Anstieg der Angriffe gegen Flüchtlingsunterkünfte
Die Amadeu Antonio Stiftung und PRO ASYL stellen einen besorgniserregenden Anstieg der Angriffe gegen Flüchtlingsunterkünfte fest. Für 2014 lassen sich bereits jetzt 21 gewalttätige Angriffe auf Unterkünfte zählen, darunter zwölf Brandstiftungen sowie sieben tätliche Übergriffe auf Einzelpersonen. Schon 2013 stieg die Anzahl laut Bundeskriminalamt mit 58 Gewalt- und Propagandadelikten auf mehr als das Doppelte gegenüber dem Vorjahr (2012: 24), wobei zu vermuten ist, dass die Dunkelziffer noch höher liegt.
Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, stellte auf der Pressekonferenz zur Vorstellung der Kampagne auch den Zusammenhang zwischen der Hetze gegen Flüchtlinge und gewalttätigen Übergriffen gegen diese her. Vor allem sogenannte „Bürgerinitiativen“, oft ein Deckmantel für NPD und andere Rechtextreme, betreiben Hetze gegen Flüchtlingsunterkünfte online und offline. So wird versucht, die allgemeine Stimmung gegen Flüchtlinge zu wenden. Allein 2013 fanden über hundert Demonstrationen statt, von denen die Mehrzahl von der NPD und der freien Kameradschaftsszene organisiert wurden. Für 2014 lassen sich bis Ende Februar bereits 24 solcher Demonstrationen zählen.
Wahlkampf auf dem Rücken der Flüchtlinge
Auch im Rahmen der anstehenden Europa- und Kommunalwahlen wird bereits Wahlkampf auf dem Rücken von Flüchtlingen und Migrant*innen betrieben. Parteien von der NPD über Pro Deutschland bis zur Alternative für Deutschland (AfD) instrumentalisieren die gestiegenen Asylantragszahlen für ihre Zwecke und verbreiten rassistische Polemik (Kriminelle Ausländer, Gefahr für die Kinder, Wertverlust von Immobilien). Für AfD und NPD scheint bereits jetzt der Einzug in Europaparlament und dutzende Kommunalparlamente sicher zu sein, auch extrem rechte Kleinstparteien setzen lokal auf das Thema, so wie Die Rechte und Der III. Weg.
„Rechtspopulismus und Rechtsextremismus sind keine Alternative für Deutschland“, sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL. Auch die CSU begehe einen strategischen Fehler, wenn sie mit Slogans wie „Wer betrügt, fliegt“ Stimmung mache und so AfD und anderen den Boden bereite, so Burkhardt weiter.
Zum Wegfall der 3-Prozent-Hürde für die Europawahlen in Deutschland, meinte Timo Reinfrank, dass das Problem weniger die möglichen 1 bis 2 Sitze für die NPD im Europaparlament seien, sondern die 300 Kommunalpolitiker*innen verschiedener rechtsextremer Parteien, die bereits in kommunalen Parlamenten in Deutschland vertreten sind. Günter Burkhardt warnte außerdem davor, dass Europa generell vor einer rechtspopulistischen Wende stehe. Deshalb müsse auch eine inhaltliche Auseinandersetzung stattfinden. „Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Sie stehen nicht zur Disposition und über sie kann schon gar nicht abgestimmt werden“, sagte Burkhardt im Hinblick auf die Forderung vieler rechtsextremer und rechtspopulistischer Parteien, den Schweizer Volksentscheid zur Zuwanderungsbegrenzung auch auf Deutschland zu übertragen.
Was kann getan werden gegen rassistische Hetze und Übergriffe?
