein-Westfalen) gegründet. Bis heute ist der Gründer und Sänger Marko Gottschalk nicht nur die Führungsfigur der Band, sondern auch einer der einflussreichsten Neonazis Deutschlands im militanten Spektrum.

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