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Sexismus im Stadion

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In Deutschland, ebenso wie im Rest Europas und in Südamerika, gilt Fußball noch immer als ein Synonym für Männlichkeit: Alle kleinen Jungs gehören auf den Bolzplatz, alle Männer interessieren sich für die Bundesliga ? Fußball ist traditionell ein Sport von Männern und für Männer. Auch wenn diese Sichtweise, vor allem dank der rasant wachsenden Popularität des aktiven Fußballs bei Frauen und Mädchen, langsam beginnt sich aufzulösen, prägt sie doch die Kultur des Fußballs und ist Grundlage der dort weit verbreiteten sexistischen Diskriminierungen. Offensichtliches Merkmal ist die weitgehende Abwesenheit von Frauen in leitenden und sichtbaren Positionen in Vereinen, Verbänden oder Fußballjournalismus. Das Publikum im Stadion besteht längst nicht nur aus Männern (in der 1. und 2. Bundesliga kann man von einem Frauenanteil von 25 bis 30 Prozent ausgehen), eine Ansprache der Fans als ?Jungs? und ?12. Mann? ist aber dennoch gang und gäbe. Auch Fangesänge mit sexistischen Motiven erfreuen sich großer Beliebtheit: Ob im Feiern aggressiver Männlichkeit oder Vergewaltigungsszenarios, Frauen tauchen in diesen Liedern nur als Objekte auf, als ?dicke Titten?, ?Fotzen?, als Besitz der gegnerischen Fans, der erniedrigt werden muss. Ähnliches gilt für Fanschals oder Aufnäher mit sexistischen Motiven.

Kultur der Männlichkeit

Die frauenfreien Altherren-Runden in Vereinen und Verbänden und der finsterste Sexismus aus der Kurve sind zwar augenfällige Beispiele für die Diskriminierung von Frauen und Mädchen, dennoch gibt es für das Thema Sexismus in der Fußballszene wenig Sensibilisierung. Vorurteile über Frauen im Stadion oder auf dem Rasen (haben keine Ahnung von den Regeln, interessieren sich nur für das Aussehen der Spieler, können nicht Fußball spielen usw.) sind sehr stark im Alltagsdenken ? auch außerhalb der Fußballwelt ? verankert und werden zum Beispiel auch über die Medien immer wieder problemlos neu belebt. Die im Fußball weit verbreitete Kultur der Männlichkeit, die auf und neben dem Platz bestimmte Ideale wie (körperliche) Härte, Kampf- und Einsatzwille, Kameradschaft und auch Trinkfestigkeit einfordert, ist schlecht vereinbar mit dem, was als weiblich, schwach und weich gilt. Kein Wunder also, dass die ehemalige Bundesligaspielerin Tanja Walther in Ronny Blaschkes Buch ?Im Schatten des Spiels?mit den Worten zitiert wird: ?Homophobie und Sexismus gehören zum Fußball wie die Abseitsregel.?

Frauen (und Männer) in der Kurve

Der Umgang mit sexistischer Diskriminierung im Stadion ist für weibliche Fans sehr schwierig, gerade weil Sprüche von ?Wo ist denn dein Freund?? oder ?Erklär doch mal Abseits? bis zu ?Auszieh?n, auszieh?n? quasi zum guten Ton gehören. Frauen, die regelmäßig ins Stadion gehen und dort ihre festen Bezugsgruppen haben, fühlen sich in der Regel zwar anerkannt und respektiert, aber auch sie müssen Kämpfe austragen und haben sich meist eine dicke Haut zugelegt. Kleine Einblicke in die Geschlechterverhältnisse der Fußballszene liefert der Film ?Gate Eight? über die Ultras Nürnberg, aber auch Interviews und Texte in den (wenigen) Büchern zum Thema.

Ein Weg zur Stärkung der eigenen Position kann auch darin bestehen, Fußball in rein weiblichen Gruppen zu (er-)leben, seien es informelle Freundinnengruppen oder auch offizielle Frauen-Fanklubs, die es mittlerweile bei einer ganzen Reihe von Vereinen gibt und die zum Teil mit eigenem Banner im Stadion sichtbar sind. Wie gut das funktionieren kann, erfährt man zum Beispiel auf der Website der Aachener TivoliTussen in der Rubrik ?Über uns?:

?Bisher war jede für sich alleine auf dem Tivoli und Auswärts unterwegs. Nun machen wir Tussen dies mit viel Spaß und Freude gemeinsam. Der erste große Wunsch war eine eigene Zaunfahne, die dann zum ersten Mal beim Spiel gegen Aue zum Einsatz kam. Natürlich in Rosa, was bei einigen Herren der Schöpfung zuerst fast einen Infarkt auslöste *gg*. Mittlerweile war sie mit uns beinahe auf jedem Auswärtsspiel dabei und Man(n) gewöhnt sich doch so langsam daran.?

Auf Workshops, Austausch und Aktionen setzt das Netzwerk F_in Frauen im Fußball www.f-in.org, in dem sich Frauen aus verschiedenen Bereichen des Fußballs (Fangruppen, Fan-Projekte, Journalismus, Forschung usw.) zusammengeschlossen haben. Die sozialpädagogisch arbeitenden Fan-Projekte treten zum Teil mit spezifischen Angeboten für Frauen und Mädchen an, das kann die eigene Frauentoilette im Zug bei der Auswärtsfahrt sein, ein Diskussionsabend oder auch Angebote zum aktiven Fußballspiel für weibliche Fans. Auch die Vereine selbst können ganz einfach Zeichen gegen sexistische Diskriminierung setzen, indem sie sie in ihrer Stadionordnung benennen. Textvorlagen hierzu liefern der FC St. Pauli oder SV Babelsberg 09. Auch das Bündnis aktiver Fußballfans hat ?Fußball und Geschlecht? zu einem seiner Themen gemacht und sorgt so für größere Sensibilisierung. ? Diese Beispiele zeigen, dass Sexismus nicht als ?Frauenproblem? betrachtet werden muss, sondern das Eintreten dagegen durchaus auch Anliegen männlicher Fans und Funktionäre sein kann.

Dieser Text wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der Deutschen Sportjugend

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