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TikTok Wie gehen Content Creation und Digital Streetwork zusammen?

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(Quelle: unsplash)

Junge Menschen informieren sich zusehends auf TikTok. Dass sie dabei nicht nur auf den Kanal der Tagesschau stoßen, sondern auch auf Falschinformationen, gefährliche Verkürzungen und entkontextualisierte Livemitschnitte, erfordert neue Informationskompetenzen. Stark emotionalisierende Inhalte und akute Krisen und Kriege in Echtzeit überwältigen und erfordern neben debunking auch ein präventives Angebot für das tägliche Swipen durch die For-You-Page. Junge Menschen fühlen sich mit der Mischung aus Informations- und Gefühlschaos nicht selten allein gelassen. Genau das nutzen Rechtsextreme und Antidemokrat*innen aus.

Der pre:bunk-Kanal auf TikTok schafft mit Kurzvideos, Livestream-Sprechstunden und engagierter medienpädagogischer Gegenrede ein lebensweltorientiertes Angebot für Nutzer*innen und Creator*innen. Mit Digital Streetwork will das Team auf Augenhöhe mit jungen Menschen in den Austausch kommen, sie befähigen, Falschinformationen zu identifizieren und sich medienkompetent und selbstbestimmt durch den unendlichen Stream von Kurzvideo-Content zu navigieren. Die Erkenntnisse veröffentlicht das Modellprojekt jetzt in der neuen Broschüre „Better factchecked than sorry!”. Wir haben mit Cornelia Heyken und Theresa Lehmann von pre:bunk über Digital Streetwork auf TikTok, Desinformation und Medienkompetenz gesprochen.

Belltower.News: Wie funktioniert Desinformation auf TikTok?
Theresa Lehmann: TikTok selbst betont immer wieder, wie wichtig Authentizität ist. Das heißt, Videobeiträge mit starken Meinungen, Emotionen und Momentaufnahmen und einer direkten Ansprache funktionieren. Wer diese Klaviatur gut bedienen kann und einen sympathischen und zugewandten Eindruck vermittelt, hat große Chancen auch das Vertrauen der Zuschauer*innen zu gewinnen – ob die verbreiteten Informationen korrekt sind, ist eine andere Sache. Daneben gibt es eben auch eine ausgeprägte Blase mit anonymen Accounts, die Videos in denen AI generierte Bilder mit Falschinformationen, Verschwörungserzählungen und Junk History (falsche historische Tatsachenberichte) anonymisiert verbreitet, auch diese Kanäle erzielen teilweise große Reichweiten.

Was sind aktuelle Beispiele?
Theresa Lehmann: Rechtsextreme Akteur*innen versuchen Misstrauen gegenüber seriös arbeitenden Journalist*innen, Wissenschaft und demokratischen Institutionen zu schüren und verbreiten Falschinformationen inklusive menschenfeindlicher Ressentiments. Ein Beispiel dafür war die Diskreditierung der Correctiv-Recherche über das Treffen in Potsdam. Akteur*innen, die selbst vor Ort dabei waren, versuchten auf TikTok von ihren eigenen Plänen abzulenken und die Berichterstattung mit Schmähungen und Tatsachenverdrehungen unglaubwürdig zu machen. Ihre Anhänger*innen verbreiteten fleißig das „Lügenpresse”-Narrativ in den Kommentarspalten. Auch die Proteste infolge der Recherche wurden heruntergespielt oder ins Lächerliche gezogen, und schlicht behauptet,, dass die Zahlen und Bilder von den Demonstrationen gefälscht seien.

