Einigen Teilnehmern war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, als ihnen in der Polizeikontrolle vor dem Eingang zum „Schild und Schwert“ Festival (SS-Festival) erklärt wurde, dass sie an dieser Stelle ihre mitgebrachten Alkoholvorräte abgeben müssten, da auf dem gesamten Veranstaltungsgelände Alkoholverbot herrsche. Bereits bevor die Anreise am Freitag richtig losging, hatte die Polizei auf dem Veranstaltungsgelände von Neonazi Thorsten Heise 4.200 Liter Bier beschlagnahmt. Das Technische Hilfswerk leistete Amtshilfe und entfernte die großen Mengen alkoholischer Getränke vom Gelände des „Hotel Neisseblick“.
Kein Bier für Nazis
Doch bereits am Samstag zeigte sich wie leicht das Alkoholverbot umgangen werden konnte. Immer wieder zogen Kleingruppen von Neonazis vom Festivalgelände zum nahegelegenen Supermarkt, um sich dort zu betrinken und kurz darauf teilweise sichtlich alkoholisiert wieder auf das Gelände gelassen zu werden. Anwohner*innen aus Ostritz und Umgebung versuchten daher schließlich die Biervorräte im örtlichen Supermarkt aufzukaufen und so den Neonazis ihre braune Party zu verderben.
Obwohl bereits im Vorfeld die Band „Frontalkraft“ abgesagt hatte und auch das Kampfsportevent „Kampf der Nibelungen“ auf Grund von fehlenden Kämpfern nicht stattfinden konnte, kamen laut Schätzungen der Polizei trotzdem rund 700 Teilnehmer*innen in das beschauliche Ostritz.
Besonderer Zuschauermagnet dürfte dabei die rechtsextreme Hooligan-Band „Kategorie C“ aus Bremen gewesen sein, die beim „Schild und Schwert“ ihr Abschiedskonzert spielten. Zudem traten auf dem Festival, das teilweise als politische Versammlung angemeldet war, über zehn weitere Bands auf. Im vorderen, als Privatveranstaltung deklarierten Bereich, gab es zudem Getränke- und Essensstände sowie mehrere Verkaufsstände rechter Kleidung. Neben Tommy Frenck aus Thüringen, hatten auch Patrick Schröder aus Bayern und die Marke „Black Legion Wear“ aus Cottbus ihr Stände aufgebaut. Dazwischen präsentierten sich der Stand der Zeitschrift „N.S. Heute“ des Dortmunder Neonazis Sascha Krolzig und der gemeinsame Stand der neonazistischen Kampfsportevents „Kampf der Nibelungen“ und „Tiwaz“, die von den jeweiligen Organisatoren aus Dortmund und Chemnitz betreut wurden.
Anreise aus ganz Deutschland und Europa
Zu dem zweitägigen Event in Ostsachsen reisten Teilnehmer*innen aus dem gesamten Bundesgebiet und aus Tschechien, Polen und Österreich an. Bei vielen der Neonazis waren Tätowierungen zu sehen, die die rechte Gesinnung zeigten und die teilweise den legalen Rahmen überschritten. So waren in Ostritz mehrfach verbotene Runen, SS-Totenköpfe oder nur schlecht abgeklebte Hakenkreuze zu sehen. Ein Video des „Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus“ zeigt, wie einem Teilnehmer sein Verband verrutschte, mit dem er seine verbotene Tätowierung überdecken wollte. Die Polizei nahm jedoch keine Anzeige auf und half dem Mann lediglich, den Verband wieder zu richten.
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Verbotener SS-Totenkopf
Für weitere Aufregung sorgte ein eingesetzter Polizist, der auf seiner Uniform zwei Abzeichen trug, die nicht zur offiziellen Dienstkleidung gehören. In letzter Zeit war immer wieder über rechte Gruppierungen innerhalb von Polizei und Bundeswehr berichtet worden. Die Polizei erklärte in ihrer abschließenden Pressemitteilung die Abzeichen des Polizisten seien überprüft worden und seien nicht strafrechtlich relevant. Was der Polizist mit seinen Abzeichen zum Ausdruck bringe wollte blieb offen.
