Januar 2017
Georgensmünd und die Folgen
Audio: Der auffällige Wolfgang P., Reichsbürger von Georgensgmünd (Reportage über das Umfeld des Mannes, der im Oktober 2016 einen SEK-Beamten erschießt) (Deutschlandradio Wissen).
Durch „Reichsbürger“ getöteter Polizist in Franken: Staatsanwaltschaft leitet Verfahren gegen Kollegen ein, weil dieser Informationen über die Gefahr durch den „Reichsbürger“ nicht weitergegeben habe (ZEIT). Wenig später kommt es zu einem Suizid eines weiteren Beamten, der bei dem Einsatz mit tödlichem Ausgang dabei war (Süddeutsche, Spiegel).
Der „Druide“ „Burgos von Buchonia“ und sein waffengespicktes „Reichsbürger“-Netzwerk
Razzia gegen militante rechtsextreme Esoteriker_innen und „Reichsbürger_innen“ in Niedersachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Berlin und Baden-Württemberg wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung (tagessschau.de). Gefunden wurden bei den Razzien unter anderem scharfe Schusswaffen, Schießkugelschreiber und erhebliche Mengen Munition. Außerdem habe man rund zwei Kilogramm Schwarzpulver, einen aus Grillanzündern gefertigten Brandsatz sowie vorbereitete Brandflaschen gefunden. In einem Objekt in Baden-Württemberg wurde nach diesen Angaben auch instabiler Initialsprengstoff gefunden. Dieser wurde von Experten vor Ort kontrolliert gesprengt (SWR). Kopf der Vereinigung ist Karl Burghard B., der sich „Burgos von Buchonia“ nennt und als „keltischer Druide“ auftritt. Seine Anhänger_innen erreicht er über YouTube-Videos und Soziale Netzwerke (Tagesspiegel, BR, Stuttgarter Zeitung). Besonders im russischen VK-Netzwerk verbreitete der „Druide Burgos von Buchonia“ seine Ideologie: Antisemitismus, Esoterik, Verherrlichung des Nationalsozialismus, Fremdenhass, Gewaltaufrufe. Hier hat er sich mit seinen Anhänger_innen ausgetauscht, seine rechtsextremen Ansichten verbreitet – und sich möglicherweise auch radikalisiert (Tagesschau). In Berlin-Moabit nahmen SEK-Beamte den 57-jährigen Claus R. fest, der zusammen mit seiner Freundin zu der Vereinigung gehören soll (Berliner Zeitung). Politikwissenschaftler Jan Rathje von der Amadeu Antonio Stiftung erklärt im Interview, wie sich ein „Druide“ in die Reichsideologie integrieren lässt. Sie sei relativ offen, was einzelne ideologische Elemente für die Gesamtkonstruktion angehe (Inforadio). Inhaftiert wurden neben dem „Druiden“ (zunächst wegen Volksverhetzung) ein 51-Jähriger wegen Verstoßes gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetzes. Im Raum steht der Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Die Bundesanwaltschaft wirft der Gruppe vor, Anschläge auf Juden, Asylbewerber und Polizisten geplant zu haben. Die Gruppe selbst soll aus sechs Menschen zwischen 35 und 66 Jahren bestanden haben. Ein siebter Verdächtiger soll das Netzwerk „durch Beschaffungshandlungen“ unterstützt haben. (SWP)
Mehr „Reichtsbürger_innen“-Nachrichten:
Verwaltungen und Gericht in der Lausitz: Dem Frust der rund 300 „Reichsbürger_innen“ ausgesetzt (Lausitzer Rundschau)Trotz Erlass: „Reichsbürger_innen“ in Niedersachsen immer noch bewaffnet – keine der 35 bekannten Personen musste Waffen abgeben (NDR)Osnabrück: Reichsbürger behält mit einfach Trick seine 15 Schusswaffen – als Jäger mit Erstwohnsitz in Irland (NOZ)Bundesinnenminister De Maizière will „Reichsbürger_innen“ aus dem Staatsdienst entfernen (ZEIT).Unterfranken: Polizei nimmt 53-jährigen „Reichsbürger“ fest – Haftbefehl wegen versuchter Nötigung nach einer Fahrzeugkontrolle (BR).Internes Disziplinarverfahren gegen Berliner Polizisten, der soll „Reichsbürger“ sein soll (Tagesspiegel)Prozess um Waffenarsenal am Landgericht Hanau: 57-jähriger „Reichsbürger“ bekommt Bewährungsstrafe für unerlaubten Besitz von Waffen und Kriegswaffen (u.a. Kalaschnikow-Sturmgewehr und Kanonenteil eines Jagdflugzeugs der ehemaligen deutschen Wehrmacht (FAZ) Zehn Monate Haft auf Bewährung und 700 Euro Geldstafe für 69-jährigen „Reichsbürger“ aus Augsburg; u.a. für einen „Hitler-Führerschein“, Ausweis und Führerschein einer „Republik Freies Deutschland“ und einen Mitgliedsausweis für eine „Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitsdienst“, das Verlinken des verbotenen Musiktitels „Blut und Ehre“ der rechten Band „Störkraft“ und das Posten von Hakenkreuz-Fahnen auf Facebook (Augsburger Allgemeine)Buchenbach (Schwarzwald): Gemeinde kündigt Verwaltungsmitarbeiterin der Meldestelle wegen „Reichsbürger“- Rhetorik in Amtsschreiben zum Personalausweis (Badische Zeitung).Thüringen: Rund 600 aktiven „Reichsbürger_innen“ in Thüringen – 60 bis 100 davon legal bewaffnet – Verfassungsschutz: „Wir müssen mit Gewalttaten rechnen, jeden Tag“ (Thüringer Allgemeine)Münsterland: Spezialeinsatzkommando stellt sechs illegale Waffen bei 53-jährigem „Reichsbürger“ aus Selm sicher (NOZ).Amtsgericht Günzburg verurteilt 73-Jährigen „Reichsbürger“ aus Kammeltal wegen Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, versuchter Nötigung und anderer Vergehen (BR).Solinger „Reichsbürger“ will sein Recht auf Waffenbesitz einklagenEin sogenannter Reichsbürger hat beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage gegen die Polizei in Wuppertal eingereicht (23.01.2017). Er will gerichtlich durchsetzen, dass er seine Waffenbesitzkarte zurückbekommt (WDR)Konsul von „Terrania“ erscheint nicht vor Gericht: Verurteilung von Reichsbürger aus Albershausen wegen versuchten Betruges rechtskräftig (SWP)
März 2017
„König von Deutschland“ voll schuldfähig – und nun fast vier Jahre im Gefängnis: Im Prozess gegen den selbst ernannten „König von Deutschland“, Peter Fitzek, hat ein psychiatrischer Gutachter dem Angeklagten volle Schuldfähigkeit attestiert. „Alles Krankhafte ist bei ihm auszuschließen“, sagte der Sachverständige Bernd Langer am Donnerstag vor dem Landgericht Halle. Fitzek habe sich eine Welt nach seinen Vorstellungen geschaffen, weise starke narzisstische Persönlichkeitsmerkmale auf. Er könne Menschen manipulieren, sei unbelehrbar und auch durch Strafe nicht zu beeindrucken. „Es fehlt ihm an Einsicht“. Fitzek wird Untreue in 27 Fällen zur Last gelegt (Volksstimme). Urteil des Landgerichtes Halle: Peter Fitzek muss drei Jahre und acht Monate in Haft. Der Verurteilte reagierte mit wüsten Beschimpfungen auf den Richterspruch. (Spiegel)Razzien bei Reichsbürger_innen gab es in:Fürstenberg (Brandenburg): Neun Waffen bei 57-Jährigem, Waffenbesitzverbot (RBB)Bayern und Rheinland-Pfalz: Waffen und Dokumente sichergestellt bei 45 Personen (ZEIT); Waffen in Rottach und Otterfing (Tegernseer Stimme). Waffen und Cannabis in Höheischweiler (Südpfalz)
April 2017
Horst Mahler auf der Flucht
Der 81-jährige Holocaustleugner weigert sich, seine Haft erneut anzutreten und sucht politisches Asyl (Süddeutsche Zeitung, Belltower.News)
ALLGÄUER FÜRCHTEN, DASS IHR DORF UNTERWANDERT WIRD
In Bolsterlang im Oberallgäu haben die Bürgermeisterin und vier Gemeinderäte an einer „Reichsbürger“-Veranstaltung teilgenommen. Einige Bewohner gingen auf die Straße und demonstrierten gegen die mutmaßlich verfassungsfeindlichen Umtriebe. Vier Gemeinderäte legten ihr Mandat nieder. Gegen Bürgermeisterin Zeller wird ermittelt (Süddeutsche Zeitung). Der Fall ist pikant, da im Freistaat Bayern inzwischen mehr als zehn Staatsbeamte wegen Kontakten zur Reichsbürger-Szene suspendiert worden sind – mehr als in jedem anderen Bundesland (Deutschlandfunk).
