Am 9. November 1938 brannten in Deutschland und Österreich die Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden überfallen, demoliert und geplündert. Jüdinnen und Juden wurden von fanatischen Nazis gedemütigt und geschlagen, vergewaltigt und ermordet. Etwa 30.000 Männer wurden verhaftet und in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen verschleppt. Die Gewalt der Pogromnacht bildete den Auftakt zu Deportation und Vernichtung, zum Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden.
Potsdamer Erklärung
„Wehret den Anfängen – gegen Antisemitismus!“ Mit diesen Worten ist die „Potsdamer Erklärung“ der Deutsch-Israelischen Gesellschaft unterschrieben. Darin heißt es: „Dass die NPD in Landtagen und auch andere radikale Gruppierungen in Kommunalparlamenten vertreten sind, ist für uns nicht hinnehmbar. Die demokratischen Parteien, alle gesellschaftlich relevanten Gruppen sind aufgefordert, die rechtsextremen Parteien noch entschiedener zu bekämpfen, auf deren gesellschaftliche Ächtung und deren Verbot hinzuwirken.?
Erklärungen gegen Antisemistismus im Bundestag
Auch der Bundestag hat sich nach längeren Auseinandersetzungen auf zwei wortgleiche Erklärungen geeinigt. Zwei Erklärungen gibt es, weil die CDU/CSU keine gemeinsame Erklärung mit der Partei Die Linke abgeben wollte. Die Erklärung der Fraktionen SPD, CDU/CSU, Grüne finden Sie hier. Die (wortgleiche) Erklärung der Fraktion Die Linke finden Sie hier.
Bundesweite Aktionswochen gegen Antisemistismus
Bundesweite Aktionswochen gegen Antisemitismus
Jährlich im November organisiert die Amadeu-Antonio-Stiftung die bundesweiten Aktionswochen gegen Antisemitismus. In diesem Jahr führen mehr als 170 zivilgesellschaftliche Initiativen rund 400 Veranstaltungen durch. Die Zahl der Teilnehmer und Veranstaltungen ist in den vier Jahren des Bestehens der Aktionswochen stetig größer geworden und konnte im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt werden.
Eine Übersicht über die Veranstaltungen in den einzelnen Bundesländern finden Sie hier.
Gedenken, Erinnern, Handel ? Die Reichpogromnacht 1938
Nach 70 Jahren – Neue Synagogen
In Lörrach (Baden-Württemberg) wird 70 Jahre nach der Zerstörung des alten Gotteshauses am Sonntag eine neue Synagoge feierlich eröffnet werden. Dann bekommt die 1995 wieder gegründetet jüdische Gemeinde ein neues Gottteshaus. „Wir sind froh, dass das gelungen ist“, sagt der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, Wolfgang Fuhl. Zur Eröffnung wird auch der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) erwartet.
Auch in Göttingen wird am 9. November – 70 Jahre nachdem die Göttinger Synagoge von den Nationalsozialisten niedergebrannt wurde – eine neue Synagoge eingeweiht. Nach jahrelangen Vorbereitungen sei die Synagoge am Sonntag nun benutzbar und provisorisch eingerichtet, so die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Jacqueline Jürgenliemk. Bei dem Gebäude handelt es sich um die ehemalige Bodenfelder Synagoge, die nach Göttingen versetzt worden ist. „Ich freue mich, dass 70 Jahre nach den bis heute spürbaren Untaten jüdisches Leben in Göttingen neu aufblühen wird“, sagte der Regionalbischof des evangelisch-lutherischen Sprengels Hildesheim-Göttingen, Eckhard Gorka.
„Kein Vergessen ? Kein Vergeben“
In Berlin erinnert die Antifaschistische Initiative Moabit seit 1990 jedes Jahr am Mahnmal in der Levetzowstraße an die Pogromnacht. Ziel ist es, in angemessener Form das Gedenken aufrechtzuerhalten, einen deutlichen Kontrapunkt zu den Feierlichkeiten aus Anlass des Mauerfalls zu setzen und der Mahnung und Erinnerung an dieses Ereignis unserer jüngsten Geschichte ein unverwechselbares Gesicht zu geben.
Auch zum 70. Jahrestag wird die Gedenkkundgebung am 9. November um 14 Uhr am Mahnmahl Levetzowstraße der ehemaligen Synagoge in Moabit durchgeführt. Ihr Motto: „Kein Vergessen! Kein Vergeben!“ Die Hauptrede hält der Schriftsteller und Zeitzeuge Walter Kaufmann, der Deutschland 1939 noch mit einem der letzten Kindertransporte nach England verlassen konnte. Dr. Hans Coppi spricht für den Berliner VVN-BdA. Anschließend nimmt die Demonstration den Weg zum Deportationsmahnmahl auf der Putlitzbrücke.
Die Berliner VVN-BdA und ihre Organisationen erinnern an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 mit weiteren Veranstaltungen und laden ein, sich an diesem Gedenken zu beteiligen.
Neonazi-Aufmärsche für Geschichtsfälschung
Und auch Neonazis wollen an diesem Wochenende marschieren. In Fulda hat sich ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Kirchen und Organisationen. Die Stadt Fulda hatte versucht, den Aufmarsch zu verbieten, unterlag aber vor Gericht. Schon das Verwaltungsgericht Kassel hatte die Verbotsverfügung gegen die NPD-Demonstration als rechtswidrig zurückgewiesen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde der Stadt ab.
Die NPD-Demonstration soll am Samstagmittag – also am Vortag des 70. Jahrestages der Pogromnacht vom 9. November 1938 – am Fuldaer Bahnhof starten. Ein Aktionsbündnis, dem Kirchen, Parteien, Gewerkschaften sowie weitere Vereine und Verbände angehören, will nun mit zahlreichen Veranstaltungen gegen die NPD-Demonstration mobil machen.
Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck verurteilte den geplanten Aufmarsch der NPD scharf. „Damit werden die Opfer des Nationalsozialismus verhöhnt“, sagte EKKW-Sprecher Karl Waldeck. Es sei eine Schande, dass Extremisten das Gedenken an die Reichspogromnacht durch eine Kundgebung und einen Fackelzug nachhaltig stören wollten.
Auch in Aachen hatte die Polizei versucht, einen Aufmarsch von Neonazis am 8. November zu verbieten. Doch auch hier dürfen die Rechtsextremen einen Tag vor dem 70. Jahrestag der Reichspogromnacht gegen die „einseitige Vergangenheitsbewältigung“ und zum Gedenken an die „deutschen Opfer“ aufmarschieren.
Anmelder des Aufmarsches ist der erst im April aus einer 22-monatigen Haftstrafe entlassene Neonazi Axel Reitz. Er selbst darf aber nicht reden und wurde auch als Versammlungsleiter abgelehnt. Das Gericht befürchtet, dass der 25-Jährige die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft verherrlichen wird. Auf einer ähnlichen Veranstaltung des Kölners am 9. November 2004 seien rechtsextreme Parolen skandiert, Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen verbreitet sowie der Nationalsozialismus verherrlicht und verharmlost worden.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund ruft unterstützt von Initiativen, Parteien und Kirchen für Samstag um 12 Uhr vor dem Rathaus zu einer Demonstration unter dem Motto „Wir sind Aachen – Nazis sind es nicht“ auf. Auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) hat eine Kundgebung gegen den Aufmarsch.