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Polizist (links) mit fragwürdigen Abzeichen
Rechtsterroristische Verbindungen
Neben zahlreichen verfassungsfeindlichen Tattoos waren auch offen zur Schau getragene Bezüge zur rechtsterroristischen Vereinigung „Combat 18“ (C18) zu sehen. So fielen vor allem Mitglieder Neonazi-Bruderschaft „Brigade 8“ auf, die eng mit dem rechtsterroristischen Netzwerk verbunden sind.
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Mitglieder der „Brigade 8“. Auf dem blauen T-Shirt unter der Weste ist das Logo von „Combat 18“ zu sehen.
Wie die Rechercheseite „Exif“ berichtete, gab es bereits im März parallel zu einem Konzert in Ostritz ein konspiratives Neonazikonzert im ostsächsischen Mücka, an dem Mitglieder von „C18“ und der „Brigade 8“ teilnahmen. Laut einem Gutachten, dass das ARD-Magazin Monitor in Auftrag gegeben hatte, nahm an diesem Treffen auch der Tatverdächtige im Mordfall Lübcke Stephan E. teil. Wie der Spiegel am Montag jedoch berichtete, soll es sich hierbei um eine Verwechselung handeln.
Beim jetzigen „Schild und Schwert“ Festival war mit Lukas L. zudem auch ein Gründungsmitglied der rechtsterroristischen Vereinigung „Oldschool Society“ anwesend und war als Ordner mit verschiedenen Aufgaben betraut. L. stammt ursprünglich aus Kassel und ist auf Facebook mit dem Tatverdächtigen Stephan E. befreundet.
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Lukas L. in blauer Ordnerweste
Seit Jahren weisen Experten daraufhin, dass neonazistische Konzerte als Vernetzungstreffen für rechtsterroristische Gruppen dienen. Auch Veranstalter Thorsten Heise ist gut in die Kreise von „Combat 18“ vernetzt. Erst vor wenigen Wochen spielte beim von ihm organisierten „Eichsfeldtag“ die „C18“-Band „Oidoxie“. Zudem ist Heise mit dem Gründer des rechtsterroristischen Netzwerks William Browning befreundet.
Noch erschreckender ist vor diesem Hintergrund, dass Thorsten Heise in seiner Rede in Ostritz einem Journalisten des NDR-Magazins Panorama namentlich bedrohte: „Der Revolver ist schon geladen Herr …“, um die Morddrohung direkt danach wieder zu relativieren. Die Polizei leitete daraufhin Ermittlungen wegen Bedrohung gegen Thorsten Heise ein.
Friedensfest, Demonstration und Kunstaktion als Gegenprotest
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Gegenprotest
Während sich am Ortsrand die Neonazis trafen, protestierten bis zu 2.000 Menschen auf dem Ostritzer Marktplatz gegen das „Schild und Schwert“ Festival. Wie schon im vergangenen Jahr fand dort ein Friedensfest statt, auf dem es neben Essen und Getränken ein breites Programmangebot für Kinder und Jugendliche gab.
Zudem organisierte am Samstag das Bündnis „Rechts rockt nicht“ eine Demonstration gegen das neonazistische Event an der Neiße. Ziel sei es gewesen, dass Nazis auch in der sächsischen Provinz nicht ungehindert feiern können. Dazu wollte das Bündnis eigentlich direkt gegenüber dem Eingang zum Festivalgelände protestieren. Dies wurde allerdings gerichtlich nicht zugelassen.
Um auf die Menschen aufmerksam zu machen, die jedes Jahr im Mittelmeer ertrinken und gleichzeitig ein Zeichen gegen den rechten Spuk in der Stadt zu setzen, gab es eine Kunstaktion, bei der für jeden Ertrunkenen ein Paar Schuhe auf eine Straße gestellt wurden. https://twitter.com/ER_Bayern/status/1142442799075332097