Digital Streetwork gibt es von der Amadeu Antonio Stiftung schon länger. Wie unterscheidet sich audiovisuelle Digital Streetwork davon?
Cornelia Heyken: Bisher haben wir selbst keinen Content im Sinne von Fotos, Memes, Audio- und Videoaufnahmen usw. erstellt. Inhalte waren rein schriftliche Beiträge, etwa Antworten auf gestellte Fragen oder auch anregende Kommentare, in Foren, in Chats und in privaten Kommunikationen. Mit proaktiver Content-Creation braucht es auch andere Qualifikationen der Mitarbeitenden. Neben den pädagogisch-sozialarbeiterischen Komponenten, sind dann zum Beispiel Videodreh- und Videoschnittkompetenzen gefragt. Außerdem gestaltet sich die Ansprache anders. Der aufsuchende Charakter der klassischen Streetwork als Teil der Mobilen Jugendarbeit fällt weg. Bisher waren wir mit vielen Profilen auf unterschiedlichen Plattformen in Foren, Chats, Kommentarspalten usw. unterwegs, unter anderem auf Facebook, gutefrage.net oder in diversen Gaming-Communitys. Bei pre:bunk begrenzen wir uns auf die Kommentarspalten und die Interaktionen unter unseren Videos auf TikTok. Wir sprechen also eher von Content Moderation und Community Management, das wir mit empowernden Elementen verbinden. Hier beginnt dann die Onlineradikalisierungsprävention und -interaktion. Unsere Art der Kommunikation und Interaktion in der Community beschreiben wir in ihrer Gesamtheit als Empowerment Speech mit präventiv-pädagogischem Auftrag, also als pädagogisches Community Management. Sie basiert auf dem Konzept der Empowerment-Moderation von Marc Ziegele und Dominique Heinbach, Akteur*innen unterstützt, die sich medienkompetent äußern.

Ihr haltet euch an pädagogische Standards, wie gehen die mit der  algorithmusbasierten Aufmerksamkeitsökonomie die auf TikTok herrscht, zusammen?
Cornelia Heyken: Plattformen wie TikTok, die Inhalte mithilfe von Algorithmen für Nutzer*innen individuell kuratieren, unterscheiden sich in ihrer Funktionsweise von den Timelines anderer Sozialer Medien. Der Fokus liegt auf den Inhalten. Damit ein Video nicht bereits nach wenigen Sekunden weitergeswiped wird, muss es das Interesse des Publikums wecken. Creator*innen, die erfolgreich sind, wissen genau, dass ohne gute Hooks, schnelle Schnitte und andere Tricks ihre Inhalte keinem größeren Publikum ausgespielt werden. Hierfür arbeiten viele auch mit emotionaler Überwältigung, Polarisierung und Verkürzungen, die sich mit dem kritischen Selbstverständnis der Digital Streetwork erstmal nicht decken. Wir nutzen auch Hooks oder schnelle Schnitte, diese dürfen aber weder emotional überwältigen, noch polarisieren oder unsere aufklärerischen Inhalte verkürzen. Letzteres ist nicht immer einfach, da die Videos kurz und knackig sein müssen. Deswegen scripten wir Videos sorgfältig und prüfen diese vor der Veröffentlichung auf jeden Fall im 4-Augen, besser noch 6-Augen, -Prinzip. Die Videos basieren außerdem auf verlässlichen Quellen, die wir immer mit angeben. Weiterführende Erklärungen oder Einordnungen geben wir mit unserem pre:bunk Account oder unserem dazugehörigen pädagogischen Account in den Kommentaren. Dort sind wir nach der Veröffentlichung eines Videos präsent und ansprechbar, um Unklarheiten direkt beheben zu können.

Was ist Prebunking? Wie funktioniert das in der Praxis?
Theresa Lehmann: Debunking entlarvt Falschinformationen, die schon in der Welt sind und klärt über die Strategie dahinter auf. Prebunking passiert schon  vor der Verbreitung, es ist  eine präventive Sensibilisierung, die allgemein über die Strategien von Desinformationskampagnen aufklärt. Aber prebunking ist auch ganz praktisch. Dazu gehört beispielsweise, mit gutem Beispiel voranzugehen und somit auch andere zu ermuntern, good practices zu etablieren wie etwa die Angabe von Quellen auf TikTok. Das ist bisher nicht üblich. Wir wissen aber, dass in der Youtube-Kultur mittlerweile Shownotes und Quellen etabliert wurden, um transparent und nachvollziehbar zu machen, worauf die eigenen Behauptungen beruhen. Sicher gibt es auch unsichere Quellen, aber Nachvollziehbarkeit ist ein erster Schritt für eine medienkompetentere Plattformkultur. Mit unserem pre:bunk Account versuchen wir diese Nudgingstrategie ebenfalls zu fahren. Wir ermuntern zum Quellencheck, Bilderrückwärtssuche, Angabe von Quellen. Außerdem versuchen wir mit unseren Inhalten auch immer wieder dazu anzuregen, kritischen Abstand zu Videoinhalten aufzubauen und Reflexionsfragen mit an die Hand zu geben, um User*innen weniger empfänglich für Emotionalisierung, Entkontextualisierung und Hate-Baiting-Strategien werden zu lassen.

