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Tödlicher Hass – 137 Todesopfer rechter Gewalt

Von|

Autoren: Frank Jansen, Heike Kleffner, Johannes Radke & Toralf Staud

Mit der Veröffentlichung dieser Liste soll versucht werden, den vielen kaum bekannten Opfern ein Gesicht zu geben und öffentlich anzuerkennen, dass sie nicht Opfer eines ?normalen? Gewaltverbrechens wurden. Hunderte Lokalzeitungsartikel und Gerichtsurteile wurden dafür gesichtet, monatelang Opferberatungsstellen und Hinterbliebene, Anwälte und Strafverfolger interviewt. Gerichtsurteile mit teilweise mehrere hundert Seiten wurden analysiert, um die Motivation der Täter herauszufinden.

In der Liste mit den 137 Todesopfern sind die 99 Toten enthalten, die Tagesspiegel und ?Frankfurter Rundschau? bis 2003 genannt haben. Außerdem kommt ein Fall hinzu, den der Tagesspiegel abweichend von der ?FR? erwähnt hatte, die ihrerseits über ein anderes Todesopfer schrieb. Damit sind bereits insgesamt 100 Todesopfer aufgelistet. Es folgen neun Tötungsverbrechen, die Tagesspiegel und ?FR? zunächst nur als Verdachtsfälle genannt hatten, die aber nach weiteren Recherchen der jetzt erstellten Liste zuzuordnen sind. Zuletzt kommen 28 Todesopfer aus neuen Fällen hinzu, die Tagesspiegel und ZEIT untersucht haben. So ergibt sich die Summe von 137 Todesopfern rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990.

1990

Der Pole Andrzej Fratczak wird am Abend des 7.Oktober 1990 vor einer Diskothek in Lübbenau (Brandenburg) bei einem Angriff von drei jungen Deutschen verprügelt und durch einen Messerstich tödlich verletzt. Polizei und Staatsanwaltschaft können jedoch nicht ermitteln, welcher der drei Schläger für den Tod des Polen verantwortlich ist. Als Motiv für den Angriff kann das Bezirksgericht Cottbus in seinem Urteil nur feststellen, einer der Angeklagten habe mit dem Polen und zwei seiner Landsleute „zumindest eine verbale Auseinandersetzung“ anfangen wollen. Die drei Deutschen werden zu Freiheitsstrafen zwischen acht Monaten und dreidreiviertel Jahren verurteilt. In das Strafmaß einbezogen werden weitere Taten, darunter im Falle von zwei Angeklagten die Anstiftung und Beteiligung an einem Massenangriff auf das Asylbewerberheim von Lübbenau im September 1992.

Der Angolaner Amadeu Antonio Kiowa wird in der Nacht zum 25. November 1990 in Eberswalde (Brandenburg) zu Tode geprügelt. Ungefähr 60 Rechtsextremisten fallen mit Knüppeln und Messern über Afrikaner vor einem Gasthof her. Während mehrere teils schwer verletzt flüchten können, erwacht der 28-jährige Antonio nicht mehr aus dem Koma und stirbt elf Tage später. Die drei Haupttäter, zur Tatzeit zwischen 17 und 19 Jahren alt, werden 1992 vom Bezirksgericht Frankfurt (Oder) wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge zu je vier Jahren Jugendstrafe verurteilt, ein Mittäter (18) erhält zwei Jahre auf Bewährung. Wer Antonio den tödlichen Tritt ins rechte Auge zufügte, war nicht nachzuweisen. Dieser Fall wird von der CDU/FDP-Bundesregierung 1993 in der Antwort auf eine Kleine Anfrage von PDS-Bundestagsabgeordneten genannt.
Dieser Fall wird von der Regierung Kohl 1993 in der Antwort auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten der PDS genannt. Auch die Regierung Schröder erwähnt den Fall 1999 in ihrer Antwort auf eine Anfrage der PDS, ebenfalls die Regierung Merkel im Jahr 2009 in der Antwort auf eine Große Anfrage der Linksfraktion.

Drei Skinheads schlagen in der Nacht zum 11.Dezember 1990 in einer Wohnung in Berlin-Lichtenberg derart brutal auf den 24-jährigen Klaus-Dieter R. ein, dass dieser sich in Panik aus einem Zimmerfenster zehn Stockwerke tief in den Tod stürzt. Die Täter wollten den Mann zur Herausgabe von 8000 Mark zwingen, die er angeblich zwei Bekannten schuldete. Diese hatten einen wegen seiner Brutalität bekannten Skinheads als Geldeintreiber engagiert. Zwei Schläger waren vorbestraft, einer auch wegen rechtsextremer Propagandadelikte. Das Landgericht Berlin verurteilt zwei Täter zu je vier Jahren Haft, der dritte erhält drei Jahre.

Der 17 Jahre alte Kurde Nihad Yusufoglu wird am 28.Dezember 1990 in der Kleinstadt Hachenburg (Rheinland-Pfalz) von einem gleich alten Skinhead durch einen gezielten Messerstich ins Herz getötet. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Koblenz gehörte der Täter zum Umfeld der rechtsextremen Gruppierung „Taunusfront“. Das Landgericht Koblenz verurteilt den Messerstecher wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren. Nach Ansicht der Strafkammer ist bei dem Skinhead „ein gewisser ausländerfeindlicher und rassistischer, möglicherweise auch rechtsextremistischer Hintergrund“ zu erkennen, doch sei dem Täter nicht nachzuweisen, dass er zum „Zeitpunkt des Messerstichs rassistische Motive verinnerlicht“ hatte.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt, 1999 nicht und 2009 auch nicht.

Ein angetrunkener jugendlicher Skinhead schlägt in der Silvesternacht 1990 in Flensburg einen 31 Jahre alten Obdachlosen zusammen und tritt auf den Wehrlosen danach noch mit seinen Stiefeln ein. Sechs Tage später stirbt der Schwerverletzte an den Folgen der Misshandlung. Weil das Opfer entgegen dem Rat der Ärzte vorzeitig das Krankenhaus verlassen hat, wird der inzwischen 21 Jahre alte Täter am 20.April 1993 vom Landgericht Flensburg lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt, wobei das Urteil zusätzlich mehrere kleinere Diebstahldelikte und Raub berücksichtigt.

Der 21-jährige Bundeswehrsoldat Alexander Selchow wird in der Silvesternacht 1990 in Rosdorf (Niedersachsen) von zwei 18-jährigen Skinheads niedergestochen, die beide der rechtsextremistischen FAP (Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei) angehören. Alexander Selchow stirbt an den Folgen mehrerer Messerstiche. Das Landgericht Göttingen verurteilt den Messerstecher wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge zu sechs Jahren Jugendstrafe; sein Kumpan kommt mit vier Wochen Arrest davon.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt, aber weder 1999 noch 2009.

1991

Der 28-jährige Mosambikaner Jorge Gomondai stürzt am 31.März 1991 in Dresden aus einer fahrenden Straßenbahn und zieht sich tödliche Kopfverletzungen zu. Vor Gericht kann nicht geklärt werden, ob der Schlachthofarbeiter von Skinheads aus der Straßenbahn gestoßen wurde oder aus Angst vor der aggressiven Meute aus der Tür sprang. Das Landgericht Dresden verurteilt einen der Beteiligten am 29. Oktober 1993 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren ohne Bewährung. Zwei andere Angeklagte erhalten Bewährungsstrafen von eineinhalb Jahren.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und 2009 genannt.

Der 23-jährige Matthias Knabe wird am 8. Mai 1991 bei Gifhorn (Niedersachsen) von fünfzehn Skinheads angegriffen. Anschließend treiben sie den Punk zur Bundesstraße 4. Dort wird er von einem Auto angefahren und erleidet schwere Hirnverletzungen, an denen er am 4. März 1992 stirbt. Das Landgericht Hildesheim verurteilt im November 1992 den 18jährigen Christian B. wegen Beteiligung an einer Schlägerei und fahrlässiger Tötung zu zwei Jahren Haft. Das Gericht geht davon aus, Matthias Knabe sei vor das Auto gelaufen. Augenzeugen haben aber angegeben, er sei von den Skinheads auf die Straße gestoßen worden.

Am 4. Juni 1991 wird der 39-jährige Obdachlose Helmut Leja in Kästorf (Niedersachsen) von einem 17-jährigen Jugendlichen in einem Waldstück erstochen. Der Angreifer gehört laut Innenministerium der örtlichen Skinheadszene an und bezeichnet Leja als „Abschaum“. Am 23. Dezember 1991 verurteilt die 9.Große Strafkammer des Landgerichts Hildesheim den 17-Jährigen zu einer sechsjährigen Jugendstrafe wegen Totschlags. Einen rechten Hintergrund kann die Kammer nicht erkennen.

Der Angolaner Agostinho Comboio wird in der Nacht zum 16.Juni 1991 in Friedrichshafen (Baden-Württemberg) von einem Rechtsextremisten verprügelt und erstochen. Der Täter wird laut Landgericht Ravensburg nach dem Verbrechen in der rechten Szene als „Held von Friedrichshafen“ gefeiert. Das Gericht verurteilt den Neonazi wegen Totschlags zu fünf Jahren Haft.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt, 1999 nicht, aber 2009.

Der 27-jährige Samuel Kofi Yeboah aus Ghana verbrennt in der Nacht zum 19. September 1991 in einem Asylbewerberheim in Saarlouis. Unbekannte hatten nachts gegen 3.30 Uhr einen Brandsatz in die Unterkunft geschleudert. Zwei weitere Flüchtlinge aus Nigeria werden verletzt. Der Brandanschlag ist neun Jahre nach der Tat noch nicht aufgeklärt.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und 2009 genannt.

Der 30 Jahre alte Gerd Himmstädt stirbt am 3. Dezember 1991 an einer Hirnblutung. Sieben Jugendliche hatten den 30-Jährigen drei Tage zuvor in Hohenselchow (Brandenburg) mit Baseball-Schlägern verprügelt. Das Opfer galt den Rechten als „Automaten-Knacker“. Die Täter gehören nach eigenen Angaben „dem harten Kern der rechten Szene an“. Das Landgericht Frankfurt (Oder) verurteilt am 27.Oktober 1992 den Haupttäter Sven B. wegen Totschlags zu siebeneinhalb Jahren Haft. Die anderen erhalten Bewährungsstrafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr und vier Monaten.

Der 29-jährige Timo Kählke wird am 12. Dezember 1991 in Meuro (Brandenburg) bei einem Überfall erschossen. Sowohl der 20 Jahre alte Mörder wie auch die drei Mittäter im Alter zwischen 20 und 29 Jahren gehören zur Wehrsportgruppe „I. Werwolf-Jagdeinheit Senftenberg“. Die Neonazis wollten Kählkes Auto rauben, weil sie das Fahrzeug für den geplanten Überfall auf ein Spielcasino brauchten. Als Kählke sich wehrt, wird er umgebracht. Das Landgericht Cottbus verurteilt den Haupttäter wegen Mordes zu neun Jahren Jugendstrafe. Die Mittäter erhalten Freiheitsstrafen zwischen drei und 15 Jahren.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 nicht genannt, aber 1999 und 2009.

1992

Eine dreiköpfige Familie aus Sri Lanka stirbt am 31. Januar 1992 in ihrer brennenden Flüchtlingsunterkunft in Lampertheim/Bergstraße. Im Herbst 1992 werden drei Jugendliche festgenommen, die den Brandanschlag gestehen. 1994 werden sie wegen besonders schwerer Brandstiftung vom Landgericht Darmstadt zu viereinhalb bis fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sieht keinen fremdenfeindlichen Hintergrund.

