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„Refugee Eleven“ Fußballer mit Fluchterfahrungen

Von|
Birger Schmidt (Lernort Stadion e.V.), Thomas Krüger (bpb), Antje Boehmert (Regisseurin), Phillip Köster (11 Freunde), Sandy Auert (Stadt Erftstadt)

 

Chris Asams ist Kapitän der vierten Mannschaft von SC Germania Erftstadt-Lechenich und spielt in der Kreisliga im Raum Köln. Vedad Ibisevic ist der Kapitän von Hertha BSC Berlin und spielt am Wochenende in den größten Fußballstadien Deutschlands. Da prallen Welten aufeinander, könnte man denken. Doch beide Spieler teilen nicht nur dieselbe Leidenschaft, die der eine als Hobby ausübt, der andere zu seinem Beruf gemacht hat. Was die beiden Fußballer auch verbindet, ist die Erfahrung, aus ihrer Heimat fliehen zu müssen.

„Flucht hat viele Gesichter“ ist der Slogan der Webserie „Refugee  Eleven“ der Bundeszentrale für politische Bildung, die am 14. März im Medienraum von Hertha BSC Berlin bei einer Pressekonferenz vorgestellt wurde. Gedreht wurde die Serie von der Regisseurin Antje Boehmert. Die Videos richten sich an die Altersgruppe zwischen 14 und 24 Jahren. Im Mittelpunkt der elf Videoclips stehen die Fußballer der vierten Mannschaft des Amateurvereins SC Germania Erftstadt-Lechenich, die im Raum Köln in der Kreisliga kicken und dort derzeit auf Platz zwei stehen. Im Team spielen Menschen aus 15 Nationen spielen, viele mit Fluchtgeschichte.In den Videoclips treffen diese Spieler auf gestandene Fußballprofis, wie Neven Subotic vom 1.FC Köln, Schalker-Legende Gerald Asamoah oder die Ex-Nationalspielerin Fatmire Alushi. All diese Spieler_innen und ihre Familien haben selbst Fluchterfahrungen gemacht und mussten sich in einem ungewohnten Umfeld mit fremder Sprache ein neues Leben aufbauen.

Jedes der elf Videos ist einem Thema gewidmet, das Flucht und Asyl aus einer anderen Perspektive betrachtet, wie zum Beispiel „Warten“, „Abschiebung“ oder „Diskriminierung“.

Zum Thema Fluchtursachen berichtet Neven Subotic, dass er als Jugendlicher mit seiner Familie vor dem Krieg in Bosnien nach Deutschland flieht. Als seine Duldung endet, hat er das Glück, durch ein Förderprogramm in die USA ausreisen zu können. Dort kann er Fuß fassen und als Profi nach Deutschland zurückkehren.

Union Berlin-Profi Eroll Zejnullahus, dessen Mutter 1992 schwanger vor dem Krieg im Kosovo flieht, erzählt, dass er neun Jahre in fünf bis vier verschiedenen Heimen verbringt, ehe sich seine Familie eine eigene Wohnung suchen kann. Seine Eltern wohnen immer noch in ihrer ersten Wohnung. Auch Fehmi Almgharbl aus Syrien kennt das Warten und die Unsicherheit. Er muss ein Jahr lang warten, bis er subsidiären Schutz erhält. Subsidiären Schutz erhalten Menschen, denen in Ihrem Herkunftsland ernsthafter Schaden für das Leben oder die Freiheit droht. Trotzdem ist seine Wartezeit nicht vorbei. Aufgrund seines Status darf seine Familie nicht nach Deutschland nachziehen. Der Fußball helfe ihm aber, Sorgen zu vergessen.

Gerald Asamoah und Eyad Ibrahim aus Syrien sprechen über Diskriminierung. Asamoah, der Nationalspieler war und in Deutschland lebt, seit er 12 Jahre alt ist, wurde bei Fußballspielen oft rassistisch beleidigt. Eyad Ibrahim kennt das Gefühl, mit Ablehnung konfrontiert zu sein. Die Menschen seien skeptisch, wenn sie auf die Mannschaft treffen, aber sobald man sich kennenlerne, lege sich die Angst meist. Er fragt Asamoah, wie er reagiere, wenn er mit Rassismus konfrontiert wird. Er rede darüber und versuche Menschen dafür zu sensibilisieren. „Aber auch die Mitmenschen müssen zeigen, dass Rassismus keinen Platz in Deutschland hat“, so Asamoah.

