In der Vielzahl der Angriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte in den letzten Monaten war der Fall von Salzhemmendorf ein besonderer. Erstens brachte er beinah das erste Todesopfer: Der Molotowcocktail, der durchs Fenster der Wohnung geworfen wurde, in er eine geflüchtete Familie untergebracht war, landete unter dem Bett des 11-jährigen Sohnes, das komplett verbrannte. Nur durch Zufall hatte er in dieser einen Nacht nebenan bei der Mutter und seinen drei kleineren Geschwistern übernachtet – und so überlebt (vgl. taz). Ein Glück für die Täter_innen, die dies nicht einkalkulieren konnten. Sie hatten die Wohnung der Familie gezielt für den Anschlag ausgesucht, weil ihnen offenbar schwarze Menschen besonders missfielen – und seien es Kinder.
Zweite, eher skurrile Besonderheit dieses Falls: Ein Täter war bei der freiwilligen Feuerwehr aktiv, zündete also erst and und kam dann zum Löschen.
Und die dritte Besonderheit dieses Falls: Die Täter_innen wurden gefasst und vor Gericht gestellt. In weniger als einem Viertel aller Gewalttaten gegen Flüchtlinge des vergangenen Jahres konnten Tatverdächtige ermittelt werden (vgl. ZEIT). In den zwölf Fällen in denen Anklage erhoben wurde, wurde nur vier Mal ein Urteil gesprochen.
Wer sind die Täter_innen?
Den Aussagen von Zeug_innen zu Folge waren im Ort vor allem die Männer durch starken Alkoholkonsum bekannt. Einige verorten sie klar in der rechtsextremen Szene von Salzhemmendorf, andere streiten ab, dass es eine solche Szene im Ort gebe. L. hat zumindest auch einschlägige Tattoos (taz). Laut einer Zeugin wurde schon früher darüber gesprochen „was zu bauen und irgendwo rein zuwerfen“. Im Gericht betonen alle drei Angeklagte, nicht aus rassistischen Motiven gehandelt zu haben. Die beiden Männer räumen die Tat zwar ein, berufen sich aber darauf, unter dem starken Einfluss von Alkohol gestanden und daher die Kontrolle über sich und ihre Handlungen verloren zu haben (vgl. bnr). Anderes lassen Whatsapp-Kommentare von Dennis L. vermuten, die im Gericht verlesen werden und in denen sich L. zu einem „neuen Hitler“ erklärte: „Nix Zyklon B. Erhängt wird das Pack“, schrieb er an einen Freund, Robert S. „Sieg Heil und fette Beute!“, antwortete S., der ausgerechnet Jugendwart der Freiwilligen Feuerwehr war (taz).
Der Tatverlauf
Am Tatabend hatten sich Dennis L., Sascha D. und Saskia B. in der Garage von Dennis L. getroffen. Sie hätten Rechtsrock gehört und auch mitgesungen. „Es ging um Hitler und so“, erklärt Sascha D. Er selbst höre die Musik gerne und regelmäßig. Es sei viel getrunken worden, und Flüchtlinge waren ein Thema. Schließlich bauen Dennis L. und Sascha D. den Molotowcocktail, füllen Benzin und Heizöl in die Flasche, Saskia B. sitzt daneben. Sie bleibt in dieser Tatnacht bewusst nüchtern – sie wollte noch fahren, nämlich die Täter zu Tatort. Sie belastet vor Gericht Sascha D., der bei der freiwilligen Feuerwehr des Ortes aktiv ist: Er habe vor dem Brandanschlag von zu Hause seinen Feueralarm-Melder geholt. Er erklärte zudem L. genau, wo in der ehemaligen Schule die Wohnung liege, „in der die N**** wohnen.“ Als der Alarmmelder nach dem Brandanschlag tatsächlich losging, hätten beide Männer „gegrinst“. Dann habe sich D. zur Feuerwache fahren lassen, um bei den Löscharbeiten dabei zu sein (vgl. taz).
Dennis L. gibt sich vor Gericht als geläuterten Rechtsextremen. Er distanziert sich von früheren rassistischen und mit dem Nationalsozialismus sympathisierenden Äußerungen in der gemeinsamen Whatsapp-Gruppe „Garage Hakenkreuz“ und im Umgang mit Freunden. Sowohl Zeug_innen, als auch Saskia B. belasten Dennis L. und bescheinigen ihm einen rechtsextreme Gesinnung. Er habe in der Tatnacht gesagt „wenn der N**** brennt, dann feier‘ ich so richtig!“. Dennis L. könne sich nicht an solch eine Aussage erinnern. Auch Zeug_innen berichten, Sascha D. und Dennis L. hätten ihre Freunde häufiger mit „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“ begrüßt.
Sascha D. bezeichnet sich als Mitläufer. Dennis L. sei die „Triebfeder“ der Tat gewesen, er selbst hätte sich nicht getraut ihm zu widersprechen, aus Angst vor ihm. Zeug_innen berichten hingegen, es hätte keine Hierarchie zwischen den beiden Männern gegeben.
Die Frau im Bunde: Zweifache Mutter und empathielose Rassistin
Das Bild, das Saskia B. von sich zeichnet, steht ist für Frauen in der rechtsextremen Szene. Ähnlich wie Beate Zschäpe im NSU-Prozess beschreibt sie sich als unpolitische, eher unsichere und ängstliche Person. Zusätzlich betont sich im Laufe der Verhandlungen mehrfach ihre Rolle als Mutter. Ein Nachrichtenverlauf mit ihrer Mutter nach der Tatnacht eröffnet ein anders Bild von ihr:
„Was habt ihr da angestellt? Molli ins Asylbewerberheim. Ne ne ne“, fragte die Mutter, versehen mit einem Tränen lachenden Smiley. Saskia B. antwortete: „Wir haben alle artig Heia gemacht. Aber schadt ja nichts.“
„Schadt ja nichts“ bedeute so viel wie „Es hat die Richtigen getroffen“, konstatiert Rosenbusch am Donnerstag. „Damit haben Sie sich eindeutig positioniert.“ Ebenso damit, dass Saskia B. damit kokettierte, ihrem zweijährigen Sohn beigebracht zu haben, „Sieg Heil“ zu sagen. „Es zeigt, welch Geistes Kind Sie sind“, so Rosenbusch. (Spiegel Online)
Zuvor scherzten Saskia B. und Sascha D. auf Whatsapp noch damit, ihren Kindern die Worte „Sieg Heil“ und „Hitler“ beigebracht zu haben.
Unter Gender-Aspekten lassen sich hier interessante Beobachtungen machen: Während oft die rechtsextremen Täterinnen eher als Mitläuferinnen wahrgenommen und entsprechend milder bestraft werden – auch hier hatte ja Saskia B. „nur“ das Auto gefahren – belegen ihre Whatsapp-Kommentare deutlich, wie verinnerlicht ihr die rechtsextreme Menschenverachtung war. Während ihr Freunde sich betrinken, bleibt sie absichtlich nüchtern und damit voll zurechnungsfähig, als ihre Freunde den Brandsatz in das Haus werfen, in dem zur Tatzeit insgesamt 40 Personen leben. Gezielt suchen die Täter_innen eine schwarze Mutter mit vier Kindern aus, weil sie offenkundig besonders großen rassistischen Hass gegen schwarze Menschen hegten. Von Empathie: Keine Spur.
Dies schlug sich auch im Urteil am Landgericht Hannover am 17.03.2016 nieder: Der 31 jährige Haupttäter Dennis L. wurde zu acht Jahren, Sascha D. zu sieben Jahren Haft verurteilt. Saskia B. muss für viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Ihr Urteil fällt daher noch etwas härter – nämlich vier Monate länger – aus als von der Staatsanwaltschaft verlangt. Der Vorsitzende Richter begründete das Urteil mit dem rechtsextremen und rassistischen Weltbild der Angeklagten. Grundlage sei der „nationalsozialistisch unterlegte Rassenhass aller drei Angeklagten“ gewesen. Die Staatsanwältin spricht von einer Tat auf „unterster sittlicher Stufe“.
„Das, was Sie getan haben, ist nichts anderes als das, was die SA am 9. November 1938 getan hat. […] Das ist die Reihe in die Sie treten. […] Was Sie gemacht haben, ist nichts anderes als ein gemeiner Terrorismus“, so Richter Wolfgang Rosenbusch in seiner Urteilsbegründung.
Die Fachstelle Gender und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung begrüßt das Urteil des Landesgerichts Hannover. Besonders die Verurteilung der an der Tat beteiligten Frau, Saskia B., hebt die Fachstelle positiv hervor. Oftmals werden rechtsextreme Frauen von Polizei und Justiz mit ihrer durchaus relevanten Beteiligung nicht wahrgenommen oder unterschätzt. Mit der Anklage gegen Beate Zschäpe und dem öffentlichen Diskurs über die Rolle und Funktion von Frauen in rechtextremen Szenen, lässt sich eine erhöhte Sensibilisierung bei Medien und auch Justiz erkennen: Etwa an diesem gerechtfertigten Urteil.
Protokoll zweier Prozesstage am Landgericht Hannover
https://rassismusundjustiz.noblogs.org/prozessprotokolle/brandanschlag-salzhemmendorf/