Der Rumäne Dragomir Christinel wird am 15. März 1992 in einem Asylbewerberheim bei einem Angriff einer 25-köpfigen Gruppe deutscher Jugendlicher in Saal (bei Rostock) zu Tode geprügelt. Der 18-jährige Asylbewerber stirbt an Hirnblutungen. Der Überfall auf das Heim war ein Racheakt für eine Auseinandersetzung zwischen Deutschen und Rumänen am Vorabend. Im Juni 1992 verurteilt das Bezirksgericht Rostock einen 18-jährigen wegen Körperverletzung mit Todesfolge und schwerem Landfriedensbruch zu einer Jugendstrafe von zweieinhalb Jahren. Zwei weitere Angreifer erhalten Bewährungsstrafen.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt, 1999 nicht, aber wieder 2009.

Der 53-jährige Seemann Gustav Schneeclaus wird am 18.März 1992 in Buxtehude von Skinheads so schwer misshandelt, dass er an den Folgen der Verletzungen stirbt. Zuvor hat Schneeclaus Hitler als „großen Verbrecher“ bezeichnet. Das Landgericht Stade verurteilt die beiden Täter Stefan S. (19) und Stephan K. (26) im September desselben Jahres zu Haftstrafen von sechs und achteinhalb Jahren.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und 2009 genannt.

Der 31-jährige Obdachlose Ingo Finnern wird am 19. März 1992 von einem Skinhead in das Becken des Flensburger Hafens gestoßen und ertrinkt. Finnern hatte sich seinem späteren Mörder als Sinti zu erkennen gegeben, nachdem dieser „Ausländer raus“ gerufen hatte. Das Landgericht Flensburg verurteilt den 21-jährigen Skinhead Sascha D. zu fünf Jahren Jugendhaft, will aber keinen direkten Zusammenhang“ zwischen dem Streit, den fremdenfeindlichen Ansichten des Täters und der Tat erkennen.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt, 1999 nicht, aber wieder 2009.

Bei einem Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Hörstel (Nordrhein-Westfalen) kommt der dort untergebrachte Erich Bosse ums Leben. Bis heute ist kein Täter ermittelt.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt, seit 1999 nicht mehr.

Der 29-jährige Vietnamese Nguyen Van Tu stirbt am 24. April 1992 in Berlin durch einen Messerstich in die Lunge. Der 21-jährige Täter gibt an, der rechtsextremen DVU nahe zu stehen. Er wird am 8. Oktober 1992 vom Landgericht Berlin wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Als Tatmotiv stellt das Gericht Selbstjustiz vor dem Hintergrund fremdenfeindlicher Ressentiments fest.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und 2009 genannt.

Der 23-jährige Thorsten Lamprecht wird am 9.Mai 1992 bei einem Überfall von etwa 60 Skinheads auf eine Punk-Fete in dem Magdeburger Lokal „Elbterrassen“ mit einem Baseballschläger getötet. Wer den Punk erschlagen hat, kann nicht ermittelt werden. Vier Prozesse werden gegen 18 Mittäter angestrengt. Einer der Haupttäter, ein 24 Jahre alter Mann aus Wolfsburg, wird im Februar 1995 vom Magdeburger Landgericht zu vier Jahren Haft verurteilt, wegen Landfriedensbruchs im besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und 2009 genannt.

Der Obdachlose Emil Wendtland wird am 1. Juli 1992 im Rosengarten in Neuruppin erstochen. Drei Skinheads verabredeten sich zum „Penner klatschen“ und stießen auf den 50-Jährigen. Nachdem sie ihn zusammengeschlagen haben, sticht einer der Angreifer mit einem Messer auf den Wehrlosen ein. Im Oktober 1993 verurteilt das Landgericht Potsdam den 20-jährigen Haupttäter Mirko H. wegen Totschlags zu sieben Jahren Jugendstrafe. Das Gericht stellt fest, H. habe sein Opfer für „einen Menschen zweiter Klasse gehalten“. Ein Mittäter wird wegen schwerer Körperverletzung zu drei Jahren Jugendhaft verurteilt.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt, 1999 und 2009 nicht.

Der 56-jährige Kosovo-Albaner Sadri Berisha wird am 8.Juli 1992 mit einem Baseballschläger erschlagen, als sieben Skinheads seine Unterkunft in Ostfildern-Kemnat bei Stuttgart stürmen. Das Motiv der Täter, die sich vorher Hitler-Reden vom Band angehört haben, lautet: „Polacken klatschen“. Lebenslange Haft bekommt Thomas W. (25), der den tödlichen Schlag ausgeführt hat. Die sechs anderen Skinheads werden zu Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten auf Bewährung und neun Jahren verurteilt.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und 2009 genannt.

Der 49-jährige Obdachlose Dieter Klaus Klein wird in der Nacht zum 1.August 1992 im Park von Bad Breisig (Rheinland-Pfalz) von zwei Skinheads zusammengetreten und danach mit einem Kampfmesser niedergestochen. Der Obdachlose, der auf einer Brunnenmauer schlief, war vom Lärm der Skinheads, die auch „Sieg Heil“ riefen, aufgewacht und hatte sich den Krach verbeten. Die 17-jährigen Täter Patrick B. und Stefan H. werden 1993 zu Haftstrafen von acht Jahren und drei Monaten beziehungsweise sechs Jahren und drei Monaten verurteilt.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt, 1999 und 2009 nicht.

Der Pole Ireneusz Szyderski stirbt am 3. August 1992 nach einem Besuch in einem Discozelt in Stotternheim/Thüringen. Als der 24jährige Erntehelfer mit Freunden das Gelände über einen Zaun verlassen will, treten und schlagen drei Ordner, die laut Staatsanwaltschaft Erfurt der Skinheadszene angehören, auf ihn ein. Nach der Obduktion sagt die Staatsanwaltschaft, „massive Schläge auf Kopf und Rücken hätten zum Tod geführt“. Im Prozess will der medizinische Sachverständige allerdings nicht ausschließen, „dass die starke Alkoholisierung des Polen Schuld an dessen Tod sei“. Das Landgericht Erfurt kann nicht klären, wer die Tritte und Schläge ausgeführt hat und verurteilt den 24-jährigen Rene K. im November 1993 zu zweieinhalb Jahren Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Ein 23-Jähriger und ein 25-Jähriger werden zu Geldstrafen von 760 Mark beziehungsweise 600 Mark verurteilt.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt, 1999 und 2009 nicht.

Der 35-jährige Obdachlose Frank Bönisch stirbt am 24.August 1992 auf dem Zentralplatz in Koblenz, als der damals 23-jährige Skinhead Andy Johann H. (Szenename: „Der deutsche Andy“) das ganze Magazin einer großkalibrigen „Smith & Wesson“ auf eine Gruppe von Punks, Obdachlosen und Drogenabhängigen abfeuert. H., der zur „Deutschen Front Coblenz (DFC)“ gerechnet wird, erhält zehn Monate nach der Tat vom Landgericht Koblenz wegen Mordes und siebenfachen Mordversuchs eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren.

Der 58-jährige Obdachlose Günter Schwannecke wird am 29.August 1992 nachts auf einer Parkbank in Berlin-Charlottenburg von einem Ku-Klux-Klan-Anhänger zusammengeschlagen. Der 22-jährige Skinhead hatte mit einem Freund zuvor Ausländer bedroht und dann nach einem kurzen Wortwechsel mit seinem Baseballschläger auf den betrunkenen Schwannecke und einen weiteren Obdachlosen eingeschlagen. Der Täter wollte laut Berliner Landgericht „seine Aggressionen abreagieren“. Günter Schwannecke stirbt am 5.September 1992 an einem Schädelbruch. Am 23.Februar 1993 verurteilt das Landgericht Berlin Norman Z. wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu sechs Jahren Haft.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt, 1999 und 2009 nicht.

Bei einem Überfall von Neonazis auf ein Lokal in Geierswalde (Sachsen) in der Nacht zum 11.Oktober 1992 wird die Aushilfskellnerin Waltraud Scheffler so schwer verletzt, dass sie 13 Tage später stirbt. Scheffler hatte versucht, auf die mit „Sieg Heil“-Rufen eindringenden Skinheads einzureden. Doch ein Neonazi schlug ihr mit voller Wucht eine Holzlatte auf den Kopf. Das Jugendschöffengericht Bautzen verurteilt den Täter zu viereinhalb Jahren.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.

Der 52-jähriger Obdachlose Rolf Schulze wird am 7.November 1992 bei Lehnin (Brandenburg) von zwei Skinheads getreten, mit Fäusten traktiert, mit einer Propangasflasche geschlagen und mehrmals im Kölpinsee untergetaucht. Später übergießen die Täter die Leiche mit Benzin und zünden sie an. Vor dem Bezirksgericht Potsdam bekennen sich die Angeklagten zu den verbotenen rechtsextremen Organisationen „Nationale Offensive“ und „Nationalistische Front“. Die Neonazis, 17 und 18 Jahre, erhalten im Juli 1993 Jugendstrafen von neun und sieben Jahren.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt, 1999 nicht, aber 2009.

Der 53 Jahre alte Metzger Karl-Hans Rohn wird am 13.November 1992 in Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) von zwei Rechtsextremisten geschlagen, angezündet und erstickt. Rohn hat sich in einem Lokal als Jude ausgegeben, woraufhin der Wirt mit Worten wie „du kommst nach Auschwitz“ und „Juden müssen brennen“ die Skinheads zu der Gewalttat animiert. Das Landgericht Wuppertal verurteilt die beiden Schläger wegen Mordes zu 14 beziehungsweise acht Jahren Haft. Der Wirt erhält zehn Jahre.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und 2009 genannt.

Der 27-Jährige Hausbesetzer Silvio Meier verblutet am 21.November 1992 in Berlin. Der 17-jährige Sandro S. hat mit einem Messer auf Meier und seine Begleiter eingestochen. Silvio Meier hatte zuvor einen Aufnäher „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“ beanstandet. Die Täter rufen: „Jetzt haben wir es euch gezeigt, ihr linken Säue“. Die Jugendstrafkammer des Kriminalgerichts Berlin-Moabit verurteilt Sandro S. am 2. Oktober 1993 in einem Jugendstrafverfahren wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren. Die Mitangeklagten, der 18-jährige Sven M. und der 17-jährige Alexander B., erhalten Freiheitsstrafen von dreieinhalb Jahren beziehungsweise acht Monaten auf Bewährung.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und 2009 genannt.

Die Türkinnen Bahide Arslan (51), Ayse Yilmaz (14) und Yeliz Arslan (10) sterben am 22. November 1992 in Mölln bei einem Brandanschlag auf das Haus, in dem sie leben. Das Oberlandesgericht Schleswig spricht den 25-jährigen Rechtsextremisten Michael Peters und seinen 19 Jahre alten Kumpan Lars Christiansen am 8.Dezember 1993 des dreifachen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord an sieben Menschen für schuldig. Peters erhält eine lebenslängliche Haftstrafe. Christiansen wird zu zehn Jahren Jugendhaft verurteilt.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und 2009 genannt.