“REICHSBÜRGER” VON GEORGENSGMÜND WIRD WEGEN POLIZISTENMORDES ANGEKLAGT
Knapp ein halbes Jahr nach den tödlichen Schüssen auf einen Polizisten im fränkischen Georgensgmünd hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den mutmaßlichen Todesschützen erhoben. Wolfgang P., der zu den sogenannten „Reichsbürgern“ gehören soll, werden unter anderem Mord und versuchter Mord vorgeworfen, wie die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth mitteilte. Angeklagt wird auch ein Polizeibeamter. Nach Überzeugung der Anklage hätte der Beamte die Schüsse verhindern können (Süddeutsche Zeitung).
BUNDESWEIT ETWA 8.500 “REICHSBÜRGER”
Die Innenministerien der Bundesländer haben etwa 8.500 Personen im Visier, die sich als „Reichsbürger“ bezeichnen. Das ergab eine Umfrage der Zeitung „Die Welt“. Demnach ist die Zahl der „Reichsbürger“ in Bayern mit 2700 am höchsten. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl liegt allerdings Thüringen ganz vorn. Die Quoten in Hamburg und Berlin sind am geringsten. Die „Reichsbürger“ gelten allerdings nicht als homogene Gruppe, sondern sind eher zersplittert. Sie erkennen die Bundesrepublik nicht an und damit auch nicht staatliche Autoritäten wie die Polizei. „Reichsbürger“ gehen davon aus, dass das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 noch existiert. Ein Teil der Szene vertritt nach Einschätzung der Behörden rechtsextreme Positionen (tagesschau). Davon in Hamburg rund 80 „Reichsbürger“, davon 10 Prozent rechtsextrem (Hamburger Abendblatt); in Hessen 700 Reichsbürger, in Rheinland-Pfalz 400 – und eine große Zahl ist bewaffnet. (FR) In Sachsen: „Deutlich mehr“ als 500 „Reichsbürger“ (sz-online).
Kreis Neu-Ulm: Bei einer Hausdurchsuchung stellt die Polizei Waffen (u.a. Messer, Dolche, Schwerter, Macheten, Sportbogen, Armbrüste, Luftgewehr, Pfeile und Munition), Neonazi-Devotionalien und Drogen sicher. Der “Reichsbürger” war der Polizei durch eine Bestellung illegaler Waffen auf der Website “Migrantenschreck” aufgefallen (schwaebische.de)Halle: Ein Student hatte Nachweise über seine Befreiung vom GEZ-Beitrag nicht eingereicht, deshalb Pfändung. Als die Beamten jedoch um Einlass baten, verweigerte der Mann, welcher der „Reichsbürger“-Bewegung angehört, den Zutritt: „Sie sind Privatbeamte der Firma BRD.“ Anschließend schlug er einem der Polizisten in den Bauch und attackierte einen weiteren. (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Strafe von 400 Euro verurteilt) (Tag24.de).Hessen:Nach Angaben des Innenministeriums stehen zwei Polizisten im Verdacht, der „Reichsbürger“-Ideologie anzugehören. Gegen einen der beiden läuft bereits ein Disziplinarverfahren, gegen den zweiten wird es gerade vorbereitet, schreibt Innenminister Peter Beuth (CDU) (hessenschau.de).