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Terror von Rechts 5. Jahrestag der Aufdeckung des Nationalsozialistischen Untergrunds

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Seit im November 2011 die rechtsterroristische Mordserie des NSU bekannt wurde, der zehn Menschen zum Opfer fielen und bei deren Sprengstoffanschlägen über 20 weitere schwer verletzt wurden, versuchen Politik, Behörden und Zivilgesellschaft, die Fehler aufzuarbeiten und aus den Erkenntnissen Schlussfolgerungen für die Verhinderung weiterer Anschläge und rassistischer Gewalt zu ziehen. Die Morde stehen als rassistisches Fanal für einen in der deutschen Nachkriegsgeschichte beispiellosen rechtsextremen Terrorakt, der durch ein großes Netzwerk ermöglicht und durch V-Personen unterstützt wurde. Die NSU-Morde haben das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden bis heute schwer beschädigt. Die ihrer Aufdeckung folgenden Aktenvernichtungen, Vertuschungen und anhaltend fehlende Kooperation der Geheimdienste fügten den staatlichen Institutionen weiter schweren Schaden zu.

Der Stiftungskoordinator der Amadeu Antonio Stiftung, Timo Reinfrank, würdigt das Bemühen um Aufklärung und fordert zugleich mehr Konsequenzen für die aktuelle Arbeit der Ermittlungsbehörden: „Die verschiedenen Untersuchungsausschüsse und Kommissionen haben sich sehr deutlich um Aufklärung bemüht, das offenbare Versagen staatlicher Strukturen benannt und immer wieder auch auf die fehlende Benennung von Rassismus als Tatmotiv aufmerksam gemacht. Dennoch fehlen bis heute die Konsequenzen im Alltag von Polizei und Sicherheitsbehörden.“ Die 50 Empfehlungen des ersten NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages werden aus seiner Sicht bis heute nur mangelhaft umgesetzt. Mit Blick auf die auch in 2016 bereits wieder hohe Zahl von fast 800 Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte fordert er: „Auch vor dem Hintergrund der akuten Gefahr der Bildung neuer rechtsterroristischer Strukturen müssen rassistische Gewalttaten und Brandanschläge auf Unterkünfte schnellstmöglich mit aller Konsequenz verfolgt werden.“

Rechtsanwalt Carsten Ilius aus Berlin, der im NSU-Verfahren vor dem Münchener Oberlandesgericht Elif Kubaşık, die Witwe des vom NSU ermordeten Mehmet Kubaşık, vertritt, kritisiert: „Die Behörden haben sich nie ernsthaft um eine Aufklärung des gesamten NSU und dessen Umfeld bemüht. In der ersten Hälfte des NSU-Prozesses ist bereits deutlich geworden, dass es sich beim NSU nicht um eine Zelle, sondern um ein Netzwerk handelt.“ Ebenfalls beklagt er, dass aus anwaltlicher Sicht seit dem Auffliegen des NSU keine grundsätzlich effektivere Verfolgung rassistisch motivierter Straftaten festzustellen sei.

Golschan Ahmad Haschemi, Bildungsreferentin der Amadeu Antonio Stiftung, weist darauf hin, dass nach der rassistischen Mordserie die berechtigen Ängste von Schwarzen Jugendlichen und Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte nicht ernst genommen und bearbeitet werden: „In der Bildungsarbeit mit Jugendlichen wird schnell deutlich, wie sehr der NSU-Komplex Jugendliche of Color trifft und schmerzt. Was fehlt, ist eine Aufarbeitung des NSU aus begleitender und stärkender Perspektive, mit dem Ziel sich selbst zu ermächtigen. Dafür brauchen Jugendliche professionelle Unterstützung und Begleitung, um selbstbestimmt und verantwortungsvoll rassistisches Handeln als solches erkennen und benennen zu können.“

Léonie Jeismann, Projektkoordinatorin der Bühne für Menschenrechte, kritisiert den bisherigen öffentlichen Umgang mit dem NSU als weitestgehend Täter-fokussiert: „Wir erfahren kaum etwas über die Hinterbliebenen. Wenn, dann nur ab dem Tag der Ermordung ihrer Angehörigen.“ Ihr Stück „NSU-Monologe“ erzählt die Geschichten von Adile Simşek, Elif Kubaşık und İsmail Yozgat und von ihrem Kampf um „die Wahrheit“. Deshalb, so Jeismann, liefern die NSU-Monologe eine neue Geschichtsschreibung zum NSU-Komplex: „Wir erfahren aus der Perspektive der Angehörigen – mit ihren eigenen Worten – ihre ganze, sehr persönliche Lebensgeschichte. So erfahren wir, wie Elif Kubaşık sich mit 17 Jahren in Mehmet Kubaşık verliebt, wie sie gemeinsam in Deutschland eine Familie gründen, aber wir erfahren auch von ihrem Mut, kurz nach dem Tod ihres Ehemanns 2006 einen Schweigemarsch zu organisieren und öffentlich Aufklärung zu fordern, und von ihrer Enttäuschung und Wut, dass die rassistischen Ermittlungsmethoden der Polizei auch 5 Jahre nach der Enttarnung des NSU keine nennenswerte Konsequenzen hervorgerufen haben.“

Bühne für Menschenrechte

Die Bühne für Menschenrechte, Trägerin des Amadeu Antonio Preises der Stadt Eberswalde und der Amadeu Antonio Stiftung, konzipiert sein 2011 dokumentarische Theaterstücke. Die „NSU-Monologe“ ist, nach den „Asyl-Monologen“ und „Asyl-Dialogen“, die dritte Produktion der Bühne für Menschenrechte. Alle Theaterstücke basieren auf ausführlichen Interviews. Die Premiere der NSU-Monologe fand am 3. November 2016 um 20 Uhr (Deutsch, mit türkischen UT) und am 5. November um 20 Uhr (Türkisch, mit deutschen UT) im Heimathafen Neukölln statt.

Amadeu Antonio Stiftung

Die Amadeu Antonio Stiftung förderte anlässlich des 5. Tags der Selbstenttarnung des NSU verschiedene Projekte, die sich auf unterschiedliche Weise mit dem NSU-Komplex auseinandersetzen. In Dresden wurde die Veranstaltungsreihe „Der Nationalsozialistische Untergrund – der Mythos vom Trio“ unterstützt, in Frankfurt am Main eine interdisziplinäre Tagung zum fünfjährigen Öffentlichwerden des NSU gefördert sowie in Chemnitz und Zwickau das derzeit dort stattfindende große „Theatertreffen Unentdeckte Nachbarn“.

Evangelische Akademie und  Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Kirche und Rechtsextremismus

Zum 5. Jahrestag der Selbstenttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) rückt das Hearing „Norddeutschland, der NSU und rechter Terror“ der Evangelischen Akademie und der BAG Kirche und Rechtsextremismus am 4. November in Hamburg im Gewerkschaftshaus eine Region in den Mittelpunkt, die bei allen bisherigen Aufklärungsbemühungen im NSU-Komplex das Schlusslicht bildet. Dabei gibt es in Norddeutschland – Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein – eine lange Kontinuitätslinie rechten und rassistisch motivierten Terrors.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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