Der 51 Jahre alte Hans-Jochen Lommatsch wird am 18. Dezember 1992 in Oranienburg erschlagen. Der Baumaschinist wollte vor dem Schlafengehen nach seinem neuen Auto gucken. Auf dem Parkplatz trifft er auf zwei Skinheads aus der rechten Szene, die ihn „grundlos“ angreifen, wie das Bezirksgericht Potsdam feststellt. Es hätte „jeden anderen treffen können“, sagt der 26-jährige Jens Sch. auf die Frage nach seinem Motiv. Der mehrfach Vorbestrafte hat sein Opfer mit Faustschlägen und Tritten getötet. Das Bezirksgericht Potsdam verurteilt Sch. im Oktober 1993 zu acht Jahren Haft wegen Totschlags.

Der Türke Sahin Calisir stirbt am frühen Morgen des 27. Dezember 1992 auf der Autobahn 57 bei Meerbusch (Nordrhein-Westfalen). Sein Wagen ist zuvor von Klaus E., einem polizeibekannten rechten Hooligan aus Solingen, verfolgt und gerammt worden. Der 20-jährige Calisir und zwei türkische Begleiter flüchten aus Angst auf die Straße. Sahin Calisir wird von einem Auto erfasst. Das Schöffengericht Neuss kann kein ausländerfeindliches Motiv für die Verfolgungsjagd erkennen. Es verurteilt den 23-jährigen Klaus E. im Oktober 1993 wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zu 15 Monaten Haft. Aus dem Gefängnis schreibt Klaus E. über den Toten: „Das mit dem Herumlaufen hat sich für ihn erledigt.“ Der Beifahrer von E. war als Ordner für die rechtsextreme „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ tätig.

1993

Am 18. Januar 1993 geraten fünf Jugendliche im thüringischen Arnstadt mit dem Parkwächter Karl Sidon in Streit. Die der „Babyskin-Szene“ zugehörigen Jugendlichen verprügeln den 45-Jährigen, mit dem sie mehrfach Auseinandersetzungen gehabt hatten. Anschließend schleifen sie ihr regloses Opfer auf die viel befahrene Bahnhofstraße. Mehrere Autos überrollen den Mann. Im Krankenhaus erliegt er seinen Verletzungen. Zwei der Jugendlichen, 15 und 16 Jahre alt, verurteilt das Erfurter Bezirksgericht im August 1993 zu drei Jahren und neun Monaten Haft.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.

Der 22jährige Mike Zerna wird bei einem Überfall von rechten Skinheads auf linke Jugendliche am 19. Februar 1993 in Hoyerswerda (Sachsen) zusammengeschlagen. Die Angreifer, darunter drei wegen fremdenfeindlicher Gewalttaten Vorbestrafte, prügeln mit Rufen wie „schlagt die Zecken tot“ auf Konzertbesucher und den Fahrer der Band ein. Dann kippen sie ein Auto auf den am Boden liegenden Mike Zerna. Sechs Tage später erliegt er seinen Verletzungen. Nach Ansicht des Landgerichts Bautzen sind Polizei und Sanitäter mitverantwortlich für den Tod, weil sie erst eine Stunde nach dem Überfall am Tatort eingetroffen sind. Das Landgericht Bautzen verurteilt im Juli 1994 zwölf Tatbeteiligte im Alter von 19 bis 25 Jahren zu Bewährungs- und Haftstrafen bis zu vier Jahren.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1994 in der Antwort auf eine weitere PDS-Anfrage genannt, 1999 und 2009 auch.

Der 56-jährige Türke Mustafa Demiral stirbt am 9. März 1993 in Mülheim/Ruhr nach einer Auseinandersetzung mit zwei Deutschen. Laut Essener Staatsschutz haben die Jugendlichen den herzkranken Türken angepöbelt. Demiral wehrt sich, woraufhin ein Mann eine Gaspistole zieht und auf den Kopf des Türken zielt. Dieser regt sich so sehr auf, dass er kurz darauf zusammenbricht und an einem Herzanfall stirbt. Beide Täter sind Mitglieder der „Republikaner“. Die zwei Männer werden wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu je vier Jahren Haft verurteilt.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1994, 1999 und 2009 genannt.

Der 18 Jahre alte Hans-Peter Zarse wird am 12.März 1993 nahe Uelzen (Niedersachsen) von seinem Skinhead-Kumpan erstochen. Bei einer gemeinsamen Fahrt ist das Moped wegen eines Motorschadens liegen geblieben. Es kommt zum Streit über die Panne. Bei der auch handgreiflich geführten Auseinandersetzung fühlt sich der Täter, laut Landgericht Lüneburg Anführer einer rechtsextremen Skinhead-Gruppe, „in seinem Dominanzstreben und seiner Ehre beeinträchtigt“. Das Gericht verurteilt den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren.

Der Wehrpflichtige Matthias Lüders erhält bei einem Überfall von 40 rechten Skinheads auf eine Diskothek in Obhausen (Sachsen-Anhalt) am 24. April 1993 zwei Schläge auf den Kopf. Zwei Tage später stirbt der 23-Jährige. Die Diskothek habe zum Zeitpunkt der Tat als „linker Treffpunkt“ gegolten, stellt das Landgericht Halle im Prozess gegen einen 20-jährigen Skinhead fest. Der „blitzartige Angriff“ sei eine Racheaktion gewesen. Das Landgericht hält der Polizei vor, sie sei vorab informiert gewesen. Im Februar 1994 verurteilt das Gericht den Skinhead wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Jugendstrafe von dreieinhalb Jahren. Er hat zugegeben, mit einem Baseballschläger zugeschlagen zu haben.

In der Nacht zum 4. November 2000 stirbt der 42-jährige Belaid Baylal im Krankenhaus an den Spätfolgen eines rassistischen Angriffs. Zwei rechtsextreme Skinheads haben den marokkanischen Asylbewerber am 8. Mai 1993 in einer Gaststätte in Belzig (Brandenburg) beschimpft und verprügelt. Baylal wird mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Im März 1994 verurteilt das Amtsgericht Brandenburg/Havel den Haupttäter zu einer fünfmonatigen Bewährungsstrafe, sein Mittäter erhält Arbeitsstunden und eine Geldbuße in Höhe von 300 Mark. Zwei Monate nach dem Angriff erleidet Baylal erstmals einen lebensbedrohlichen Darmverschluss. Laut ärztlichem Attest muss wegen des Angriffs ?mit bleibenden Folgen in Form von Darmverwachsungen gerechnet werden, die zu neuen Darmverschlüssen führen können.? Im Mai 1997 wird Belaid Baylal erneut wegen eines Darmverschlusses stationär behandelt. Als er am 4. November 2000 wieder zusammenbricht, kommt jede Hilfe zu spät. Nachdem der Tagesspiegel und die Frankfurter Rundschau Belaid Baylal erstmals im Jahr 2001 als Verdachtsfall erwähnen, initiieren antifaschistische Initiativen eine Debatte vor Ort. Gegenüber Lokalpolitikern und Journalisten bestätigen die Ärzte von Baylal, dass der Tod des Asylbewerbers eine Spätfolge des rassistischen Angriffs war. Seit dem 4. November 2004 erinnert ein Gedenkstein in Belzig an Baylal als Todesopfer rechter Gewalt.

Der Motorradfahrer Jeff Dominiak deutsch-ägyptischer Hauptdarsteller im Defa-Film ?Bockshorn? wird am 26.Mai 1993 bei Waldeck von einem betrunkenen Skinhead aus der rechten Szene mit einem gestohlenen Auto überfahren, Ungeklärt bleibt, ob der Täter das 25-jährige Opfer aus seiner Nachbarschaft gekannt und dessen Motorrad absichtlich gerammt hat. Das Kreisgericht Königs Wusterhausen verurteilt den 17-jährigen Daniel K. im November 1993 unter anderem wegen fahrlässiger Tötung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten.

Auf das Haus der in Solingen lebenden Familie Genc wird am 29. Mai 1993 ein Brandanschlag verübt. Dabei sterben fünf Familienmitglieder: Gürcün Ince (27), Hatice Genc (18), Gülüstan Öztürk (12), Hülya Genc (9), Samine Genc (4). Am 13.10.1995 verurteilt ein Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts vier junge Solinger, die zur Tatzeit 16, 17, 20 und 23 Jahre alt waren, wegen auf Ausländerhass basierenden fünf-fachen Mordes, 14-fachen Mordversuches und besonders schwerer Brandstiftung zu einmal 15 und dreimal zehn Jahren Haft.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1994, 1999 und 2009 genannt.

Zwei junge Rechtsextremisten quälen am 5.Juni 1993 in Fürstenwalde (Brandenburg) den Obdachlosen Horst Hennersdorf zu Tode. Der 37-Jährige wird auf einem Anwesen stundenlang misshandelt. Mehrere Zeugen beobachten die Tat, greifen aber nicht ein. Laut Landgericht Frankfurt (Oder) sind die Skinheads der rechten Szene zuzuordnen, doch habe es für die Tötung kein Motiv gegeben. Einer der Täter hatte indes bei der Befragung durch einen Psychiater angegeben, der Obdachlose habe auf ihn den Eindruck „eines niedrigen Menschen, eines dreckigen Penners“ gemacht. Das Gericht verurteilt die Täter wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge zu acht beziehungsweise fünf Jahren Haft.

Ein schlafender Obdachloser wird am 16. Juli 1993 in Marl von einem rechten Skinhead als „Judensau“ beschimpft und mit Schlägen und Tritten bis zur Bewusstlosigkeit misshandelt. Das 33 Jahre alte Opfer stirbt drei Monate später im Krankenhaus an einer Lungenembolie, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Im März 1994 verurteilt das Landgericht Essen den 18-jährigen Skinhead wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer 15-monatigen Jugendstrafe auf Bewährung. Das Gericht sieht keinen direkten Zusammenhang zwischen Misshandlung und Todesursache. Der Skinhead ist vor der Tat durch Körperverletzungen und rechtsextreme Propagandadelikte aufgefallen.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1999, in späteren Anfragen nicht mehr und erst wieder 2009 genannt.

Der Arbeitslose Hans-Georg Jakobson wird in der Nacht zum 28. Juli 1993 nahe Strausberg (Brandenburg) von drei rechten Skinheads aus einer fahrenden S-Bahn gestoßen und stirbt. Die Angreifer haben zuvor den schlafenden 35-jährigen geschlagen und getreten. Als sie bei ihm kein Geld finden, soll Jakobson einen „Denkzettel“ erhalten. Das Landgericht Frankfurt (Oder) bescheinigt dem 20-jährigen, einschlägig vorbestraften Rene B. erhebliche kriminelle Energie sowie besondere Brutalität gegenüber Ausländern. Er wird im Januar 1994 wegen Mordes zu acht Jahren Jugendhaft, die 17- und 18jährigen Mittäter Henry G. und Thomas D. zu sechsjährigen Jugendhaftstrafen verurteilt.

Der 19-jährige Gambier Kolong Jamba wird am 7. Dezember 1993 im Eilzug von Hamburg nach Buchholz erstochen. Der 54-jährige Wilfried S. stößt ihm ein zwölf Zentimeter langes Messer in den Bauch, weil er sich durch den Asylbewerber gestört fühlt. Das Landgericht Stade verurteilt S. im März 1997 wegen „Totschlags in einem minderschweren Fall“ zu zwei Jahren Haft, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Die Richter schließen Ausländerhass als Motiv aus, obwohl Kollegen bestätigen, dass S. Schwarzafrikaner mehrmals als „Teerpappe“ und „Bimbos“ bezeichnet hat. Das Messer habe er sich zugelegt, um sich „vor derartigen Leuten zu verteidigen“.

