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Sächsischer Förderpreis für Demokratie Nominiert: Die Kampagne „Du bist nicht allein!“

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Plakataktion der Kampagne "Du bist nicht allein!" (Quelle: CSD Leipzig)

 

Die Kampagne „Du bist nicht allein!“ möchte lesbischen, schwulen, bisexuellen, transidenten, intergeschlechtlichen, asexuellen und queeren* (LSBTIAQ*) Menschen Beratungs- und Vernetzungsmöglichkeiten gesammelt, online zur Verfügung stellen. Gab es in Sachsen bisher eine Lücke, was die Sichtbarkeit solcher Möglichkeiten angeht?

Max Gramm: In der Tat gab es bisher in diesem Umfang keine Plattform für Sachsen, die Beratungs- und Vernetzungsmöglichkeiten so umfassend und sortiert sichtbar gemacht hat. Bisher war diese Form der Übersicht eher regional und auf die Ballungszentren beschränkt. Natürlich sind wir noch nicht allumfassend, aber wir halten unsere Plattform immer offen, um auch Gruppen sichtbar zu machen, die wir bisher nicht auf dem Schirm haben.

Wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen der Stadt Leipzig und dem „CSD Leipzig“?

Max Gramm: Die Kooperation zwischen dem „CSD“ und der Stadt Leipzig geht zurück bis 1992 und dem ersten „CSD“ in Leipzig. Dieser wurde direkt von Stadtmitarbeiter*innen initiiert, um queeres Leben sichtbar auf die Straße zu bringen. Nach ein paar Jahren verlor sich der „CSD“ etwas, da auch die Community schrumpfte, weil viele in den Westen gezogen sind. Aber seit 2003 wird der „CSD“ Leipzig wieder organisiert, auch das in enger Kooperation mit der Stadt. 2006 gab es dazu einen Stadtratsbeschluss, dass der „CSD“ als „LSBTI“-Bewegung ein wichtiger Bestandteil der Stadtlandschaft ist und unterstützt und gefördert werden muss. Das Besondere am „CSD“ Leipzig ist, dass es nicht wie in vielen anderen Städten ein Verein ist, sondern ein freies Aktionsbündnis ohne Vorstand oder fester Struktur, das die Veranstaltung organisiert.

Wie wird auf das Angebot aufmerksam gemacht?

Max Gramm: Zuerst haben natürlich die Gruppen und Projekte, die bei uns gelistet sind, auf unser Angebot aufmerksam gemacht. Sehr wichtig ist zudem unsere Plakataktion, mit der besonders auf dem Land, Präsens gezeigt werden soll.

Jasmin Gräwel: Das Ziel ist klar –  nicht nur Leipziger*innen und Dresdener*innen sollen vom „CSD“ und von Beratungs- und Vernetzungsmöglichkeiten erfahren, sondern auch Menschen auf dem Land, die bisher noch keine Verbindung zur queeren Community hatten oder für die es schwer ist, diese aufrecht zu erhalten.

Was gab es bisher für Rückmeldungen?

Max Gramm: Es hat uns viel berührendes Feedback erreicht. Zum Beispiel von Menschen, die aufgrund der Covid-19-Pandemie auf dem Land in ihrem Dorf festsaßen. In den meisten kleinen Orten gibt es keine queeren Strukturen oder eine Szene. Durch unsere Plakate haben sich Menschen gestärkt und gesehen gefühlt.

Jasmin Gräwel: Das ist auch genau das, was wir erreichen wollen: Dass sich queere Menschen, die isoliert auf dem Land leben, abgeholt und mitgenommen fühlen. Ganz nach dem Motto der Kampagne: „Du bist nicht allein!“ und mit der Botschaft: „Es gibt ganz viele andere wie du! Mach dich nicht fertig!“ Wir haben uns zudem bei den Plakaten bewusst dafür entschieden, nicht nur die Pride-/Regenbogenflagge auf den Plakaten abzubilden, sondern auch andere Symbole wie die Inter*- oder die Trans*-Flagge. Dafür haben wir viel positives Feedback bekommen, da es an dieser Stelle in der Gesellschaft weiterhin an Aufmerksamkeit fehlt.

Haben Sie auch negatives Feedback erhalten?

Max Gramm: Es haben uns Nachrichten erreicht, dass wir die Plakate abhängen sollen, da sie nicht genehmigt seien. Natürlich waren sie genehmigt, aber das zeigt, dass wir genau an den richtigen Orten die Plakate angebracht haben. Nämlich an Orten, wo es noch an Akzeptanz und Sichtbarkeit für queere Themen mangelt.

Welche Auswirkung hat die Pandemie auf die LSBTIAQ*-Szene Ihre Arbeit und die der Beratungs- und Vernetzungsmöglichkeiten?

Jasmin Gräwel: Die Pandemie ist für alle eine herausfordernde Situation, nicht nur für die LSBTIAQ*-Szene. Das betrifft jeden individuell, aber zum Beispiel auch die finanzielle Situation von Projekten, die es jetzt schwieriger haben an Fördergelder zu kommen oder weniger Spenden erhalten. Aber natürlich war für den „CSD“ das einschneidendste Erlebnis, dass die jährliche Demonstration nicht stattfinden konnte. Daraus folgt, dass wir uns Gedanken machen müssen, wie wir dennoch auf unsere Themen aufmerksam machen können und Gehör in der Gesellschaft finden. Ein Beispiel ist ein Aktionstag, den wir auf dem Leipziger Marktplatz mit Livestream veranstaltet haben, als Demonstrationsersatz. Oder eben die Kampagne „Du bist nicht allein!“. Zudem ist es ist unglaublich wichtig, dass die Verbindung und der Austausch, nicht nur im Aktionsbündnis, sondern in der gesamten Szene erhalten bleibt. Das bedeutet, dass wir uns auch mit allen Möglichkeiten der digitalen Kommunikation auseinandersetzen müssen.

Max Gramm: Die Beratungsangebote konnten dementsprechend weiterhin online stattfinden. Allerdings geht hier ein großer Teil des Zwischenmenschlichen verloren. Es fehlt die intime Situation zu zweit in einem Raum, die die Nähe ermöglicht, sich zu öffnen.

Sie sind für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie nominiert. Braucht Sachsen mehr Demokratie?

Max Gramm: Wir brauchen vor allem mehr Bereitschaft, sich in die Demokratie einzubringen und für Menschenrechte stark zu machen. In der „CSD“-Bewegung geht es um Menschrechte, um Diskriminierung und um Minderheiten. All das, was sich in den letzten Jahrzehnten erkämpft wurde, geht nur auf Aktionismus zurück und Sachsen braucht mehr Aktionismus, mehr Beteiligung am demokratischen Prozess und mehr Solidarität mit Minderheiten.

Jasmin Gräwel: Wir wünschen uns, dass die Akzeptanz für LSBTIAQ*-Menschen weiter steigt und dass wir von der „Mehrheitsgesellschaft“ als ein gleichwertiger Teil dieser Gesellschaft angesehen werden.

Mehr Informationen finden Sie unter:

https://www.csd-leipzig.de/du-bist-nicht-allein/

 

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