Am 7. November hat der Deutsche Bundestag die Resolution mit dem Titel „Nie wieder ist jetzt. Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“ verabschiedet. Die Antisemitismus-Resolution des Deutschen Bundestags ist praxisorientierte Staatsräson. Sie ist das lang ersehnte Zeichen, jüdisches Leben in Deutschland zu schützen, eine hart erkämpfte Willensbekundung. Es ist begrüßenswert, dass dieser Kompromiss im Parlament errungen werden konnte. Ich kann mich nur wiederholen: Jetzt gilt es gemeinsam gegen Judenhass ins Handeln zu kommen. Diese Resolution ist erst ein Anfang.
Im Vorfeld wurde die Resolution massiv angegriffen. Diese aktuelle Debatte bezieht sich derzeit größtenteils auf die maßgebliche Empfehlung der IHRA-Arbeitsdefinition und die Angst, Meinungs- und Kunstfreiheit werde eingeschränkt. Soweit so gewohnt.
Worüber stattdessen zu reden wäre: Die autoritäre Indienstnahme des Antisemitismusvorwurfs, insbesondere in der Forderung nach der Anpassung einer bereits restriktiven Asylpolitik. Rassistische Narrative werden als Antisemitismusprävention aufbereitet. Statt sich mit dem eigenen Rassismus auseinanderzusetzen, wird eine taktische Solidarität mit Jüdinnen*Juden performt. Hier gilt es entschieden, eine Grenze zu ziehen. Eine Unterstützung der Resolution bedeutet nicht, Rassismus zu legitimieren: Die Resolution ist ein Kompromiss und zu begrüßen – und kann dennoch kritisiert werden. Gerade dann, wenn man sich in seiner Haltung an demokratischer Kultur und an Menschenrechten orientiert.
Das Recht auf Asyl ist universell. Es gilt für alle, unabhängig davon, was Menschen für Haltungen haben. Die Frage, wie wir mit asylsuchenden Menschen und Menschen mit einem prekären Aufenthaltsstatus umgehen, entscheidet auch darüber, wer wir als Gesellschaft sind. Wir können und wollen es uns nicht leisten, die Ungleichbehandlung von Menschen nun auch noch im Namen von Antisemitismusprävention zu verstärken – Deutschland kann es sich nicht leisten. Als Nachfolgegesellschaft des Nationalsozialismus müssen wir zur Verantwortung stehen und sie nicht einfach nur behaupten. Sowohl das Recht auf Asyl als auch Artikel 16 des Grundgesetzes sind direkte Reaktionen auf die Shoah gewesen. Diese Gesellschaft muss dem eigenen Antisemitismus entgegentreten und ihn nicht auslagern. Und wenn wir von „unserer“ Gesellschaft sprechen, beinhaltet das im Übrigen alle hier lebenden Menschen.
Die Resolution schafft noch keinen antisemitismusfreien Raum. Denn wenn wir sie ernst nehmen wollen, müssen wir uns auch mit der bitteren Realität auseinandersetzen: Polizeischutz vor Synagogen seit Jahrzehnten, die prekäre Finanzierung von antisemitismuskritischen Bildungsangeboten, das politische Händeschütteln mit Antisemit*innen. Der Anstieg der antisemitischen Vorfälle zeichnet eine Dystopie – wir müssen handeln, und zwar jetzt. Aber: Mit Abschiebungen ist diesem Problem nicht beizukommen, vielmehr ist es eine zynische Antwort. Wer vor allem auf die Verschärfung von Asyl- und Staatsbürgerschaftsrecht schielt, verzerrt die Problemlage und trägt zu ihrer Verstetigung bei.
Rassistischen Fantasien muss eine klare Absage erteilt werden. Die Resolution ist zu begrüßen, weil sie zumindest den politischen Willen ausdrückt, das Problem endlich anzugehen. Es gibt viel zu tun. Abschiebungen gehören nicht dazu.
Tahera Ameer ist Programmvorständin der Amadeu Antonio Stiftung.