1994

Der Obdachlose Eberhart Tennstedt (43) wird in der Nacht vom 5. April 1994 in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) gemeinsam mit einem anderen Obdachlosen von drei Angehörigen einer rechten Clique im Alter von 21 bis 23 Jahren geschlagen und mit Schüssen aus einer Gaspistole in einen Fluss getrieben. Die Angreifer hindern die hilflosen Obdachlosen daran, den Fluss zu verlassen. Der stark alkoholisierte Tennstedt ertrinkt. Als Tatmotiv geben die Täter an, ?Penner? würden nicht ins Stadtbild passen. Ein Kioskbesitzer hatte ihnen den Auftrag erteilt, die beiden Obdachlosen zu vertreiben. Im Dezember 1994 verurteilt das Landgericht Magdeburg den 21-jährigen Haupttäter wegen Aussetzung einer hilflosen Person und Körperverletzung mit Todesfolge zu einer dreijährigen Jugendstrafe. Der Kioskbesitzer und die Mittäter werden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Es habe sich um eine ?Machtdemonstration gegenüber Schwächeren? gehandelt, stellt das Gericht fest. Die Täter hätten die Obdachlosen ?gewaltsam vertreiben? wollen.

In der Nacht zum 28. Mai 1994 geraten Skinheads, die eine Wohnung in einem Haus in der Lützner Straße in Leipzig besetzt hatten, mit dem 43-jährigen Mieter Klaus R. in Streit. Sechs der Jugendlichen verprügeln und treten den Leipziger zu Tode. 1995 verurteilt das Leipziger Landgericht den 18-jährigen Hauptangeklagten wegen versuchten Totschlags und schwerer Körperverletzung zu fünf Jahren Haft. Die fünf Mittäter kommen mit niedrigeren Haft- und Bewährungsstrafen davon.

Am 23. Juli 1994 abends erwürgen drei Skinheads die 32-jährige Berlinerin Beate Fischer und legen sie an eine Mülltonne. Die Prostituierte ist den drei Männern zunächst freiwillig in eine Wohnung gefolgt. Dem Gericht zufolge hat die Frau dort freiwillig Sex mit allen, will aber nach einer Misshandlung gehen. Die Skinheads verhindern das und vergewaltigen die Frau mehrmals. Dann töten sie Beate Fischer. Das Gericht verhängt lebenslange Haft für den 21-Jährigen, neun und zehn Jahre Jugendstrafe für die Mittäter. Der Richter sagt in der Urteilsbegründung, die Neonazis „haben nach ihrer Wolfsmoral Sex als die Bühne ihrer Macht benutzt“.

In der Nacht zum 26. Juli 1994 ertrinkt in Berlin der polnische Bauarbeiter Jan W. in der Spree. Der 45-jährige und ein 36-jähriger Landsmann sind nach einem Streit mit einer Gruppe junger Deutscher ins Wasser getrieben und gewaltsam daran gehindert worden, ans Ufer zurückzuschwimmen. Eine Polizeistreife hörte die Rufe „Polacken, verpisst Euch“ und „lasst den Polen nicht raus“. Auf den Tod von Jan W. reagiert die Gruppe belustigt. Das Gericht kann keine ausländerfeindlichen Motive erkennen. Die Rufe hätten lediglich auf die „Ausländereigenschaft“ der Opfer angespielt. Im Mai 1995 werden vier 19- bis 25-jährige Männer und zwei 16- und 17-jährige Mädchen wegen Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Körperverletzung zu Bewährungsstrafen und Freiheitsstrafen bis zu vier Jahren verurteilt.

Der Radfahrer Gunter Marx wird von vier Skinheads am 6. August 1994 nachts in Velten (Brandenburg) von seinem Fahrrad gestoßen und getreten. Die Rechten im Alter von 18 und 19 Jahren waren zu einem Raubzug aufgebrochen. Als Reaktion auf die Antwort ihres 42-jährigen Opfers, er habe kein Geld dabei, erschlägt ihn der 18-jährige Maik L. mit einem schweren Schraubenschlüssel. Danach überfällt die Gruppe noch zwei weitere Opfer. Die Polizei findet bei einer Hausdurchsuchung des wegen Körperverletzung an einem Portugiesen mit Haftbefehl gesuchten Maik L., der im Jahr zuvor eine Russin überfallen hatte, unter anderem einen Baseballschläger mit eingeritztem Hakenkreuz und der Aufschrift „Sieg Heil“. Für die Staatsanwaltschaft handelt es sich beim Tod von Gunter Marx um einen „normalen Raubmord“ ohne rechte Motive. Im Mai 1995 wird Maik L. vom Landgericht Neuruppin wegen Mordes und Raub in drei Fällen zu zehn Jahren Jugendhaft verurteilt. Seine Mittäter erhalten wegen schweren Raubes mit Todesfolge Jugendstrafen von zweieinhalb, viereinhalb und sechs Jahren.

1995

Der Obdachlose Horst Pulter wird in der Nacht zum 5. Februar 1995 im Stadtpark von Velbert (Nordrhein-Westfalen) erstochen. Eine siebenköpfige Gruppe von 16- bis 24-jährigen Rechtsextremisten will „Penner klatschen“ und stößt auf den 65-Jährigen, der auf einer Parkbank schläft. Er wird durch Tritte verletzt. Zum Schluss versetzt der 22-jährige Peter D. dem Obdachlosen einen tödlichen Messerstich. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal bezeichnet die Tat als „menschenverachtend und kaltblütig“. Am „nationalsozialistischen Hintergrund“ bestehe kein Zweifel. In den Wohnungen der Täter seien neben Hakenkreuzfahnen auch Fotos gefunden worden, auf denen sie mit dem „Hitlergruß“ posieren. Das Opfer sei jedoch zufällig ausgewählt worden. Im November 1995 verurteilt das Jugendschöffengericht Mettmann sechs Angreifer wegen Körperverletzung zu Freiheits- und Bewährungsstrafen. Den Haupttäter Peter D. verurteilt das Schwurgericht Wuppertal im Dezember 1995 wegen Mordes und gefährlicher Körperverletzung vom Schwurgericht Wuppertal zu zehn Jahren Haft.

Bei einem Ausflug zu einem Stausee bei Hohenstein/Ernstthal (Sachsen) am 25. Mai 1995 wird der 24-jährige Bundeswehrsoldat Peter T. von Skinheads zusammengeschlagen. Das Opfer stirbt neun Tage später an seinen schweren Kopfverletzungen. Vor dem Angriff auf Peter T. hatte die etwa 20-köpfige Täterclique Pakistanis angegriffen. Das Landgericht Chemnitz verurteilte acht Angeklagte zu Strafen zwischen zehn Monaten auf Bewährung und drei Jahren und zehn Monaten. Wer aus der Clique Peter T. getötet hat, ließ sich nicht ermitteln.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.

Der Homosexuelle Klaus-Peter Beer wird in der Nacht zum 7.September 1995 in Amberg (Bayern) von den Skinheads Richard L. und Dieter M. in die Vils geworfen und ertrinkt. Die Skinheads wollen dem 48-jährigen Opfer „einen Denkzettel verpassen“. Das Landgericht Amberg verurteilt die Täter am 29. April 1998 in zweiter Instanz wegen Totschlags zu zwölf Jahren und acht Jahren Haft. Beide kommen aus rechtsradikalen Kreisen. In der Urteilsbegründung sagt der Richter, Scheußlichkeit und Menschenverachtung der Tat erinnerten an die düstersten Zeiten der deutschen Geschichte.

1996

Der 23 Jahre alte Punk Sven Beuter wird am 15.Februar 1996 in Brandenburg/Havel von einem Skinhead so schwer geschlagen und getreten, dass er fünf Tage später stirbt. An dem schmächtigen, schon früher von Skinheads überfallenen Opfer lässt der 21-jährige Täter seinen Hass auf „Zecken“ ab, wie Linke und Punks von der rechten Szene genannt werden. Der rechtsextreme Hintergrund der Tat wird von Polizeipräsidium und Staatsanwaltschaft Potsdam acht Monate lang verschwiegen. Das Landgericht Potsdam wertet das Verbrechen nicht als Mord, da dem Täter niedere Beweggründe „nicht mit der nötigen Sicherheit“ nachgewiesen werden könnten. Der Skinhead erhält siebeneinhalb Jahre Haft wegen Totschlags.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1999 und 2009 genannt.

Am 15. März 1996 wird der 26-jährige Martin Kemming in Dorsten-Rhade (Nordrhein-Westfalen) von dem Neonazi Thomas Lemke aus Gladbeck erschossen. Kemming gilt Lemke als „Verräter“, weil der Aussteiger aus der rechten Szene ihn angezeigt und gegen ihn ausgesagt hat. Einen knappen Monat vorher ersticht Lemke die 23-jährige Patricia Wright aus Bergisch-Gladbach. Sie war ihm wegen eines „Nazis raus“-Aufnähers an ihrer Jacke aufgefallen. Mit den Worten „Linke haben kein Recht zu leben“ begründet Lemke die Tat gegenüber einem anderen Neonazi.
Beide Opfer werden von der Bundesregierung 2009 erstmals genannt.

Gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin hat Lemke sein erstes Opfer im Juli 1995 getötet, die 25-jährige Dagmar Kohlmann. Das Motiv: Der Odin-Jünger wird zu diesem Zeitpunkt bereits mit Haftbefehl gesucht, nun will er einem Verrat durch seine Freundin vorbeugen und zieht sie deshalb in ein Verbrechen hinein. Im März 1997 verurteilt die Schwurgerichtskammer des Essener Landgerichts Lemke wegen dreifachen Mordes zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherheitsverwahrung.

?Aus Lust und Spaß?, so das Landgericht Leipzig in seiner Urteilsbegründung, töten drei junge Männer am 8. Mai 1996 den 43-jährigen Leipziger Bernd G. Die drei der rechten Szene zugerechneten Täter, 27, 24 und 21 Jahre alt, schlagen den Geschäftsmann nach einer Sauftour auf offener Straße in Leipzig-Wahren zusammen und erstechen ihn. Die Leiche versenken sie im Ammelshainer See, wo sie eine Woche später gefunden wird. Nach einem Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof wird der Haupttäter Rainer S. zu vierzehneinhalb Jahren wegen Mordes, die beiden Komplizen zu acht und zehn Jahren Gefängnis verurteilt.

Am Abend des 11. Juli 1996 wird der 26-jährige Boris Morawek auf dem Thälmann-Platz in Wolgast von zwei betrunkenen 19- und 22-jährigen Skinheads mit Springerstiefeln und Faustschlägen malträtiert. Zeugen rufen die Polizei. Gegenüber zwei uniformierten Beamten rechtfertigt der 22-jährige Haupttäter Andreas J. die fortgesetzten Fußtritte gegen den Kopf von Boris Morawek. Dieser habe ein 3-jähriges Mädchen missbraucht, der ?Kinderschänder? habe keine Rechte mehr. Die Beamten verhindern nicht, dass die Skinheads weiter auf den am Boden liegenden Mann eintreten. Erst als Bereitschaftspolizei eintrifft, werden Andreas J. und sein Mittäter festgenommen. Boris Morawek stirbt zwei Tage später an seinen schweren Kopfverletzungen. Das Landgericht Stralsund verurteilt den einschlägig vorbestraften Andreas J. im Januar 1998 wegen Totschlags zu achteinhalb Jahren Haft, sein Mittäter erhält eine Jugendstrafe von fünf Jahren. Einen rechten Hintergrund sieht das Gericht nicht. Seine Gesinnung kann Andreas J. auch in der Haft ausleben: Mit der Skinhead-Band ?Staatssturm? nimmt er rechte Songs auf, die Gesinnungsgenossen im Internet präsentieren.

