Der Medienaktivist und Creator Dominik Lucha verwendet Instagram, um rassistischen Diskriminierungserfahrungen Sichtbarkeit zu verschaffen. Momentan beendet er sein Studium in Medienmanagment und betreut nebenher den Account. Auf @Wasihrnichtseht veröffentlicht er täglich kurze Schilderungen alltags-rassistischer Vorfälle, die ihm von Black+Indigenous+People of Color (BIPoC) zugesendet werden.
Täglich werden auf @Wasihrnichtseht 3 Posts auf Instagram hochgeladen. Das Konzept ist simpel aber effektiv: Auf den schwarzen Kacheln wird in weißen Blockbuchstaben eine rassistische Diskriminierung aus dem Alltag geschildert. Der Briefkasten des Accounts quillt über, ein Ende der Postings ist daher nicht in Sicht. Dominik Luchas Account hat mittlerweile beachtliche 87 000 Follows und es werden täglich mehr.
1. Wie ist die Idee zum Instagram Kanal @Wasihrnichtseht entstanden?
Ich hatte mich nach dem Tod von George Floyd auf meinem eigenen Kanal mit dem Thema beschäftigt. Dann folgte ein Moment, an dem ich mich mit den eigenen Erfahrungen beschäftigt habe. Am Folgetag, hatte ich mit einigen Freunden zum Thema geschrieben – daraus entstand eine spontane Idee, welche ich erst auf dem eigenen Instagram Profil teilen wollte, dann aber gemerkt hab, dass es einen eigenen Raum dafür braucht.
2. Warum hast du dich für dieses Format entschieden?
Ich habe festgestellt, dass die Leute plötzlich über uns reden. Das fand ich aufwühlend und unglaublich verwirrend. Ich wollte eine Plattform schaffen, auf der wir selbst zu Wort kommen. Und die Anonymität nutzen können. Instagram war es also einfach, weil ich die Plattform gut verstehe und mich dort natürlich bewege. Ich bekomme Einsendungen und mache diese auf der Plattform sichtbar. Ich versuche mich dabei bewusst von “Racism Porn” abzugrenzen. Mir ist bewusst, dass dies ein schmaler Grat ist. Mir schreiben Betroffene, dass sie das noch nie mit jemandem geteilt haben oder wie gut es ist, zu wissen, dass man damit nicht alleine ist. Andere fühlen sich nicht mehr allein.
3. 2013 ging der Hashtag #schauhin zu Alltagsrassismus viral. Du hast den Hashtag #wasihrnichtseht für dein Projekt gewählt. Bei beiden geht es um Sichtbarkeit. Zufall?
Ich bin kein Rassismus-Experte, da gibt es so großartige Expert*innen und ich trete nur in ihre Fusstapfen. Und ich ich habe es mitnichten erfunden, das Menschen mit Rassismuserfahrungen seit Jahren darüber auch online berichten. Der Hashtag/Titel der Seite entstand aber super spontan. Aktuell ist es ein Strudel und viele Erlebnisse, die mir berichtet werden. Der Kanal ist nur die Spitze des Eisbergs. Mit den vielen Geschichten die mich erreichen, kann ich bereits trotz den 3 Postings am Tag, eine lange Zeit den Kanal füllen.
Ich denke aber nicht, dass es Zufall ist. Das es um die Sichtbarkeit geht, liegt glaube ich daran, dass das Problem von Rassimuserfahrungen oft ist, dass Menschen, die diese nicht erleben müssen, sie auch nicht sehen (wollen) – vielleicht kann die Sichtbarkeit für Verständnis sorgen. Ich hoffe, das mehr Menschen verstehen, dass sie bewusste Antirassist*innen werden müssen.
4. Welches Feedback bekommst du für deinen Kanal?
Es gibt vor allem zwei Arten von Feedback. Einmal melden sich Menschen, die keine Rassismuserfahrugnen machen müssen – die schreiben, dass ihnen die Schilderungen die Augen geöffnet haben. Zum anderen schreiben mir von Rassismus betroffene Menschen, dass sie endlich verstehen, dass sie mit den Erfahrungen nicht alleine sind.
5. Gibt es auch negatives Feedback?
Ich wünsche mir, das Postings mit den Erfahrungen Betroffener nicht relativiert werden. Die Personen die ihre Geschichten erzählen, können die geschilderten Situationen sehr gut einschätzen. Ich freue mich immer sehr, wenn dieser Kanal dazu beitragen kann, Menschen, die keine Erfahrungen mit Rassismus machen müssen, die Augen zu öffnen und sie zu sensibilisieren.
Echten Hass gab es in den Kommentaren bisher sehr selten und wenn ich Hasskommentare entdecke, werden die auch einfach gelöscht. Das Schlimmste bisher war eine rassistische „Direkt Message (DM) von einem „White Supremacist“, der mir Bilder von versklavten Menschen geschickt hat.
6. Was würdest du anderen empfehlen, die sich digital engagieren wollen? Auf was muss man achten?
Ich würde zunächst empfehlen, auf das eigene Bauchgefühl zu hören und nicht zu lange strategisch zu überlegen. Man findet sonst vielleicht zu viele mögliche Probleme, die einen davon abhalten, das Vorhaben umzusetzen. Wenn man gestartet ist, macht es Sinn, sich und das Vorhaben oft zu hinterfragen und zu adaptieren. Ich glaube vor allem, im Digitalen ist Agilität gefragt.
Das Interview ist Teil des Onlineratgebers: Social Media-Tipps für die Zivilgesellschaft
des Projektes „Civic.net – Aktiv gegen Hass im Netz“ der Amadeu Antonio Stiftung. Den gesamten Ratgeber finden Sie hier: