Im ?Zentrum für Bildung, Erholung und Freizeit Zebef? in der Stadtmitte von Ludwigslust versammelten sich auf Einladung des Projektes „Lola für Lulu“ der Amadeu Antonio Stiftung rund 50 PädagogInnEn und JugendamtsmitarbeiterInnen zum Fachtag ?Moderne Mädchen und Jungen?, um gemeinsam zu diskutieren, wie geschlechtersensible und geschlechtergerechte Arbeit eine Bereicherung für die Jugendarbeit sein kann.
In einem ersten Vortrag machte Yvonne Griep von der Genderfachstelle Mecklenburg-Vorpommern klar, dass das Ziel, „Gender Mainstreaming“, in der Jugendarbeit zu etablieren, zwar von vielen Aktiven anvisiert wird, oft aber in der Praxis zu erstaunlichen Ergebnissen führt. So waren etwa viele der befragten Einrichtungen der Meinung, sie führten gleichstellungsorientierte Maßnahmen allein dadurch durch, dass ihre Angebote gleichermaßen für Jungen und Mädchen offen sind. „Die Rollenverhältnisse werden noch zu selten reflektiert“, folgerte Griep, dabei ginge es doch gerade für PädagogInnen darum: „Eigene Vorurteile hinterfragen! Und dann bewusst gleiche Kompetenzen fördern ? nicht bei Bauprojekten immer die Jungs sägen lassen und die Mädchen das Haus anmalen.“
Anne-Rose Wergin vom Projekt ?Lola für Lulu? erläuterte in ihrem Fachvortrag, wie ein am tradierten Rollenverhältnis ausgerichteter Blick die Arbeit gegen Rechtsextremismus erschwert. Oft werde etwa rechtsextremen Frauen ernsthafte politische Agitation oder Gewalt gar nicht zugetraut, weil Menschen den ?Mythos der friedfertigen Frau? im Hinterkopf haben. Dabei sind Neonazi-Frauen ebenso rassistisch und antisemitisch wie ihre männlichen Kollegen und müssen als ebenso politisch wahrgenommen werden. Im Alltag geben sie dem Rechtsextremismus ein sozialeres, sympathischeres Gesicht, dass auch Demokraten durchaus wählbar erscheint. Doch Neonazi-Frauen meinen eben nur „weiße“ Kinder, wenn sie sich für Kinderrechte einsetzen. Bei den Gewalttaten allerdings stehen sie nach wie vor eher in der zweiten Reihe. Aber feuern von dort aus an.
Die rechtsextreme Szene ist andersherum für Männer auch deshalb attraktiv, weil sie geradezu modellhafte Männlichkeit propagiert, den Jungen als „Beschützer“ und „Verteidiger“ seines Landes und seiner Familie agieren lässt – inklusive damit einhergehender Frauenverachtung, Homophobie und Fremdenhass.
Deshalb, forderte Anne-Rose Wergin mit Blick auf die Prävention gegen Rechtsextremismus, ist wichtig, Jugendlichen den Wert einer großen möglichen Vielfalt von Lebenswegen des eigenen Geschlechtes zu vermitteln. Darüber hinaus sei es wichtig, demokratisches Bewusstsein zu trainieren und demokratisches Handeln einzuüben. „Pädagogen müssen dafür mit einer konsequent anti-diskriminierenden, anti-rassistischen Grundhaltung agieren“, so Wergin.
Den Begriff „Gender“ nahm sich Sabine Sundermeyer, Referentin für Genderpädagogik und -politik, Interkulturelles Lernen und Diversity aus Hannover, noch einmal genauer vor. „Gender“ bezeichnet das veränderbare Geschlecht, also die Art, wie Männlichkeit und Weiblichkeit von der Gesellschaft definiert wird, und lenkt auch den Blick auf das Verhältnis von Männern und Frauen in Bezug auf Gleichwertigkeit und gleiche Chancen. „Geschlecht wird ein Leben lang gelernt“, so Sundermeyer, „und so können etwa Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern markiert und bearbeitet werden. Wir können Rollenbilder hinterfragen – und ändern.“ Das Ziel ist dabei Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit von Frauen und Männern – etwa, wenn es um Zugangschancen zum Arbeitsmarkt oder politischer Teilhabe geht.
Am Nachmittag teilte sich die Gruppe in Workshops auf und arbeitete zu den Themen „Mädchenorientierte Projektarbeit in der außerschulischen Jugendsozialarbeit“, „Geschlechterreflektierende Jungenarbeit“, „Umsetzung von Gender in der offenen Jugendarbeit“ und „Rechtsextremismusprävention und Gender in der Jugendarbeit“.
Im Workshop zu „Rechtsextremismusprävention und Gender in der Jugendarbeit“ zeigte sich schnell: Stereotype Vorstellungen zu rechtsextremen und demokratischen Frauen und Männern führen nur in Fallen, ohne zu helfen. Einige Pädagoginnen und Pädagogen meinten, dass sie das Wegführen von traditionellen Rollenbildern als Prävention in ihren Alltag einbinden beziehungsweise derartige Bemühungen verstärken könnten. Dabei könne es etwa um die Frage geben, was Jugendliche davon haben, sich jenseits etablierter Geschlechterrollen auszuleben. Einig waren sich alle, dass gelebte Demokratie, aufmerksame Umgangsformen und achtsame Wertschätzung füreinander wichtige Grundlagen sind, um Jugendliche nicht nur zu erreichen, sondern auch demokratische Ideen und Wertesysteme verständlich und attraktiv zu machen.
Der Workshop zur „Mädchenorientierte Projektarbeit“ identifizierte Werte und Themen, die demokratischen wie rechten Frauen oft am Herzen liegen – so etwa Kinderrechte, über die auch bei rechten Frauen auch ein Einstieg in die und Nachdenken über die Menschenrechte erreicht werden könne.
Mit Blick auf die „Geschlechterreflektierende Jungenarbeit“ stellten die Teilnehmer fest, dass die Vielfalt von Lebensentwürfen betont, aber auch gelebt werden müsse, um für die Jugendlichen greifbar zu werden.
Als Fazit der Tagung bleibt die Erkenntnis, das Gender-spezifische Arbeit, die Jungen und Mädchen ermöglicht, neue Möglichkeiten und neue Räume für sich zu entdecken und zu erleben, in denen Grenzen und Rahmenbedingungen aufgehoben sind, um sich neu zu gestalten und ohne Druck über sich selbst nachzudenken, grundsätzlich schon eine Prävention gegen Rechtsextremismus darstellen. An der praktischen Ausgestaltung arbeitet das Projekt „Lola für Lulu“ mit unterschiedlichsten Aktionen von der Unterstützung von Mädchenfußball-Initiativen über die Sensibilisierung von Kindergärtnerinnen im Umgang mit Rechtsextremismus bei Kindern und Eltern bis zum Training für angehende Kommunalpolitikerinnen.