Der 44-jährige Elektriker Werner Weickum wird am 19. Juli 1996 am Bahnhof von Eppingen (Baden-Württemberg) von einer rechtsgerichteten Jugendbande überfallen, ausgeraubt und zu Tode geprügelt. Im Juli 1997 verurteilt das Heilbronner Landgericht zwei 23 Jahre alte Mitglieder der Bande zu lebenslanger Haft. Die übrigen acht Angeklagten im Alter zwischen 16 und 21 Jahren erhalten Jugendstrafen bis zu achteinhalb Jahren wegen Mordes, Beihilfe oder unterlassener Hilfeleistung.

Der 34-jährige Andreas Götz wird am 1. August 1996 in Eisenhüttenstadt von sechs Jugendlichen zu Tode getrampelt. Die Täter im Alter von 17 bis 21 Jahren, darunter zwei Frauen, haben sich wahllos ein Opfer ausgesucht. Unter Schlägen, Tritten und mit einem Sprung auf den Kopf des Vaters einer elfjährigen Tochter erpressen sie 90 Mark und eine EC-Karte mit Geheimnummer. Andreas Götz stirbt an den Folgen der Misshandlungen. Zwei der Täter sind wegen rechtsextremer Propagandadelikte gerichtsbekannt. In zweiter Instanz verurteilt das Landgericht Frankfurt (Oder) den 18-jährigen Haupttäter Rico B. im April 1998 wegen erpresserischen Menschenraubs und räuberischer Erpressung mit Todesfolge zu siebeneinhalb Jahren Jugendhaft. Das Gericht bewertet die Tötung von Andreas Götz als ?Spontantat?. Strafverschärfend wertet das Gericht bei Rico B. die ?gewaltbereite Grundeinstellung?. In der Untersuchungshaft hat B. einen Mitgefangenen geschlagen. Die Mittäter erhalten Jugendhaftstrafen zwischen drei und vier Jahren.

Der 30-jährige Asylbewerber Achmed Bachir wird am 23. November 1996 in Leipzig vor einem Gemüsegeschäft erstochen. Er will deutschen Kolleginnen beistehen, die von zwei Skinheads attackiert und als ?Türkenschlampen? beschimpft werden. Als der Syrer die Randalierer aus dem Laden drängt, sticht ihm der 20-jährige Daniel Z. mit einem Messer ins Herz. Trotz der von Verkäuferinnen bezeugten rassistischen Drohungen kann die Staatsanwaltschaft ?keinen ausländerfeindlichen Hass? erkennen. Im November 1997 verurteilt das Landgericht Leipzig Daniel Z. wegen Mordes und schwerer Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von neuneinhalb Jahren. Sein 19-jähriger Mittäter erhält wegen Beihilfe zum Totschlag eine Jugendstrafe von viereinhalb Jahren.

1997

Der Vietnamese Phan Van Toau wird am 31.Januar 1997 am Bahnhof von Fredersdorf (Brandenburg) von einem Deutschen hochgehoben und mit dem Kopf nach unten auf den Betonboden geworfen. Das 42-jährige Opfer stirbt drei Monate später in einer Rehabilitationsklinik. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) klagt den 30 Jahre alten Täter wegen Mordes an und bescheinigt ihm „Ausländerhass“ als Motiv. Im Prozess am Landgericht Frankfurt (Oder) äußert der Schläger auch rassistische Parolen wie „Fidschis raus aus Deutschland“. Dennoch ist die Tat nach Ansicht der 5.Strafkammer „nicht von Ausländerfeindlichkeit getragen“. Der Angeklagte wird wegen Totschlags zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt, ein Mitangeklagter (37) erhält ein Jahr auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung.

Der 17-jährige Punk Frank Böttcher wird am 8. Februar 1997 in Magdeburg von einem Gleichaltrigen mit Springerstiefeln getreten; als das Opfer am Boden liegt, stößt ihm der Täter mehrmals ein Butterfly-Messer in den Rücken. Böttcher stirbt im Krankenhaus. Das Magdeburger Landgericht verurteilt den 17-jährigen Täter, der zur rechtsextremen Skinhead-Szene in Magdeburg zählt, im Juni 1997 zu sieben Jahren Jugendstrafe wegen Totschlags.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung erstmals 2009 genannt.

Der 37 Jahre alte Italiener Antonio Melis wird am 13.Februar 1997 in Caputh (Brandenburg) von einem 18-jährigen Deutschen in der Havel ertränkt. Zuvor hat dieser gemeinsam mit einem 25 Jahre alten Kumpan das Opfer durch Schläge und Tritte schwer misshandelt. Polizei, Staatsanwaltschaft und Landgericht Potsdam können kein fremdenfeindliches Motiv erkennen, obwohl mehrere Zeugen den Medien von rassistischen Sprüchen des älteren Täters berichten – die noch zugenommen hätten, als seine Freundin zu einem ausländischen Kollegen von Antonio Melis wechselte. Das Gericht verurteilt den älteren Schläger zu 13 Jahren Haft, der jüngere erhält acht Jahre Jugendstrafe.

Der Berliner Neonazi Kay Diesner erschießt am 23.Februar 1997 auf dem Autobahn-Parkplatz Roseburg (Schleswig-Holstein) den Polizisten Stefan Grage. Sein Kollege wird von dem Rechtsextremisten schwer verletzt. Diesner befindet sich auf der Flucht, nachdem er vier Tage zuvor in Berlin-Marzahn den Buchhändler Klaus Baltruschat angeschossen hat. Das Landgericht Lübeck verurteilt den Neonazi in zwei Verfahren jedes Mal wegen Mordes zu lebenslanger Haft und bescheinigt ihm eine besondere Schwere der Schuld. Die Strafkammern sagen in ihren Urteilen, in den Taten des Neonazis komme die „niedrigste Stufe menschlicher Gesinnung“ beziehungsweise eine „grundsätzlich menschenfeindliche Gesinnung“ zum Ausdruck.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2000 und 2009 genannt.

Nach einem Polterabend der rechten Szene ersticht ein Neonazi in der Nacht zum 17.April 1997 in Berlin-Treptow die zwei „Kameraden“ Chris Danneil (31) und Olaf Schmidke (26). Dem Gewaltexzess geht ein banaler Streit voraus: Der aus Berlin stammende Täter und ein Kumpan können sich mit den beiden Neonazis aus Sachsen-Anhalt nicht einigen, wann die rechtsextreme FAP vom Bundesinnenminister verboten worden ist. Das Landgericht Berlin verurteilt den 33-jährigen Messerstecher zu 14 Jahren Haft, der 27 Jahre alte Mittäter bekommt zweieinhalb Jahre.

Vier junge Männer entführen am 22.April 1997 in Sassnitz (Mecklenburg-Vorpommern) den Arbeitslosen Horst Gens. Der 50 Jahre alte Mann wird geschlagen und in einen Straßengraben geworfen. Die Täter kommen später nochmals vorbei und erschlagen G. mit einem 30 Kilogramm schweren Stein. Der Staatsanwaltschaft Stralsund berichten die 18 bis 29 Jahre alten Täter, sie wollten „Assis klatschen“. Das Landgericht Stralsund verurteilt die Schläger wegen Mordes zu Jugendstrafen zwischen sechs und zehn Jahren.

Der arbeitslose Augustin Blotzki wird am 8.Mai 1997 in Königs Wusterhausen (Brandenburg) von einer Clique junger Rechtsextremisten zu Tode geprügelt. Die Täter überfallen den 59-Jährigen zweimal innerhalb weniger Stunden in seiner Wohnung. Der Mann wird geprügelt und wegen seines Namens als „Bulgarensau“ und „Ausländerschwein“ beschimpft. Das Landgericht Potsdam verurteilt drei Täter wegen Mordes zu Haftstrafen zwischen achteinhalb und 14 Jahren. Zwei Jugendliche erhalten vier beziehungsweise sechseinhalb Jahre wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Die Strafkammer bescheinigt den Tätern Hass, Menschenverachtung und eine diffuse Ausländerfeindlichkeit.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.

Der 39-Jährige Mathias S. wird am 23. September 1997 in Cottbus von dem 19-jährigen Skinhead Reinhold K. erstochen. S. hatte seinen Mörder als „Nazi-Sau“ bezeichnet. Vier Tage später tötet der Skin den 46-jährigen Georg V.; das Motiv sind geringfügige Geldschulden. Der Verfassungsschutz nennt K. einen „extrem aggressiven Einzelgänger, der seine rechtsextremistischen Ansichten offen kundtat“. Das Landgericht Cottbus sieht keinen rechtsradikalen Hintergrund. K. wird am 24. März 1998 wegen zweifachen Totschlags zu acht Jahren Jugendhaft verurteilt.

Der Rentner Josef Anton Gera stirbt am 17.Oktober 1997 mit 59 Jahren an schweren inneren Verletzungen. Der 26-jährige Skinhead Patrik K. und der 35-jährige Uwe K. haben dem Rentner drei Tage zuvor mit einem Stahlrohr tödliche Verletzungen zugefügt. Vor seinem Tod beschreibt Gera seine Mörder: „Vier Rechtsradikale“. Vor der Tat sind die beiden durch „Sieg-Heil-Rufe“ aufgefallen. Das Landgericht Bochum verurteilt die Täter im Frühjahr 1998 zu fünf und sechs Jahren Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Einen rechtsextremen Hintergrund schließt der Staatsanwalt mit Verweis auf die schwere Alkoholabhängigkeit der Täter aus.

1998

Die 14-jährige Jana Georgi aus der thüringischen Kleinstadt Saalfeld wird am 26. März 1998 auf offener Straße von einem 15-Jährigen erstochen, der kurz zuvor aus einer psychiatrischen Einrichtung entlassen worden ist. Als Motiv gibt der Jugendliche Rache für die Beschimpfung als „Fascho“ an. Die Staatsanwaltschaft verneint einen politischen Hintergrund. Der Junge sei ein „Einzelgängertyp“, der zwar gern Mitglied einer rechten Szene wäre, dort aber nicht akzeptiert werde. Das Landgericht Gera verurteilt den 15-jährigen im Oktober 1998 wegen Totschlags zu fünfeinhalb Jahren Jugendstrafe.

Der portugiesische Zimmermann Nuno Lourenco wird im Juli 1998 in Leipzig niedergeschlagen; er stirbt an den Folgen der Tat am 29. Dezember 1998 in Portugal. Die Täter sind acht junge Männer zwischen 15 und 20 Jahren, die nach der WM-Niederlage deutscher Fußballer gegen Kroatien laut Staatsanwaltschaft „Ausländer hacken“ wollen. Das Landgericht Leipzig erkennt im September 1999 auf Körperverletzung mit Todesfolge und verurteilt den Haupttäter, einen Elektro-Lehrling, zu vier Jahren Haft, die Mitangeklagten erhalten Bewährungsstrafen.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.

