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„Spaziergänge“ im Februar 2022 Bedrohte Journalist:innen und Einschüchterungsversuche gegen Politiker:innen

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„Spaziergänger:innen“ in Saarbrücken: Unter den Demonstrierenden sind rechte Kader, viele sind gewaltbereit
„Spaziergänger:innen“ in Saarbrücken: Unter den Demonstrierenden sind rechte Kader, viele sind gewaltbereit (Quelle: Kai Schwerdt/CC BY-NC 2.0)

Während die Politk erste Lockerungsschritte der Corona-Schutzmaßnahmen in Aussicht stellt, bleibt die Gewaltbereitschaft im „Querdenken“- Milieu weiter hoch. Bei zahlreichen Demonstrationen bundesweit kommtes auch im Februar zu Auseinandersetzungen mit Gegendemonstrant:innen und der Polizei. Insbesondere Vertreter:innen der Kommunalpolitik und Journalist:innen geraten dabei ins Fadenkreuz rechter Einschüchterungsversuche. Während der Interessenverband Junger Bürgermeister:innen in einem Brief die zunehmende Gefahrenlage beklagt, wollen Sicherheitsbehörden Journalist:innen bei Demos künftig besser schützen.

Junge Bürgermeister:innen beklagen Radikalisierung

Spätestens seit der Kundgebung vor dem Privatwohnsitz der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) im Dezember 2021 haben die Leugner:innen der Covid-19-Pandemie derartige „Hausbesuche“ bei unliebsamen Politiker:innen als einschüchternde Aktionsform für sich “entdeckt” – beziehungsweise als Strategie von den Rechtsextremen in ihren Reihen übernommen. Im Januar 2022 hatte der AfDler Jörg Dornau erfolglos versucht, eine weitere Demonstration vor Köppings Wohnsitz abzuhalten. Julian Vonarb, dem parteilosen Oberbürgermeister von Gera, statten Rechtsextreme und Impfgegner:innen im selben Monat gleich zwei Visiten ab.

Im Februar 2022 scheint sich dieser Trend fortzusetzen. Denn auch Daniel Szarata, der Oberbürgermeister von Halberstadt, wird am 14. Februar 2022 zur Zielscheibe eines „Spaziergangs“. Ausgestattet mit szenetypischen Requisiten wie Fackeln und Bengalos marschierten 700 Pandemie-Leugner:innen vor Szaratas’ Haus. Die Kundgebung wurde von der IB-nahen Neonazi-Gruppe „Harzrevolte“ organisiert. Szarata selbst beschreibt später das Auftreten der mit Trommeln und Trillerpfeifen lärmenden Demonstrierenden als bedrohlich, zumal auch seine Familie zu Hause war. In einer Pressemitteilung spricht der Oberbürgermeister folglich von einer „Grenzüberschreitung“.

Dass diese Grenzüberschreitung nicht die einzige war, untermauert ein offener Brief des Netzwerks „Junge Bürgermeister*innen“ vom 19. Februar 2022. Neben den bereits erwähnten Fackelzügen warnen 27 Bürgermeister:innen auch vor der Verschärfung des Tons in den Sozialen Medien. Dort beobachten sie „nicht zu tolerierende Beleidigungen auf Amtsträger, mithin sogar Morddrohungen.“ Kommunalpolitiker:innen sehen sie dabei besonders bedroht. Denn diese würden „den unmittelbaren Kontakt zu ihren Mitbürgern“ pflegen. Allerdings erfahren sie nicht denselben Personenschutz wie Amtsträger:innen höherer Ebene. Von den Sicherheits- und Versammlungsbehörden fordern sie deshalb ein konsequentes Handeln und die stringente Durchsetzung von Auflagen.

Auch Journalist:innen bedroht

Auch im Februar hindern die „Spaziergänger:innen“ Journalist:innen wiederholt an ihrer Arbeit. Für Aufsehen sorgt dabei ein Video, das den Angriff auf zwei Reporter:innen des Netzwerks „vue.critique“ und ihren Begleitschutz bei einer unangemeldeten Veranstaltung von Pandemie-Leugner:innen in Dresden-Laubegast vom 13. Februar 2022 zeigt. Zu sehen ist, wie eine Frau von aggressiven Demonstranten beschimpft und zu Boden geworfen wird. Der MDR berichtet, dass sich der Begleitschutz mit Pfefferspray zu Wehr setzte. Deshalb leitet die Polizei Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung ein – gegen alle Parteien. Bei den Journalist:innen stößt dieses polizeiliche Vorgehen auf wenig Verständnis.

Am 21. Februar 2022 werden auch in Erfurt zwei Journalisten mit ihrer Begleitperson zu Opfern eines rechtsextremen Angriffs. Die Gewalt wird ermöglicht, nachdem die Polizei die Szenerie verlassen hat, obwohl die Demo und die Berichterstattung noch im Gange sind. Nach eigener Angabe erleiden die betroffenen Journalisten Tritte und Schläge, ein Teil der Demonstrierenden verfolgt sie. Sie brechen die Berichterstattung daraufhin ab. Die Polizei leitet später ein Ermittlungsverfahren ein.

Derartige Vorfälle sollten bei den Behörden für ein Umdenken sorgen. In einigen Bundesländern richtet die Polizei bei verschwörungsideologischen Kundgebungen eigene „Safe Spaces“ für Journalist:innen ein. So etwa in Niedersachsen, Berlin und Bremen. In Baden-Württemberg betreiben die Behörden unter dem Namen „Medien Safety Points“ ein ähnliches Konzept. Das geht aus einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter Landeskriminalämtern und -ministerien hervor. Die Polizei in Sachsen habe demzufolge eigene Medienschutzteams im Einsatz.

Der epd spricht von insgesamt 40 Übergriffen in den vergangenen Monaten. Die Daten sind indes unvollständig, denn in zahlreichen Bundesländern werden die Berufe von Gewaltopfern nicht erfasst. Der Deutsche Journalisten-Verband erklärte bereits im Januar 2022, die „Qualität der Bedrohung“ für Journalist:innen habe im Zuge der verschwörungsideologischen Demonstrationen eine neue Stufe erreicht. Die einstigen „Lügenpresse“-Rufe von Pegida entwickelten sich demnach zu einer ernstzunehmenden körperlichen Gefahr.

Das Artikelbild wurde unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC 2.0 veröffentlicht.

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