Im Herbst 2007 gründeten Samy Deluxe gemeinsam mit dem Basketball-Trainer Marvin Willoughby und Julia von Dohnanyi das Projekt ?Crossover?. Die Idee war, etwas gegen die wachsenden Grenzen zwischen Kindern unterschiedlicher Stadtteile und Schulformen in Hamburg zu unternehmen. Unter anderem geschieht dies mit Musik- und Sportprojekten im Schulunterricht und in Projekten wie der „Deutschlandreise“, bei dem Samy Deluxe Schüler in „Problemzonen“ Deutschlands bereiste, um mit ihnen zu diskutieren.
Die Fragen stellte Bea Marer.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, den Verein ?Crossover? zu gründen?
Samy Deluxe: Julia von Dohnanyi, Marvin Willoughby und mir fällt seit Jahren täglich bei der Arbeit oder in der Familie auf, was für Konflikte im Alltag entstehen, wenn an den bestehenden Integrationsproblemen nicht gearbeitet wird. Man trifft beispielsweise immer wieder auf Jugendliche aus unterschiedlichen Stadtteilen, die scheinbar von einer unsichtbaren Grenze getrennt werden und neben einander herleben. Deshalb haben wir Crossover e.V. gegründet.
Sehen Sie sich als prädestiniert, solche Projekte mit Schülern zu machen, weil Sie aufgrund Ihrer eigenen Vergangenheit vielleicht eher sensibilisiert sind als andere?
Ich denke schon, dass ich aufgrund meiner Vergangenheit anders, vielleicht sogar sensibler auf bestimmte Themen reagiere. Meine Hoffnung ist, dass das betroffenen Jugendlichen in ihrer Situation hilft. Doch ich denke nicht, dass mich das mehr als andere Menschen dazu befähigt, mit Schülern und Jugendlichen zu arbeiten.
Welche Botschaft wollen Sie den Kindern bei den „Crossover“-Projekten vermitteln?
Dass es sich lohnt, offen und neugierig auf andere Menschen und deren Überzeugungen zuzugehen.
Sie sagen in einer Dokumentation zum Projekt, dass man als Mensch nur wachse, je mehr andere verschiedene Menschen und Einstellungen man kennen lerne; dass man das brauche, um voranzukommen. Welche Situationen gab es in Ihrem Leben, wodurch Ihnen das bewusst wurde?
Das wird mir eigentlich jeden Tag bewusst. Ich treffe täglich auf die verschiedensten Menschen, die aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen und manchmal gar nichts mit Hip Hop oder überhaupt mit Musik zu tun haben. Auch bei diesen Menschen muss ich mich gut präsentieren können, um voranzukommen.
Früher wurde mir das oft klar (gemacht), weil ich aufgrund meiner Herkunft und Hautfarbe als Fremder angesehen wurde, obwohl ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bin.
Hat Sie während eines „Crossover“-Projektes etwas überrascht, das Sie so nicht erwartet hätten?
Es gab einige Situationen, bei denen wir überrascht waren. Bei einem unserer ersten Workshops ist uns deutlich geworden, dass die Differenzen zwischen den Jugendlichen teilweise noch größer sind, als wir dachten. Der Ton untereinander ist manchmal echt heftig und Vorurteile zwischen Schülern unterschiedlicher Schulen sind sogar so groß, dass bei einem Projekt Sachschäden entstanden sind. Was mich verblüfft hat, war, wie realistisch die Jugendlichen ihre Situation doch einschätzen können. Was leider auch bei vielen mit einer gewissen Perspektivlosigkeit verbunden ist.
Gibt es noch Kontakt zu den Kindern=Halten die entstandenen Freundschaften von Kindern aus unterschiedlichen sozialen Schichten über die Crossover-Projekte hinaus?
Für mich ist es leider schwierig mit den Kindern in Kontakt zu bleiben, weil ich meine Telefonnummer nicht einfach rausgeben kann und auch nicht viel Zeit habe. Julia hält hingegen mit einigen Jugendlichen noch eng Kontakt. Mit manchen über Mail, mit anderen sogar über Telefon. Was mich freut ist, wenn ich die Kinder auf Konzerten oder Festivals, oder manchmal sogar in Hamburg auf der Straße treffe.
Sie haben eine sehr eigene Sicht auf die deutsche Geschichte, und meinten u.a., wegen der Nazizeit sei unsere Zukunft versaut, die Alten seien deshalb frustriert und die Jungen müssten es ausbaden. Was konkret meinen Sie damit?
Ich bin der Meinung, dass die ältere Generation, deren Eltern, oder die selber in dieser Zeit gelebt haben, dazu neigen, ihren wenig positiven Ausblick auf Deutschland auf die jüngere Generation zu übertragen. Verständlicherweise gibt es aus dieser Generation eher wenige, die einen gewissen Nationalstolz weitergeben wollen und können. Nationalstolz ist für sie ausschließlich negativ besetzt. Doch diese negative Einstellung ist für mich gar nicht das Schlimmste. Was ich viel schlimmer finde ist, dass es oft keine Kommunikation zwischen den verschiedenen Generationen gibt und sich viele ältere Menschen sich einfach verschließen.
Eines Ihrer Statements lautet, Deutsche sollten wieder stolz auf Deutschland sein dürfen und nicht wegen Ereignissen von vor über 60 Jahren immer noch beklemmt sein. Kann das auf junge Menschen nicht verharmlosend wirken? Hat das nicht auch ein steigendes Desinteresse zur Folge, wenn den neuen Generationen vermittelt wird, das sei alles schon lange vorbei und deshalb nicht mehr wichtig?
Was ich in Deutschland schwierig finde, ist die Art und Weise, wie mit der Vergangenheit umgegangen wird. Aufklärung und Beschäftigung mit der Geschichte, insbesondere von seinem eigenen Land, finde ich extrem wichtig. Natürlich darf man nicht vergessen, wie es zu der Nazizeit gekommen ist, gerade junge Menschen nicht.
Doch ich bin der Meinung, dass diese negativen Gedanken gerade die junge Generation lähmen können und man lieber aktiv werden sollte, damit dieses Gedankengut in den Köpfen keinen Platz mehr findet.
Betreuen Sie noch andere Projekte?
Unser Verein macht durchgehend Projekte an Schulen. Darüber hinaus laufen auch noch Sonderprojekte. Im Juli haben wir beispielsweise eine zweiwöchige Kulturreise gemacht, bei der wir in einem Nightliner mit Jugendlichen in ganz Deutschland herumgefahren sind und viel über unsere Kultur und Geschichte gelernt haben. Im Frühjahr 2010 starten wir mit einer Lesereise.
Weblinks: