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„Redfish“ Russische Staatspropaganda für Likes auf Instagram

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Ein Instagrampost von "Redfish", der seit Tagen in den Sozialen Netzwerke kursiert. (Quelle: Screenshot von Instagram)

Einen Tag nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine macht eine Infografik auf Instagram und Facebook die Runde. Zu sehen ist eine Karte von Europa und Afrika, eingezeichnet sind Luftschläge der vergangenen 48 Stunden, neben der Ukraine etwa in Jemen, Somalia und in Syrien. Darunter steht „Condemn War Everywhere“ — „Verurteilt Krieg überall“. Im dazugehörigen Text wird der Eurozentrismus der „Mainstreammedien“ angeprangert. Fast 500.000 Menschen haben den Post mittlerweile auf Instagram geliket. Das Bild stammt von „Redfish Media“, einem „Digital Content Creator“ mit Sitz in Berlin. Das Unternehmen gehört offenbar der Videoagentur Ruptly und ist damit Teil des berüchtigten russischen Propagandasenders RT.

„Redfish“ ist erfolgreich. Fast 500.000 Menschen haben den Instagramkanal abonniert, fast 700.000 User:innen liken die Facebookseite, auf Twitter hat das Unternehmen 148.000 Follower:innen und 56.000 Abonnent:innen auf YouTube. In aufwendigen Videos mit zeitgemäßer Optik berichtet „Redfish“ zum Beispiel über Trans*-Sex-Arbeiter:innen in Mexiko, Protestbewegungen in Kolumbien oder Neonazis in der Bundeswehr. Laut der eigenen Website arbeitet das Unternehmen mit „Menschen auf der ganzen Welt zusammen, die zu Grassroots-Bewegungen zählen und daran arbeiten, eine Alternative zum herrschenden kapitalistischen System zu schaffen“. Laut „Redfish“ kommen in den „Mainstreammedien“ vornehmlich „Repräsentanten der herrschenden Klassen“ zu Wort, während die Storys des Unternehmens sich um die „Stimmen der Menschen drehen, die für Selbstbestimmung kämpfen und gegen imperialistische Kriege, Umweltzerstörung und für Gleichheit eintreten.“

Im Impressum der Website ist die „Redfish GmbH“ eingetragen, mit Sitz in der Gertraudenstraße im Berliner Zentrum. Eine noble Adresse, in unmittelbarer Nähe des Regierungsviertels. Das könnte bei einem dezidiert linken Medium, das kritisch mit der „herrschen Klasse“ umgehen will, schon stutzig machen. Dazu kommt eine moderne Website, die komplett ohne Werbung auskommt, dafür aber professionell gefilmte Beiträge aus der ganzen Welt bietet. Wer das alles zahlt? Der russische Staat über seinen Propagandasender RT.

Diese Informationen sind auf keinem der vielen „Redfish“-Kanäle zu finden und auch auf der Website muss man lange suchen. Im Impressum oder der Selbstbeschreibung steht kein Wort über die Russland-Connection der angeblich „antiimperialistischen“ Video-Macher:innen. Nur in insgesamt einem Artikel von 2018 schreibt Lizzie Phelan, die unter dem Namen Elizabeth Cocker auch als Verantwortliche im Impressum steht, dass „Redfish“ von der Videoagentur Ruptly und damit von RT finanziert wird. Das Unternehmen sei allerdings redaktionell unabhängig.

Phelan ist Britin und arbeitete offenbar für den iranischen Staatssender „Press TV“ und schließlich  für RT, unter anderem als Leiterin des Newsrooms in Deutschland. Zwischen 2015 und 2017 war sie Kriegsreporterin für RT, unter anderem in Syrien und Libyen. Die meisten dieser Informationen sind nur noch über Internet Archive abrufbar, wie die Tagesschau berichtet. Auf der Website von RT ist nichts mehr über die ehemalige Mitarbeiterin zu finden.

Die Journalistin ist nicht die einzige „Redfish“-Mitarbeiterin mit RT-Vergangenheit. Marcel Cartier, der mehrere Dokus für „Redfish“ drehte, arbeitete früher für RT und Sputnik, eine weitere russische Propagandaplattform. Jelena Milinic, heute „Redfish“, berichtete für die spanische Version von RT aus Aleppo.