1999

Der 28-jährige Asylbewerber Farid Guendoul (alias Omar Ben Noui) wird in der Nacht zum 13. Februar in Guben (Brandenburg) von einer Gruppe junger Rechtsextremisten gejagt. In seiner Panik tritt der Algerier in die Glastür eines Plattenbaus und zieht sich tödliche Schnittverletzungen zu. Einige Angeklagte beteiligen sich an der Schändung des in Guben aufgestellten Gedenksteins für Farid Guendoul. Das Landgericht Cottbus verurteilt 2000 die elf Angeklagten nach 17-monatiger Hauptverhandlung zu Jugendstrafen bis zu drei Jahren. Die Angeklagten, die sich an der Hetzjagd direkt beteiligt hatten, wurden wegen fahrlässiger Tötung von Farid Guendoul und gefährlicher Körperverletzung von Khaled B. schuldig gesprochen. Drei Heranwachsende erhielten Haftstrafen von zwei Jahren, sechs wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt und zwei weitere Angeklagte lediglich verwarnt. Auf die Revisionen der Nebenkläger und einiger Angeklagter änderte der Bundesgerichtshof im Oktober 2002 die Schuldsprüche der Hauptangeklagten auf versuchte Körperverletzung mit Todesfolge. Der Haupttäter Alexander Bode erhielt eine Jugendstrafe von zwei Jahren. Auch stellte das Gericht fest, dass alle aktiv an der Verfolgung beteiligten Angeklagten das gleiche Maß an Verantwortung trügen. Das Strafmaß wurde nicht geändert.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.

Der 58-jährige Frührentner Egon Effertz wird am 17. März 1999 in Duisburg von drei bekennenden rechten Skinheads totgetreten. Aus purer Lust an der Menschenjagd, wie die Täter später erklären, schlagen sie auf Effertz ein. Sie brechen seine Rippen und zertreten den Kehlkopf. Im Prozess vor dem Duisburger Landgericht stellt der Richter fest: „Das Opfer schrie um Hilfe, Fensterläden wurden geöffnet, und dennoch half niemand.“ Im September 1999 wird der 22-jährige Oliver P. wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Bundeswehr hatte Oliver P. vor der Tat wegen rechtsextremer Umtriebe entlassen. Seine Mittäter, der 20-jährige Stefan E. und der 17-jährige Gordon B., erhalten Jugendstrafen von zehn und acht Jahren.

Der 44-jährige Obdachlose Peter Deutschmann wird am 9.August 1999 im niedersächsischen Eschede von einem 18-jährigen Berufslosen und einem 17-jährigen Gymnasiasten mit Springerstiefeln zu Tode getrampelt. Er hat die beiden wiederholt aufgefordert, ?den Scheiß mit dem Skinhead-Gehabe? zu lassen. Das Lüneburger Landgericht, das im Januar 2000 fünfjährige Jugendstrafen wegen Körperverletzung mit Todesfolge verhängt, meint, die Tat sei nicht politisch motiviert gewesen. Nach der Haftentlassung gehen die Täter unterschiedliche Wege: Johannes K. studiert inzwischen Theologie; Marco Siedbürger ist in der neonazistischen ?Nationalen Offensive Schaumburg? aktiv und erneut wegen Körperverletzungsdelikten verurteilt worden.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung im Februar 2000 in der Antwort auf eine PDS-Anfrage genannt.

Der 35-jährige Mosambikaner Carlos Fernando wird am 15. August 1999 in Kolbermoor (Bayern) totgeprügelt. Der Täter Roman G. (31) hat sich zuvor darüber aufgeregt, dass das Auto seiner Freundin von Afrikanern zugeparkt worden sei. Das Landgericht Traunstein verurteilt G. am 16. Mai 2000 wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu zehn Jahren Haft ohne Bewährung. Das Gericht sieht Ausländerhass nicht als zentrales Motiv an. Die „Nürnberger Nachrichten“ zitieren G. mit den Worten: „Die Drecksneger gehören alle totgeschlagen“.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung im Februar 2000 und 2009 genannt.

Der 17-jährige Patrick Thürmer wird gemeinsam mit einem Freund in der Nacht des 3. Oktober 1999 auf dem Heimweg von einem Punkfestival in Hohenstein-Ernstthal (Sachsen) von drei Männern überfallen, die mit ihrem Auto Jagd auf Punks machen. Mit einem Axtstil und einem Billardqueue fügen sie dem schmächtigen, 1 Meter 56 großen Malerlehrling tödliche Kopfverletzungen zu. Vorausgegangen war ein Angriff von drei Dutzend Naziskins auf das Punkfestival und ein Gegenangriff von Punks auf eine Diskothek im Ort, in der sie die rechten Schläger vermuteten. Der Malerlehrling Patrick Thürmer starb ?stellvertretend für jene Linken?, die an dem Angriff auf die Diskothek beteiligt gewesen seien, stellt das Landgericht Chemnitz im September 2000 fest. Einen rechtsextremen Hintergrund erkennt das Gericht dennoch nicht. Der 23-jährige Haupttäter wird wegen Totschlags zu elf Jahren Haft verurteilt.

Der 38 Jahre alte Sozialhilfeempfänger Kurt Schneider wird in der Nacht zum 6. Oktober 1999 von vier Skinheads in Berlin-Lichtenberg zu Tode gequält. Das Landgericht Berlin verurteilt im April 2000 zwei 23-jährige, einschlägig vorbestrafte Täter zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Die beiden anderen Angeklagten, 18 und 19 Jahre alt, werden nach Jugendstrafrecht zu acht beziehungsweise achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Richter sagt zwar, es habe sich nicht um ein rechtsradikales Delikt gehandelt, verweist aber auf die Gesinnung der Skinheads.

In der Nacht zum 8. Oktober 1999 wird in Löbejün (Sachsen-Anhalt) der 37-jährige Hans-Werner Gärtner mit geistigen Behinderungen von einem rechten Trio zu Tode gequält. Die Täter im Alter von 25 bis 27 Jahren trafen ihr Opfer zufällig an einer Tankstelle. Da der 37-Jährige schon zuvor von einigen aus der Gruppe misshandelt worden war ? er galt als ?Dorfdepp?, seine Behinderungen waren stadtbekannt – hatte er Anzeige gestellt. Die Angeklagten behaupteten, sie hätten ihm lediglich ?eine Lektion? erteilen wollen. Sie zwingen ihr unter anderem in einen Gully zu steigen, schlagen ihn, versuchen ihn im See eines Steinbruchs zu ertränken, fahren ihn im Auto umher und schlagen ihn erneut. Dann lassen sie den schwerstverletzten Hilflosen zum Sterben auf einem Feldweg zurück. Das Landgericht Halle verurteilt die Täter wegen Mordes zu lebenslangen Haftstrafen. Es habe sich um eine „sinnlose und niederträchtige Tat an einem Schwächeren, der am Rande der Gesellschaft stand“, gehandelt, so der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung im Oktober 2000.

Am 1.November 1999 erschießt der 16-Jährige Martin Peyerl in Bad Reichenhall (Bayern) vier Menschen: seine Schwester Daniela Peyerl (18), Karl-Heinz Lietz (54), Horst Zillenbiller (60) und seine Frau Ruth Zillenbiller (59). Anschließend tötet der Amokschütze sich selbst. Die Polizei entdeckt bei der Durchsuchung des Zimmers von Martin Peyerl aufgemalte Hakenkreuze, Hitlerbilder, Gewaltvideos, rechtsextreme CDs und ausländerfeindliche Parolen in einem Heft für Notizen. Laut Staatsanwaltschaft Traunstein ist das Motiv des Jugendlichen unklar, es liege „in der Persönlichkeit des Täters“. Von Rechtsextremismus könne keine Rede sein, denn Peyerl habe als „verschlossen und unauffällig“ gegolten.

2000

Der Obdachlose Bernd Schmidt (52) stirbt am 31. Januar 2000 in Weißwasser (Sachsen) an schweren Kopfverletzungen. Zwei 15-Jährige haben Schmidt drei Tage in einer Abrissbaracke geprügelt. Anfangs hat sich auch ein 16-Jähriger beteiligt. Vor dem Landgericht Görlitz behaupten zwei Täter, sie wollten von Schmidt 900 Mark für ein Moped erpressen. Im Urteil sagt das Gericht, ein Täter habe „die bisher unkorrigierte Fehlhaltung, dass Obdachlose, sozial Schwache und Ausländer wenig wert sind und kein Recht auf Unversehrtheit haben.“ Der 15-Jährige hatte gesagt, Leute wie Schmidt seien „menschlicher Schrott“. Der Angeklagte wird wegen versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge und gefährlicher Körperverletzung zu sieben Jahren Haft verurteilt. Der gleichaltrige Mittäter erhält viereinhalb Jahre, der 16-Jährige ein Jahr auf Bewährung.

Der 60-jährige Helmut Sackers wird am 29. April 2000 von einem 29-jährigen Rechtsextremisten im Treppenhaus eines Plattenbaus in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) erstochen. Der engagierte Sozialdemokrat hatte zuvor die Polizei gerufen, weil der spätere Täter Andreas S. lautstark Nazimusik, darunter das ?Horst Wessel-Lied?, abgespielt hatte. Bei einer Durchsuchung der Wohnung von S. findet die Polizei mehr als 80 rechtsextremistische CDs, Videos mit Aufrufen zum Mord an politischen Gegnern und 90 neonazistische Propagandahefte. Das Landgericht Magdeburg spricht P. im November 2000 in erster Instanz wegen ?Notwehr? vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge frei. Im Prozess kommen die politischen Hintergründe der Tat nicht zur Sprache.
Im Juli 2001 hebt der 4. Senat des Bundesgerichtshofs den Freispruch auf und verweist den Fall zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Halle. Im Juli 2001 hebt der 4. Senat des Bundesgerichtshofs den Freispruch auf und verweist den Fall zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Halle. Im April 2005 lobt der Vorsitzende Richter, Klaus Lilie, Helmut Sackers für seine Zivilcourage und spricht den Angeklagten Andreas S. nach acht achtmonatiger Hauptverhandlung dann erneut frei. Bei den vier Messerstichen gegen das 30 Jahre ältere und erkrankte Opfer habe es sich um einen ?intensiven Notwehrexzess? gehandelt. Die Staatsanwaltschaft hatte sechseinhalb Jahre Haft für Andreas S. wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge gefordert.

Vier Rechtsextremisten überfallen im Berliner Bezirk Pankow den Sozialhilfeempfänger Dieter Eich. Der 60-Jährige wird in der Nacht zum 25. Mai 2000 in seiner Wohnung zusammengeschlagen und erstochen. Als Motiv nennen die Täter „einen Assi klatschen“. Polizei und Staatsanwaltschaft teilen erst drei Monate nach dem Verbrechen mit, dass die Täter der rechten Szene zuzuordnen sind.

Der 22-jährige Punk Falko Lüdtke wird am 31. Mai 2000 in Eberswalde von einem Angehörigen der rechten Szene vor ein Taxi gestoßen und überfahren. Laut Zeugenaussagen hat Lüdtke den 27-jährigen Mike B. zuvor wegen dessen Hakenkreuz-Tätowierung am Kopf kritisiert. Es folgt ein Streit, der während einer Busfahrt fortgesetzt wird. Opfer und Täter steigen gemeinsam aus dem Bus aus und prügeln sich. Mike B. gibt bei der polizeilichen Vernehmung zu, Lüdtke auf die Straße geschubst zu haben, bestreitet aber politische Motivation und Vorsatz. Sieben Monate nach dem Tod des Punks in Eberswalde verurteilt das Landgericht Frankfurt (Oder) Mike B. zu viereinhalb Jahren Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Ausdrücklich sagte die Vorsitzende der Kammer, Falko Lüdtke habe ? aus Zivilcourage? gehandelt und keineswegs provoziert, als er B. auf seine Hakenkreuz-Tätowierung ansprach. ?Aus dem Tragen des Hakenkreuzes lässt sich die Überzeugung ableiten“, so die Vorsitzende.

