Bei Schüssen an einer Grundschule im US-Bundesstaat Texas sind am Dienstagmittag (Ortszeit) mindestens 19 Kinder getötet worden. Auch zwei Erwachsene starben. Zuvor soll der 18-Jährige mehrfach auf seine Großmutter geschossen haben, die Frau wurde in ein Krankenhaus gebracht und schwebt in Lebensgefahr. Der mutmaßliche Täter wurde von Polizist:innen erschossen. Die Tat ist eines der opferreichsten Schulmassaker in der US-Geschichte. Nur beim Shooting an der Sandy Hook Grundschule in Connecticut 2012 starben mehr Menschen.
Mehr als zwölf Stunden nach der Tat waren immer noch Angehörige im Unklaren über den Verbleib einzelner Schüler:innen. Eltern mussten DNA-Proben abgeben, um ihre Verwandtschaft zu Opfern festzustellen. Viele Kinder waren mit schweren Verletzungen in umliegende Krankenhäuser gebracht worden. Details zu den genauen Hintergründen liegen noch nicht vor. Das Motiv ist bisher unklar. Die Ermittler gehen von einem Einzeltäter aus.
Doch während die Ermittlungen noch andauern, hat die Rechtsaußen-Blase bereits ein Narrativ gefunden, mit dem sie arbeiten, beziehungsweise hetzen kann: Transfeindlichkeit.
Kurz nach der schrecklichen Tat an der Grundschule in Uvalde zirkulierten Bilder im Internet, die den mutmaßlichen Kindermörder in Frauenkleidung zeigen sollen. Schnell hieß es daraufhin, der Täter sei trans. Dafür gibt es bisher keine Belege. Was wir wissen ist jedoch, dass auf den Bildern, die eine Person in Frauenkleidung zeigen, nicht der Täter zu sehen ist.
Seinen Ursprung hat diese ekelhafte Form des Trollings vermutlich auf dem Imagebord 4chan. Hier begannen User:innen wahllos Bilder von Transpersonen zu posten und zu behaupten, es würde sich dabei um den Schützen handeln (auch wenn es optisch einige Unterschiede zum tatsächlichen Täter gab). Diese Erzählung drang schnell hinaus, aus den anonymen Kammern von 4chan und fand ihren Weg in rechts-konservative Kreise in den USA – und ist mittlerweile auch in Deutschland angekommen. Eine willkommene Erzählung für die Alt-Right und andere reaktionäre Kräfte: In dem sie nun behaupten, der Kindermörder von Texas sei trans, können sie das Narrativ über die angeblich so gefährliche LGBTQ*-Lobby weiterspinnen. Queerness und besonders Transsexualität werden auch von „Mainstream”-Repubilkaner:innen schon seit Jahren als unnatürlich und gefährlich dargestellt.
Errungenschaften moderner Gesellschaften, darunter die Möglichkeit, sich als queer, also anders als der heterosexuelle Mainstream zu definieren, sind für reaktionäre Kräfte die Wurzel allen Übels. Alles, was nicht traditionell und völkisch ist, lehnen sie ab. Die verschiedenen Ausdrucksformen moderner Gesellschaften, seien Zeichen von Dekadenz und Verkommenheit.
In einer Live-Sendung zur Tragödie in Texas auf der rechtsextremen Website Info Wars des Verschwörungsunternehmers Alex Jones , ging es zu großen Teile um genau dieses Narrativ. Immer wieder wurden Bilder von unschuldigen Personen eingeblendet, von denen behauptet wurde, sie seien der Täter. Immer wieder zoomte Jones ganz nah an die verschiedenen Gesichter. Jones und sein Co-Host Owen Shroyer, ebenfalls ein reichweitenstarker rechtsextremer Verschwörungsideologe, kamen so richtig in Fahrt und machten ihrer Verachtung gegenüber Transpersonen Luft. Shroyer sagte, das Massaker sei das Resultat einer „gottlose Gesellschaft und der New World Order“. Jones macht die angeblich offenen Grenzen verantwortlich.
Doch auch in vermeintlich seriösere Kreise ist diese Diffamierung unschuldiger junger Transpersonen gelangt. So postete etwa der rechtsextreme loyale Trump-Fan Paul Gosar, US-Kongressabgeordneter für die Republikaner, transfeindliche Desinformation. Er schrieb, dass der mutmaßliche Amokläufer der Uvalde-Schule ein „transsexueller linker illegaler Ausländer“ sei. Rund zwei Stunden nach Veröffentlichung löschte er den Tweet.
Während dessen scheinen die betroffenen Personen schockiert darüber zu sein, in welchem Zusammenhang nun ihre Bilder verwendet werden. Einige versuchen über verschiedene Plattformen darüber aufzuklären, dass sie nichts mit dem Schützen zu tun haben.
Doch die vereinte Rechte nutzt die furchtbare Tragödie nicht nur dazu, ihr transfeindliches Framing voranzutreiben, sondern auch noch um Rassismus zu verbreiten, da der mutmaßliche Täter einen hispanischen Namen trägt.
Transfeindliche und rassistische Narrative sind mittlerweile auch in Deutschland angekommen. So verbreite etwa das rechtsextreme Compact-Magazin auf seinem Telegram-Kanal das Bild einer vermeintlichen Transperson und behauptet, es handele sich dabei um den Texas-Täter (bei Nennung seines vollen Namens).
Die Morde an der Grundschule in Uvalde sind furchtbar. Man mag sich nicht ausmalen, was die Angehörigen der Opfer gerade durchmachen. Die Tat darf nicht für transfeindliche und rassistische Agenda von rechtsextremen Trollen und Propagandist:innen missbraucht werden.