Worum geht es in der neuen Handreichung von pre:bunk?
Theresa Lehmann: Wir erklären, wie Digital Streetwork in audiovisuellen Formaten Verwendung finden kann. Es sind die Ergebnisse und Erkenntnisse unseres Modellprojekts nach dem ersten Projektjahr im Rahmen der Förderung der Bundeszentrale für politische Bildung. Die möchten wir mit Akteur*innen aus dem Feld teilen.

+++ Die neue Broschüre „Better factchecked than sorry!” gibt es hier zum Gratis-Download +++

Cornelia Heyken: Wir zeigen außerdem in einem kleinen Kapitel unsere bisherige Reise mit Digital Streetwork in der Stiftung seit 2014. Wann und wie begann das alles eigentlich, wie haben wir uns im Laufe der Jahre weiterentwickelt und wo stehen wir jetzt, also in welchen Bereichen kommt die DS zum Einsatz.

Wie kann ein pädagogisches Streaming-Angebot aussehen?
Theresa Lehmann: Livestreams schaffen ein offenes und niedrigschwelliges Angebot, das gerade auf TikTok ansonsten schwer anzusprechende Zielgruppen erreicht und zwar fernab politischer Bildungsangebote und medienpädagogischen Contents. Dementsprechend ist es wichtig, sich im Vorfeld gut vorzubereiten und ein paar lebensweltorientierte „Icebreaker“ einzubauen, also Fragen, Szenarien und aktuelle Themen, anhand derer man ins Gespräch kommen kann. Das Thema des Livestreams kann bereits im Vorfeld beworben werden, im Laufe des Streams sollte es jedoch immer wieder Einstiegsmöglichkeiten geben, da die Fluktuation besonders hoch ist. Das heißt, man sollte sich und sein Angebot immer wieder vorstellen und neue Zuschauer*innen miteinbeziehen. Unsere Livestream-Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, auch bei polarisierenden Themen und in politischen Krisen, die junge Menschen sehr beschäftigen, ist Verstärkung durch Moderierende sinnvoll. So wirken wir proaktiv Hassrede entgegen und unterstützen Streamer*innen dabei, wenn viele Fragen gestellt werden.

Welche Medienkompetenzen sind für TikTok wichtig?
Theresa Lehmann: Wichtig ist es, immer wieder Abstand zu den Videoinhalten zu gewinnen und auf kritische Distanz zu gehen, also immer wieder eine Pause einzulegen, Inhalte auch mal ohne Ton anzuschauen oder im Schwarz-weiß-Modus, um zu sehen, wie der Videoinhalt dann auf mich wirkt. Distanz kann aber auch durch Fragen an mich selbst entstehen. Wer spricht? Woher stammen die Informationen? Gibt es seriöse Quellen, die sich mit den Behauptungen decken? Das gilt insbesondere dann, wenn Videos starke Emotionen bei mir hervorrufen. Wer seine Quellen auf TikTok nicht transparent macht und das ist leider immer noch häufig der Fall, den kann man danach fragen. Wer immer noch unsicher ist, bei Videoinhalten kann auch Faktencheck-Teams wie correctiv, Mimikama oder den faktenfinder der ARD um Hilfe bitten.

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Soziale Medien Wie „Digital Streetwork“ auf TikTok funktioniert

„Prebunking“ bedeutet, präventiv Werkzeuge und Informationen zur Verfügung zu stellen, um Desinformationen zu identifizieren. pre:bunk heißt auch ein neues Projekt der Amadeu Antonio Stiftung. Auf TikTok macht pre:bunk ein Angebot zum Austausch, bietet praktische Hilfestellungen und engagierte medienpädagogische Gegenrede. Wie das funktioniert, erklären Michelle Pantke und Theresa Lehmann im Interview.

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