Das „Z“ erregte vor einigen Wochen auf Twitter erstmals Aufmerksamkeit, als es auf russische Militärkonvois gesichtet wurde, die in die Ukraine rollten.
In Russland wurde der Buchstabe in kürzester Zeit zu einem wesentlichen Bestandteil der staatlichen Propagandamaschine. Nach Angaben der New York Times verkaufte der – inzwischen in Deutschland verbotene – russische Sender RT kurz darauf schon ersten “Z”-Merch im Online-Shop. Kurz darauf tauchte eine weitere russische Werbekampagne mit einem großen “Z” auf Plakatwänden in mehreren Großstädten auf: Das “Z” war hier aus einem Sankt-Georgs-Band geformt und war in den russischen Militärfarben Schwarz und Orange gehalten. Seitdem hat sich die schwarz-orange Farbgebung in Verbindung mit dem Zeichen scheinbar durchgesetzt, wie auch Instagram Posts des russischen Verteidigungsministeriums zeigen.
Darüber hinaus nutzen russische Politiker:innen den Buchstaben als neues pro-russisches Erkennungsmerkmal: Ein Gouverneur benannte den inoffiziellen Titel von Oblast Kemerowo in „KuZbass“( vgl. Moscow Times) um, eine ehemalige amerikanische Spionin, Marija Walerjewna Butina (mittlerweile russische Abgeordnete), hat sich im “Z”-T-Shirt (vgl. Daily Mail) fotografieren lassen und ein weiterer Abgeordneter, Mikhail Delyagin (vgl. Dazed Digital), entschied sich für einen “Z”-Anstecker.
Die Geschichte des “Z”
Die Verwendung von Symbolen ist ein grundlegender Bestandteil einer jeden politischen Bewegung, die was von sich hält. Symbole wurden dabei in der Vergangenheit immer wieder zu propagandistischen Zwecken missbraucht, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen und Sympathien für eine Bewegung zu gewinnen.
So ist die Feststellung immer wieder erschreckend, dass bestimmte Zeichen eine unglaubliche Kraft besitzen können und starke Reaktionen hervorrufen – sie können sogar unwiderruflich zu Zeichen des Hasses werden. Die Umstände, unter denen ein Symbol entsteht und in der Gesellschaft ankommt, machen selbst aus einem einfachen Buchstaben ein potenziell gefährliches Propagandainstrument. Gerade deswegen ist es wichtig, sich die Funktionen und Instrumentalisierungen genau anzuschauen.
Zu jedem Symbol gehört eine brisante Ursprungsgeschichte, die gleichzeitig Sympathien schürt und sinngebend funktioniert. Ein Zeichen, mit dem sich Menschen identifizieren können, schweißt sie für ein höheres Ziel zusammen. Was “Z” anbelangt, gibt es mittlerweile viele Geschichten, die es mit Bedeutung laden.
Die wichtigsten Interpretationen zur Bedeutung des Buchstabens im russischen Angriffskrieg:
- Erkennungszeichen russischer Truppen unter sich – russische Truppen sollen sich das Symbol auf ihre Militärkonvois gemalt haben, um “friendly fire” oder den Beschuss eigener Truppen zu verhindern.
- “Z” wie “Operation Z” – russische Medien sollen den Angriffskrieg auf die Ukraine mit dem Codenamen “Operation Z” betitelt haben. Diese Hypothese stammt von einem Sicherheitsexperten für das Online Magazin The Conversation.
- Platzhalter für den “Westen” – Insider spricht davon dass einige das „Z“ als Abkürzung für „zapad“ (oder Westen) interpretieren und die nach Westen gerichtete Infanterie bezeichnen soll.
- Symbol des Sieges – Das russische Verteidigungsministerium selbst spricht davon, dass es eigentlich als Abkürzung für „za pobedy“ – den russischen Begriff für „Sieg“ – stehen soll. Später erscheinen Instagram Posts auf der Seite des Verteidigungsministeriums, die das Zeichen mit “Demilitarisierung” und “Denazifizierung” gleichstellen.
- “Ziel Nummer eins” – CNN berichtet dass neben “Sieg” und “Westen”, “Z” das selbsternannte „Ziel Nummer eins“ des Kremls sei und für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelenski, stehen könnte.
Von “Q” bis “Z”
Sprache ist fast immer politisch und das gilt auch für einzelne Buchstaben. Deswegen ist die Fantasie, “Z” könne das neue “Q” werden, naheliegend. Das Q gehört zur Verschwörungsideologie QAnon, markiert hier angeblich einen Sicherheits-Geheimhaltungsgrad des anonymen Autors und gab der Verschwörungsbewegung den Namen (vgl. Belltower.News). Allerdings fehlt es “Z” noch an einem starken ideologischen Gerüst und einer kollektiven Befürwortung außerhalb Russlands. Dafür gibt es zu viele Interpretationen und die Realität des Krieges in der Ukraine, das lässt den Buchstaben in erster Linie zu einem Zeichen militärischer Aggression werden.
Trotzdem: ”Z” ist zumindest in Russland mehr als nur ein Symbol. Möglicherweise wird in Kreml-nahen Kreisen mit der Entstehung einer Grasroots-Bewegung geliebäugelt, die aber momentan noch nicht so richtig zustande kommt. Denn wer Patient:innen eines Kinderhospizes in einem verschneiten Innenhof zu einer “Z”-Form aufreiht, der scheitert mit seinem Symbol kläglich als Sympathieträger:in (vgl. The New Yorker).
Allerdings hat die “Z”-Geschichte gerade erst begonnen. Die unzähligen pro-russischen Propagandist:innen haben Zeit, das Symbol weiter aufzuladen. Selbst in Deutschland sehen wir erste Anzeichen, dass dieses Symbol zu etwas potenziell Größeren werden könnte. In den dunkleren Ecken des Internets, etwa bei Rechtsextremist:innen oder gar vereinzelt bei Corona-Leugner:innen, wird “Z” zu einem verqueren Zeichen des Widerstandes gegen den “Mainstream”. Nicht verwunderlich, da Demokratiefeind:innen eine Vorliebe für polarisierende Symbole zeigen und diese immer wieder für ihre Zwecke zu instrumentalisieren versuchen.
Aber zurück zu der “Q”- und “Z”-Analogie: Der Erfolg von “Q” ist nicht einzig und allein durch die Message und Ideologie zustande gekommen. QAnon wurde erst richtig erfolgreich durch die populäre Online-Schnitzeljagd nach “Q-Drops” und der spielerischen Art, mit dem Leader Q zu interagieren. So konnten Q-Anhänger Detektiv spielen und die Untiefen des Internets nach neuen Verschwörungen und vermeintlichen geheimen Q-Botschaften auskundschaften.
Andere Bewegungen wie die der deutschen Querdenker:innen kam nur durch wiederholte Protestaktionen, Demonstrationen, Montagsspaziergänge und anderen Happenings zustande.
Schlussendlich bestimmt nicht nur die Botschaft und das Symbol den Erfolg einer Bewegung, sondern auch die Masse an Menschen, die sich zu einer Bewegung um das Symbol herum zusammenschließen. Und genau an diesem Kollektiv mangelt es “Z” momentan, auch wenn russische Propagandist:innen hart daran arbeiten, dies zu ändern.
Mehr zu Z:
- Unsere Autorin Una Titz zu „Z“ beim „Kompressor“-Podcast des Deutschlandradios Kultur:
- https://www.deutschlandfunkkultur.de/wird-z-das-neue-q-podcast-dlf-kultur-8c065741-100.html
- oder https://open.spotify.com/episode/0ohW13TmAl4pfhlJVOpPMG