Ziel der Videos sei, Trennendes aufzuheben und Brücken zu bauen, so Thomas Krüger, Vorsitzender der BpB bei der Pressekonferenz im Medienraum von Hertha BSC Berlin. Fußball verbinde und helfe, ein gemeinsames Leben darzustellen, indem sich über den Fußball identifiziert wird. Dies soll die Grundlage für eine Diskussion sein und Schwarz-Weiß-Denken auflösen. Außerdem können viele Menschen über das gemeinsame Interesse am Fußball erreicht werden.

Sandy Auert, Integrationsbeauftragte der Stadt Erftstadt, ist maßgeblich an der Entstehung des Projekts beteiligt und steht dem Team beratend zur Seite. Der Verein sei vor allem ein Anlaufpunkt für Geflüchtete, die sich in den Unterkünften langweilten. Der Trainer der Mannschaft, Alois Görgen, bestätigt das. Die Arbeit mache ihm Spaß, sei aber auch eine Herausforderung.  Der Sport helfe den Geflüchteten, sich abzulenken und eine Rolle in der Mannschaft einzunehmen. Das sei eine gute Abwechslung zum  ansonsten oft deprimierenden Alltag mit Behördengängen und der Langeweile in den Unterkünften.Ein weiteres Problem ist die Unsicherheit für die Zukunft der Geflüchteten. So spricht Vedad Ibisevic, Kapitän von Hertha BSC Berlin, mit Chris aus Ghana, dem Kapitän der Mannschaft aus Erftstadt, in einer Episode über die Angst, abgeschoben zu werden. Ibisevic flieht als Kind mit seiner Schwester und seinen Eltern von Bosnien in die Schweiz. Er erzählt, dass ihr Leben in Bosnien nicht sicher war, obwohl der Krieg schon seit fünf Jahren vorbei war: „Man dachte, der Krieg sei vorbei, und nahm automatisch an, die Lage dort sei perfekt, was sie nicht war.“ Seine Familie lebt eine Zeit lang mit der Angst, nach Bosnien abgeschoben zu werden. Dann haben sie das Glück, zu Verwandten in die USA reisen zu können.

Chris kennt das Gefühl, denn Ghana wird von der Bundesregierung auch als ein sicheres Herkunftsland aufgeführt: „Manchmal versucht man, nicht daran zu denken, es zu vergessen, aber es ist da, man kann nicht davor davonlaufen.“ Es bedrücke ihn mitzubekommen, wenn Spieler abgeschoben werden sollen. Migrationsbeauftragte Sandy Auert berichtet auf der Pressekonferenz, dass gelegentlich Spieler aus der Mannschaft abgeschoben werden. Die Angst vor der Abschiebung betreffe viele und sei alltäglich. Trotzdem würde im Team nicht viel darüber gesprochen, man verstehe auch so die Probleme der anderen. Praktisch erschwere es auch den Teamgedanken, da nicht langfristig mit Spielern geplant werden kann, so Auert. Trainer Alois Görgen erklärt, dass er auch beim Training sofort merke, wenn ein Spieler ein Problem habe. Dies spiegelt sich sofort in seiner Motivation wieder. Görgen weiß, dass die Probleme nicht durch Sport aufgehoben werden, jedoch sei die Mannschaft für viele wie ein Familienersatz. Das Team und der Fußball geben den Spielern eine Rolle und Ablenkung, trotz des schwierigen Alltags.

http://refugee11.de/

Die elf Videos werden von der Bundeszentrale für politische Bildung ab dem 07. April in regelmäßigen Abständen auf YouTube und Facebook gepostet. Auf der Webseite sind zudem Lehrmaterialien für Schulen erhältlich (bpb.de).Zudem feiert am 09. April der 90-minütige Dokumentarfilm „Refugee Eleven“ seine Premiere in Berlin, der die komplette Geschichte des Teams vom SC Germania Erftstadt-Lechenich erzählt.

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