Der 39-jährige Mosambikaner Alberto Adriano wird am 11. Juni 2000 in Dessau von drei Skinheads schwer misshandelt und stirbt am 14. Juni 2010. Das Oberlandesgericht Halle verurteilt den 24-jährigen Enrico H. am 30. September 2000 zu lebenslanger Haft. Der 16-jährige Christian R. und der gleichaltrige Frank M. erhalten eine Haftstrafe von jeweils neun Jahren. Frank M. sagt während der Verhandlung: ?Ich hab den Neger getreten, weil ich ihn hasse.? Das Oberlandesgericht stellt fest: ?Rechtsextreme Straftäter sind überdurchschnittlich gewaltbereit.?
Dieser Fall wird von der Bundesregierung im September 2000 in der Antwort auf eine Anfrage der PDS-Fraktion sowie 2009 genannt.

Der 31-jährige Rechtsextremist Michael Berger erschießt am 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop (bei Recklinghausen) drei Polizisten und anschließend sich selbst. Der 35-jährige Polizeikommissar Thomas Goretzky und seine Kollegin wollen den nicht angeschnallten Berger kontrollieren, als er plötzlich das Feuer eröffnet. Goretzky stirbt sofort. Auf der Flucht erschießt Berger an einer Ampel die Polizisten Yvonne Hachtkemper (34) und Matthias Larisch von Woitowitz (35). In der Wohnung des Täters findet die Polizei später zwei Pistolen, drei Revolver, eine Splitterhandgranate, Munition, Messer und Bergers DVU- und Republikaner-Mitgliedsausweise. Auf seinem Auto klebt das Logo der Naziband ?Landser?. Auf einem zweiten Aufkleber steht die Forderung: ?Töte sie alle…Gott wird seine Wahl treffen.? Seinen früheren Arbeitsplatz hatte der Neonazi wegen seiner rechtsextremen Gesinnung verloren. Nach der Tat prüft die Polizei, ob Berger einen rechtsterroristischen Anschlag vorbereitete und dachte er sei aufgeflogen. Später tauchen in der Stadt Aufkleber der Kameradschaft Dortmund auf: ?Berger war ein Freund von uns. 3:1 für Deutschland.? Die Trauerstätte für die Toten wird verwüstet und mit dem Spruch ?Scheiß Bullen! Krepieren sollen sie alle!? beschmiert. In Sicherheitskreisen heißt es jetzt, in der Rückschau sei zu vermuten, dass der Rechtsextremist in wahnhaftem Hass auf das System die Polizisten ermordet hat.

Der Obdachlose Klaus-Dieter Gerecke wird in der Nacht zum 24.Juni 2000 in Greifswald erschlagen. Als Tatverdächtige nimmt die Polizei einen 20-jährigen Mann und zwei 18 Jahre alten Frauen fest. Sie sollen von dem Obdachlosen Bier und Geld verlangt haben. Die drei Tatverdächtigen werden der rechten Szene zugeordnet. Im Dezember 2000 verurteilt sie das Landgericht Stralsund zu langjährigen Freiheitsstrafen, erkennt aber kein rechtsextremes Motiv. Im Januar 2010 sagt der zuständige Polizeisprecher Axel Falkenberg dazu, das Gericht habe zwar pauschal „niedrige Beweggründe“ festgestellt, „von der Motivlage her ging es aber eindeutig gegen Obdachlose.“

Am 9.Juli 2000 überfallen fünf Rechtsextremisten in einem Abrisshaus in Wismar den Obdachlosen Jürgen S.. Der 52-Jährige wird mit Schlägen und Tritten so schwer misshandelt, dass er kurze Zeit später seinen Verletzungen erliegt. Laut Polizei handelt es sich bei den geständigen Tätern um Rechtsextremisten. Dennoch kann die Tötung des Obdachlosen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Schwerin nicht als rechtsextreme Tat gewertet werden. Von einschlägigen Tätowierungen dürfe nicht auf die Gesinnung geschlossen werden, so die Richter. Der 21-jährige Haupttäter wird wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Der 51 Jahre alte Obdachlose Norbert Plath wird am 27.Juli 2000 in Ahlbeck (Vorpommern) von vier jungen Rechtsextremisten zu Tode geprügelt. In den Vernehmungen bei der Polizei nennen die Täter ihr Motiv: „Hass auf Obdachlose“. Einer sagt, „Asoziale und Landstreicher gehören nicht ins schöne Ahlbeck.“
Dieser Fall wird von der Bundesregierung im September 2000 und 2009 genannt.

Der Obdachlose Malte Lerch wird in der Nacht zum 12. September 2000 in Schleswig von zwei Skinheads erschlagen. Die beiden Rechtsextremisten hatten mit dem 45 Jahre alten Mann auf einer Wiese gezecht, dann gab es Streit. Laut Staatsanwaltschaft Flensburg fühlten sich die Täter von dem Opfer beleidigt. Bei der Polizei haben die beiden 23-jährigen ausgesagt, der Obdachlose habe schlecht über die Skinhead-Szene gesprochen. Dennoch sahen weder die Staatsanwaltschaft noch das Landgericht Flensburg ein rechtes Motiv. ?Die haben den Mann zusammengeschlagen und schlichtweg verrecken lassen?, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Rüdiger Meienburg. Im Juli 2001 verurteilte das Landgericht die beiden Skinheads zu jeweils sieben Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge. Die Staatsanwaltschaft hatte für jeden Täter 12 Jahre wegen Totschlags verlangt und beantragte nach dem Urteilsspruch Revision.
Von der Bundesregierung wird der Fall im Februar 2001 und 2009 genannt.

Am frühen Morgen des 25. November 2000 wird der Obdachlose Eckhardt Rütz in Greifswald vor der Mensa der Universität von drei rechten Skinheads mit Baumstützpfählen zusammengeschlagen. Die Täter traktieren das Opfer auch mit Tritten. Der 42-jährige Rütz stirbt am nächsten Tag an seinen schweren Kopfverletzungen. Bei ihrer Vernehmung sagen die Schläger, weil ?so einer wie Rütz dem deutschen Streuerzahler auf der Tasche liegt?, habe man dem Obdachlosen eine Lektion erteilen wollen. Ein 16-jähriger Angreifer war laut Staatsanwaltschaft bis kurz vor der Tat Mitglied der NPD. Im Juni 2001 verurteilt das Landgericht Stralsund die 16-jährigen Maik J. und Marcel L. wegen Mordes zu Jugendstrafen von siebeneinhalb und sieben Jahren. Der 21-jährige Maik M. erhält zehn Jahre Haft.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.

2001

In der Nacht zum 25. März 2001 wird der 38-jährige Willi Worg in Milzau (Sachsen-Anhalt) von fünf jungen Männern zusammengeschlagen. Drei Tage später stirbt er an seinen schweren Verletzungen. Fast alle Organe im Bauch sind gerissen. Die Staatsanwaltschaft Halle zählt die Täter zur rechten Szene und spricht von „unglaublicher Brutalität“. Dennoch vermutet die Behörde unpolitische „Rache“, weil das Opfer einige Monate vor dem Angriff den 19-jährigen Haupttäter wegen unterlassener Hilfeleistung bei einem Verkehrsunfall angezeigt hat. Außerdem hätten die Schläger von Worg Geld verlangt, bevor sie ihn traktierten. So lautet die Anklage auf versuchten Raub und Körperverletzung mit Todesfolge.
Die Jugendkammer des Landgerichts Halle bewertet die Motivation der Täter anders. Am 13. November 2001 werden die fünf Angeklagten wegen Mordes und Beihilfe zum Mord zu Strafen zwischen vier und acht Jahren Haft verurteilt. In der Urteilsbegründung sagt die Vorsitzende Richterin, die Täter hätten Worg „regelrecht zertreten“. Die Kammer sehe einen Zusammenhang zwischen der brutalen Tat und der rechten Gesinnung der Schläger. „Erst in der Gruppe, die die Gewalt und die Morde der Altvorderen verherrlicht, bekamen sie die Einstellung, eine solch furchtbare Sache zu machen“, sagt die Richterin. Geltungsbedürfnis und falsch verstandene Kameradschaft, gepaart mit Menschenverachtung und Gleichgültigkeit, hätten zu der Tat geführt. Der 19-jährige Haupttäter gibt sich jedoch unbelehrbar: In der Untersuchungshaft lässt er sich ein Hakenkreuz auf den Bauch tätowieren. Obwohl der damalige Landesinnenminister Klaus-Jürgen Jeziorsky (CDU) im Juni 2002 dem Fernsehmagazin Panorama sagt, die Sicherheitsbehörden werteten Worgs Tod als politisches Delikt, wird die Tat in keiner offiziellen Statistik als rechts motiviert aufgeführt.

In der Nacht zum 22. April 2001 wird nahe Jarmen (Vorpommern) der 31-jährige Asylbewerber Mohammed Belhadj erschlagen. Als Täter werden vier Männer aus Greifswald im Alter zwischen 18 und 22 Jahren ermittelt. Einer nimmt sich in der Untersuchungshaft das Leben. Im Prozess am Landgericht Neubrandenburg behaupten die unter anderem wegen Gewaltdelikten vorbestraften Angeklagten, sie hätten den Algerier auf Haschisch angesprochen und dann sei es während der Autofahrt zum Streit gekommen, weil Belhadj den Weg zum Wohnheim nicht mehr sicher sagten konnte und die Angeklagten sich um den in Aussicht gestellte Haschisch-Deal betrogen fühlten. Daher begannen sie den 31-Jährigen schon im Auto u.a. als ?Penner? zu beschimpfen und zu schlagen. An einem Kiessee bei Zarrenthin zerrten sie ihr Opfer aus dem Wagen, traten und schlugen auf den am Boden Liegenden ein und zerrten ihn schließlich zum Ufer des Kiessees. Dort zwangen sie ihn, im Wasser zu knien, dann warf der 18-jährige Haupttäter dem Opfer einen Stein ins Gesicht. Belhadj fiel dadurch ins Wasser, wo er ertrank. Als einer der Schläger auf dem Nachhauseweg fürchtet, Belhadj sei tot, sagt ein Kumpan: ?Mach dich doch nicht fertig. Es war doch nur ein Scheiß-Ausländer.? Im März 2002 verurteilt das Landgericht Neubrandenburg die drei Angeklagten wegen Mordes zu Jugendstrafen zwischen fünfeinhalb und neun Jahren. Der 18-jährige Haupttäter sei in ?menschenverachtender Weise? mit seinem Opfer umgegangen stellte das Gericht fest. Einen ausländerfeindlichen Hintergrund erwähnen die Richter nicht.

In der Nacht zum 9. August 2001 wird in Dahlewitz (Brandenburg) der Obdachlose Dieter Manzke von fünf jungen Männern in einem leer stehenden Gartenbungalow erschlagen. Vorher misshandeln sie den 61-Jährigen, drücken Zigaretten in seinem Gesicht aus und brechen ihm 16 Rippen. Bei ihrer Festnahme geben die Täter an, sie hätten sich von dem stadtbekannten Obdachlosen ?gestört gefühlt? und ?Ordnung schaffen? wollen. Im April 2002 verurteilt die Jugendkammer des Landgerichts Potsdam vier der fünf Angeklagten im Alter zwischen 17 und 22 Jahren im April 2002 wegen Mordes zu Haft- und Jugendstrafen zwischen sieben und dreizehn Jahren. Lediglich im Fall des jüngsten Angeklagten erkannte die Kammer auf Totschlag und verurteilte den 17-Jährigen zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren. „Dieter Manzke musste sterben, weil er als Penner und Suffi den in der Nachbarschaft lebenden Angeklagten Dirk R. störte“, stellte der Vorsitzende Richter Klaus Przybylla in seiner Urteilsbegründung fest. Der Vorsitzende Richter betonte, das Tatgeschehen habe zwar keinen rechtsradikalen Hintergrund, es sei aber nach den reformierten Kriterien des Bundeskriminalamtes zur Erfassung politisch motivierter Kriminalität als „politisch motiviert“ zu werten. Denn die Tat habe sich gegen den gesellschaftlichen Status des Opfers gerichtet.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.