Sowohl Finanzierung als auch Personal sind offenbar untrennbar mit RT und damit dem russischen Staat verbunden. Doch Phelan betont in ihrem Blogeintrag auf „Redfish“ die redaktionelle Unabhängigkeit des Unternehmens. Außerdem sei durchaus transparent, wer „Redfish“ finanziere. Mitarbeitende und Interviewpartner würde immer über die Hintergründe aufgeklärt.

Dem widerspricht allerdings eine Recherche von t-online von 2018. Demnach wurde zum Beispiel die Bundestagsabgeordnete Canan Bayram (Die Grünen) für einen Beitrag mit dem Titel „Wem gehört Berlin? ‚F*** Google‘“ über Gentrifizierung und Mietenanstieg in Berlin interviewt. „Der Zusammenhang mit Ruptly war mir nicht bekannt“, so Bayram gegenüber der Website. Auch der britisch-ugandische Schriftsteller Musa Okwonga, der für einen in UK produzierten Beitrag  interviewt wurde, wusste nicht, mit wem er es zu tun hatte. Er distanzierte sich von „Redfish“ und warnte andere Aktivist:innen vor dem Unternehmen.

Den Behörden sind die Umtriebe aus dem RT-Kosmos mittlerweile bekannt. Im Februar 2022 untersagte die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten die „Veranstaltung und Verbreitung des Fernsehprogramms RT DE“ in Deutschland. Als Reaktion auf Putins Krieg in der Ukraine will jetzt auch die EU handeln und sowohl RT als auch Sputnik verbieten. Der Verfassungsschutz hat das Unternehmenskonglomerat, inklusive „Redfish“, offenbar auch auf dem Schirm. Auf eine Kleine Anfrage der FDP von 2020 antwortete die Bundesregierung: „Die Angebote von RT Deutsch und Sputniknews sowie des Medienoutlets ‚redfish‘ und die Nachrichtenagentur Ruptly als Tochterunternehmen von RT werden durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) unter dem Gesichtspunkt russischer Einflussnahme anlassbezogen ausgewertet.“

Interessant ist die Aufgabenteilung des russischen Propagandanetzwerks. RT wurde in Deutschland unter anderem damit bekannt, unkommentiert Pegida-Aufmärsche und AfD-Demos in gesamter Länge zu streamen. Als 2014 RT Deutsch an den Start ging, feierte das unter anderem Jürgen Elsässer und sein rechtsextremes Compact-Magazin. RT Deutsch gilt bis heute in der rechtspopulistischen, rechtsalternativen bis rechtsextremen Szene als einziger Quell der Wahrheit. Trotz immer wieder belegter Fake News und Desinformations-Vorwürfen. Aber offenbar reicht es Russland nicht, nur das Spektrum rechts der Mitte anzusprechen. Mit „Redfish“ gelingt es RT und der Propagandamaschine auch in progressive Milieus vorzudringen.

Über die genauen Ziele Russlands lässt sich nur spekulieren. Allerdings zeigt sich in einigen Aspekten eine gewisse Ähnlichkeit in der Berichterstattung zwischen den verschiedenen Kanälen von RT und „Redfish“, nicht nur in Deutschland, sondern international: Kritik und vor allem Misstrauen gegenüber westlichen Demokratien. Diese Kritik wird zielgruppenbezogen formuliert. Aber immer stehen zum Beispiel die sogenannten „Mainstreammedien“ in der Kritik. Demokratien werden als handlungsunfähig, ausbeuterisch oder imperialistisch dargestellt, je nach Publikum. „Redfish“ macht einmal mehr den Nihilismus deutlich, der hinter der russischen Propagandastrategie steckt. Es geht nicht um Fakten, Werte oder Haltungen, sondern lediglich darum, Zweifel und Misstrauen zu sähen, mit dem Ziel Demokratie und ihre Institutionen in einem möglichst schlechten Licht dastehen zu lassen.

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