Am 29. Januar 2023 wird in Thüringen zum ersten Mal ein Bürgermeister mit AfD-Parteibuch gewählt. In Moxa erhielt der 27-jährige Johannes Linke 75 Prozent der abgegebenen Stimmen. Moxa hat 71 stimmberechtigte Einwohner*innen, von denen 41 (57,7 Prozent) ihre Stimme abgegeben haben. 30 Stimmen (75 Prozent) entfielen auf den AfD-Kandidaten Linke. Zehn Stimmen (25 Prozent) erhielt der parteilose Gegenkandidat Dirk Schulze. Eine Stimme war ungültig. Linke dürfte auch davon profitiert haben, dass Schulze vor der Stichwahl angekündigt hatte, im Fall eines Sieges nicht für das Ehrenamt antreten zu wollen.
Denn eigentlich gab es beim ersten Wahlgang zunächst überhaupt keinen Bewerber. Die Einwohner*innen konnten deswegen selbst eine*n Kandidat*in auf den Wahlzettel schreiben. Schulze und Linke erhielten dabei die meisten Stimmen. Für Linke stimmten 20 und für Schulze sechs Wahlberechtigte.
Gleich mehrere AfD-Abgeordnete aus Länderparlamenten, dem Bundestag und dem EU-Parlament gratulierten dem neuen Bürgermeister über die sozialen Medien. Darunter Bernhard Zimniok, der für die AfD im EU-Parlament sitzt. Jörn König und Andreas Bleck gratulierten ebenfalls, beide sitzen für die rechtsradikale Partei im Bundestag. Auch Björn Höcke, Chef des rechtsextremen Thüringer Landesverbandes, gratuliert zum „beeindruckenden Vertrauensbeweis“ der 41 Bürger*innen Moxas.
Linke ist diplomierter Volkswirt und arbeitet für den Landtagsabgeordneten Uwe Thrum, der im Rahmen seiner Wahlkampftour durch thüringische Dörfer auch Moxa besucht hatte. Thrum hatte im Saale-Orla-Kreis, im Südosten Thüringens, bei den Landtagswahlen mit 29 Prozent die meisten Wahlkreisstimmen geholt und lag vor den Kandidat*innen der demokratischen Parteien.
Dabei ist er nicht der erste Bürgermeister Deutschlands, der von der AfD gestellt wird, auch nicht im Saale-Orla-Kreis. In Weira amtierte über 20 Jahre lang Martin Jacob, der zunächst CDU-Mitglied war, dann parteilos und schließlich 2017 AfD-Mitglied wurde. Seit 2022 ist er nicht mehr im Amt. 2018 wurde die Mitgliedschaft von Harry Ebert in der rechtsradikalen Partei bekannt. Ebert war 21 Jahre lang Bürgermeister im baden-württembergischen Burladingen und ursprünglich CDU-Mitglied. Ebert fiel schon früher durch fragwürdige Positionen auf. Nach einer Neonazi-Schlägerei auf dem örtlichen Weihnachtsmarkt 2006 erklärte der Bürgermeister, er lasse sich seine Stadt nicht braun anmalen, an einer Feierstunde am Grab einer im Nationalsozialismus verfolgten Sinti-Familie 2012 nahm er demonstrativ nicht teil. 2019 stellte er dem rechtsextremen AfD-„Flügel“ die Stadthalle zur Verfügung. Im Sommer 2022 war er nach langanhaltenden Streitigkeiten zurückgetreten. Seine Amtszeit hätte eigentlich bis 2023 gedauert.
Timo Reinfrank ist über diese Entwicklung ist alarmiert. Der Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung sagt Belltower.News: „Ein AfD-Bürgermeister ist vor allem eines: ein neuer Meilenstein in der Normalisierung von Rechtsextremismus vor Ort, die abseits der großen Öffentlichkeit stattfindet. Gerade im Lokalen können sich Rechtsextreme als ‚Kümmerer‘ geben, denen es in erster Linie um die Belange der Menschen vor Ort geht. Dass es sich dabei um Mitglieder einer im Kern demokratiefeindlichen Partei handelt, wird von den Menschen dann in Kauf genommen. Besonders Bürgermeister*innen müssen auf dem Boden von Grundgesetz und Demokratie stehen. Es ist eine schleichende Gefahr, die von Erfolgen der Partei, wie dem in Moxa ausgeht, denn gerade in Thüringen ist die Brandmauer nach Rechtsaußen bereits brüchig.“
Das wurde nur wenige Tage nach der Wahl in Moxa im Thüringer Landtag erneut deutlich. FDP und CDU stimmten zusammen mit der AfD für eine Änderung des Spielhallengesetzes im Bundesland und positionierten sich damit gemeinsam gegen die rot-rot-grüne Minderheitsregierung, ein bisher einmaliger Vorgang. Schon im Dezember 2022 hatte die AfD versucht, die Brandmauer gegen rechts im Freistaat weiter bröckeln zu lassen. CDU und FDP hatten zunächst den neuen Thüringer Haushalt blockiert und eröffneten damit eine Chance für die AfD zusammen mit den demokratischen Parteien Einfluss zu nehmen. Diese Gefahr konnte allerdings noch abgewendet werden.
Gerade wo in wenig besiedelten Gebieten die staatlichen Strukturen immer mehr ausgedünnt wurden, haben Rechtsextreme mit der „Kümmerer“- Strategie Erfolg. Einmal im Amt angekommen, ist es nur noch ein kurzer Schritt zur Verharmlosung.
Foto: Wikimedia / NoRud / CC BY-SA 4.0