Wolfgang Thierse, Bundestagspräsident a.D., sagte, es gehe zum einem darum, Wissen zu vermitteln. Es müsse über Fluchtgründe und Grundrechte von Flüchtlingen aufgeklärt werden, auch unter Politiker*innen. Zum anderen müssten Menschen ermutigt werden, engagiert zu handeln, vor allem auch Kommunalpolitiker*innen, da diese vor Ort die Verantwortung hätten. Timo Reinfrank forderte die Kommunen auf, ihre Handlungsspielräume besser zu nutzen, etwa indem die Sicherheit der Flüchtlinge durch eine dezentrale Unterbringung besser gewährleistet wird. Auch die Polizei müsse präsenter sein, wenn Flüchtlingsunterkünfte von Übergriffen bedroht seien.
Einig waren sich alle auf dem Podium, dass eine „Willkommenskultur“ geschaffen werden müsse. Im Rahmen der Kampagne „Pro Menschenrechte. Contra Vorurteile und Rassismus“ haben die Amadeu Antonio Stiftung und PRO ASYL gemeinsam Handreichungen für die Arbeit vor Ort erstellt:
• In „Refugees Welcome. Gemeinsam Willkommenskultur gestalten“ werden zahlreiche positive Fallbeispiele für ein gelingendes Miteinander vorgestellt.
• „Die Brandstifter“ erläutert die Strategien der extremen Rechten gegen Flüchtlinge und zeigt Handlungsoptionen auf.
• „Pro Menschenrechte. Contra Vorurteile“ räumt in kurzer Form mit den gängigsten Vorurteilen gegen Flüchtlinge auf.
Diese Broschüren finden Sie zum Download auf
| www.amadeu-antonio-stiftung.de/hetze
„Nein zum Heim“-Seiten auf Facebook
Im Projekt no-nazi.net beobachtet die Amadeu Antonio Stiftung rechtsextreme Strategien in Sozialen Netzwerken. Die Einrichtung von Facebook-Seiten gegen existierende oder geplante Flüchtlingsheime ist derzeit besonders beliebt und stößt oft auf viel Zustimmung. Allerdings werden viele Seiten auch von Facebook gelöscht, wenn sie zu offen rassistisch sind, zu Gewalt aufrufen oder anderweitig gegen Facebook-Nutzerregeln verstoßen, so dass es immer Fluktuation gibt.
Anfang März ist der Stand wie folgt:
Es gibt rund 50 Seiten gegen Flüchtlingsunterkünfte online. Parallelen bestehen im Namen („Nein zum Heim“, „Asylflut stoppen“,…) und dem Auftreten (so tragen viele den von der NPD propagierten roten Button, der einen depressiven Smiley zeigt, der mit dem Daumen nach unten weißt, und die Aufschrift trägt „Asylmissbrach – nein danke!“).
Die regionalen Seiten haben insgesamt 59.046 Likes, davon entfallen 27.256 auf die sächsischen Seiten. Natürlich gibt es bei den Likes Überschneidungen, denn oft kommentieren auf vielen Seiten die gleichen Personen.
Es gibt eine bundesweite Vernetzungsseite („Keine Asylantenheime in Deutschland“) mit 17.856 Likes. Bei dieser ist eine klare Überschneidung mit der NPD erkennbar. Diese Seite teilt alle neu entstehenden regionalen Seiten und sorgt so für eine gute Vernetzung.
Generell kann bei vielen dieser Seiten davon ausgegangen werden, dass die NPD sie steuert, entscheidend mitwirkt oder zumindest inspiriert.
Zahlen
59.046 Likes bei den regionalen Seiten (27.256 in Sachsen, 8.540 in Thüringen, 8.567 in Berlin, 5.524 in Brandenburg)
21.012 Likes bei überregionalen und bundesweiten (Vernetzungs-)Seiten, davon 17.856 bei „Keine Asylantenheime in Deutschland“
42 regionale Seiten gefunden, darüber hinaus wurden viele aber auch in letzter Zeit gelöscht
Bisher keine Seiten gefunden in 6 Bundesländern (Bayern, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Saarland, Schleswig-Holstein)
Mitarbeit: Merle Stöver