In Wittenberge (Brandenburg) prügeln am 9. August 2001 zwei Männer den alkoholkranken Klaus-Dieter Harms in seiner Wohnung zu Tode. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin sieht kein rechtes Motiv. Dass die Täter nach wenigen Stunden gefasst wurden, ist allerdings der Aussage einer Zeugin zu verdanken. Sie hatte einen der Schläger als Rechtsextremisten beschrieben. Er habe auf der Straße mehrmals den Hitlergruß gezeigt. Im Urteil des Landgerichts Neuruppin zum Tod von Klaus-Dieter Harms (61) sprechen Indizien für ein sozialdarwinistisches Motiv beider Täter. Das Gericht nennt „Mordlust“, sagt aber auch, die Täter hätten Harms als verachtungswürdigen Menschen gesehen und ohne jeden Anlass gequält.

Mit 13 Messerstichen in den Oberkörper und das Gesicht tötet der 19-jährige Rechtsextremist Frank R. am 17. August 2001 in Fulda (Hessen) die Inhaberin eines Military Geschäfts. Anschließend raubt er Kleidung und Bargeld im Wert von mehreren hundert Euro. Die 54-jährige Doris Botts verblutet, nachdem der Angreifer ihr die Kehle durchschneidet. In einem der Prozesse zur Tat stellt sich heraus, dass es sich für Frank R. um ein Aufnahmeritual in die Thüringer Neonaziorganisation ?Deutsche Heidenfront? handelte. Laut Aussage des Täters stiftete ihn ein Freund, mit dem er in einer rechtsextremen Metal-Band spielte, mit den Worten ?Fahr nach Fulda und mach die Alte kalt? zu dem Mord an. In der Untersuchungshaft misshandelt R. einen Mithäftling, tritt auf ihn ein und drückt ihm eine glühende Zigarette auf der Stirn aus. Das Landgericht Erfurt verurteilt R. im März 2002 nach Jugendstrafrecht wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu neun Jahren und zwei Monaten Haft. Laut Gericht ging es Frank R. ?in Erfüllung des ihm erteilten Auftrages in erster Linie um die Tötung der Frau Botts?. Dieses Motiv sei ?Tatantrieb und tatbeherrschend? gewesen. Der mutmaßliche Anstifter wird allerdings später freigesprochen.

2002

Der Aussiedler Kajrat Batesov (24) wird am 4. Mai 2002 in Wittstock von jungen Männern verprügelt. Ein Angreifer wirft einen knapp 18 Kilo schweren Stein auf Batesov. Knapp drei Wochen später stirbt er im Krankenhaus Pritzwalk. Der Anlass für die Schlägerei lässt sich im Prozess am Landgericht Neuruppin nicht genau klären. Die Kammer verweist im Urteil auf „diffuse Fremdenfeindlichkeit“, sieht aber kein rassistisches Motiv. Der Haupttäter wird zu zehn Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt, die vier Mitangeklagten erhalten Strafen zwischen sieben Jahren und einem Jahr auf Bewährung.

Der Dachdecker Ronald Masch (29) wird am 1. Juni 2002 auf einem Feld bei Neu Mahlisch (Brandenburg) von vier Neonazis misshandelt. Ein Täter sticht etwa 40 Mal zu. Die Täter hätten Masch ausrauben wollen, sagt die Staatsanwaltschaft. Es gebe kein rechtes Motiv. Ohne die Gesinnung sei aber die extreme Brutalität nicht vorstellbar, heißt es in Justizkreisen. Die Angeklagten hätten in Verhören die Menschheit in „Kameraden“ und den minderwertigen Rest unterteilt.

Der 17 Jahre alte Marinus Schöberl wird am 12. Juli 2002 im brandenburgischen Dorf Potzlow von drei jungen Rechtsextremisten zu Tode gequält. Zunächst schlagen die Täter, zwei Brüder im Alter von 17 und 23 Jahren sowie ein weiterer 17-Jähriger, bei einem Besäufnis in einer Privatwohnung auf Schöberl ein. Die Schläger halten das Opfer für minderwertig. Schöberl leidet an Sprachstörungen, außerdem entsprechen seine blondierten Haare und weiten Hosen nicht dem Geschmack der Rechtsextremisten. Sie pöbeln den wehrlosen Jugendlichen an, ?sag, dass du ein Jude bist?. Die Täter flößen Schöberl zwischen den Schlägen Bier und Schnaps ein, außerdem urinieren sie auf seinen Kopf und Körper. Mindestens zwei erwachsene Augenzeugen beobachten die Misshandlung, helfen aber dem erkennbar wehrlosen Opfer nicht. Schließlich zerren die Schläger Marinus Schöberl in einen stillgelegten Schweinestall. Der schon schlimm zugerichtete Jugendliche wird weiter geprügelt und gezwungen, in den Rand eines Schweinetrogs zu beißen. Als das Opfer am Boden liegt, versetzt ihm einer der Täter gezielte Tritte an den Kopf, so wie er es in einem US- Film über Skinheads gesehen hat. Nach mehr als vier Stunden Folter ist Schöberl tot. Die Täter verscharren den Jugendlichen in einer Jauchegrube. Erst im November 2002 wird die Leiche entdeckt. Einer der Schläger hat in Potzlow mit seiner Tat geprahlt. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat die Täter wegen Mordes angeklagt. „Das war eindeutig eine rechte Tat“, heißt es in der Behörde. Einer der Rechtsextremisten verprügelt einige Wochen nach dem Tod von Marinus Schöberl einen afrikanischen Asylbewerber im nordbrandenburgischen Prenzlau. Zwei Potzlower Augenzeugen der Misshandlung Schöberls müssen sich wegen unterlassener Hilfeleistung verantworten. Im Oktober 2003 verurteilt das Landgericht Neuruppin den zur Tatzeit 17-Jährigen zu zwei Jahren Jugendstrafe. Der Haupttäter erhielt 8,5 Jahre Jugendstrafe. Sein erwachsener Bruder erhielt 15 Jahre Freiheitsstrafe wegen versuchten Mordes. Für beide Verurteilten wirkten sich ihre Alkoholisierung und ein niedriger Intelligenzquotient strafmildernd aus. Im Dezember 2004 revidierte der Bundesgerichtshof in Leipzig das Urteil. Eine andere Kammer des Landgerichts Neuruppin verhängte deshalb über den nach dem ersten Urteil Entlassenen drei Jahre Jugendstrafe. Im Sommer 2008 wurde der Haupttäter nach sechs Jahren Haft entlassen und die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.

In Sulzbach (Saarland) sticht am 9. August 2002 ein Neonazi dem Türken Ahmet Sarlak (19) in Bauch und Brust. Das Opfer ist am nächsten Tag tot. Bei der Durchsuchung der Täter-Wohnung findet die Polizei Fahnen mit NS-Symbolen. Das Landgericht Saarbrücken verurteilt den Neonazi zu sechs Jahren Haft. „Was den Angeklagten zu seiner Tat veranlasst hat, weiß nur er selbst“, heißt es im Urteil.

2003

Am 27. Januar 2003 stirbt in Erfurt der 48-jährige Hartmut Balzke nach einem Angriff von zwei rechten Schlägern auf Punks. Balzke hat zwei Tage zuvor seinen Sohn zu einer Punk-Party in Erfurt begleitet. Dort versuchten sich zwei Rechte Zugang zu verschaffen. Nachdem sie abgewiesen wurden, provozierten sie schließlich eine Schlägerei auf offener Straße. Wenig später fanden Zeugen den sozial randständigen Balzke und einen weiteren Punk mit schweren Kopfwunden. Die Staatsanwaltschaft Erfurt ermittelte schnell gegen einen 23-jährigen Rechten als Haupttäter, der wegen Körperverletzung und Zeigen des Hitlergrußes unter Bewährung stand. Das Landgericht Erfurt lehnte die Eröffnung der Hauptverhandlung in 2006 jedoch mit der Begründung ?es habe sich um eine Schlägerei mit Todesfolge gehandelt? zunächst ab; nach einer Entscheidung des OLG Thüringen kam es dann fünf Jahre nach dem Angriff am Landgericht Erfurt im Sommer 2008 zur Hauptverhandlung, die mit einer Verurteilung des 23-jährigen ex-Rechten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren endete. Einen rechten Hintergrund wollte das Gericht nicht erkennen.

Der geistig behinderte Andreas Oertel wird am 20. und 21. März 2003 in seiner Wohnung in Naumburg mehrfach von einer mehrköpfigen Gruppe ? zwei erwachsene Brüder und mehrere Jugendliche aus ?sozial schwierigen Verhältnissen? im Alter zwischen 15 und 17 Jahren ? zusammengeschlagen, gewürgt und ausgeraubt. Das 40-Jährige Opfer stirbt am 21. März 2003 aufgrund von massiven Schlägen und Tritten gegen den Kopf. Nachdem mehrere Jugendliche mit der Tat geprahlt hatten, informiert ein anonymer Anrufer die Polizei über den Tod von Andreas Oertel. Als Grund für die Misshandlungen geben mehrere Tatbeteiligte gegenüber Polizei und Gericht an, das als homosexuell bekannte Opfer habe 14- bis 16-Jährigen aus dem Umfeld ihrer Clique Geld für sexuelle Handlungen angeboten. Das Landgericht Halle stellt im Urteil fest, die Gruppe, die ihr Opfer als ?Kinderficker? bezeichnet habe, habe den 40-Jährigen für sein Fehlverhalten bestrafen, aber nicht töten wollen. Im August 2004 verurteilt das Gericht zwei vorbestrafte Brüder im Alter von 26 und 29 Jahren daher wegen Raubes mit Todesfolge zu 15 bzw. 14 Jahren und sechs Monat Haft. Drei jugendliche Mittäter werden in einem gesonderten Verfahren zu achteinhalb bis neunjährigen Jugendstrafen verurteilt.

Drei rechtsextreme Skinheads misshandeln in der Nacht zum 29. März 2003 in Frankfurt (Oder) den ehemaligen Punk Enrico Schreiber (25) so schwer, dass er wenige Stunden später in einem Krankenhaus stirbt. Während der mehr als zweistündigen Folter in einer Plattenbauwohnung springt ein Täter, Stephan B. (20), auf Schreiber herum, schlägt ihn mit einer Metallstange und versetzt ihm Messerstiche in ein Bein. Die Brüder Marco S. (26) und Daniel S. (21) prügeln mit. Am Ende der Tortur stehlen die Schläger noch eine Playstation, Schreibers Handy und sein Bargeld. Im Prozess berichten mehrere Zeugen, die Skinheads hätten nach der Tat geäußert, ?es war ja nur ein Punk?. Das Landgericht Frankfurt (Oder) wertet den Gewaltexzess als Mord und verurteilt im Dezember 2003 Marco S. zu zwölf Jahren Haft, Bruder Daniel erhält sieben Jahre Jugendstrafe, bei Stephan B. sind es acht Jahre. Das Gericht sieht keine Anzeichen für eine rechte Straftat, betont aber, dass die Gesinnung der Täter ?nicht zu übersehen war?.

Gerhard Fischhöder wird in der Nacht zum 10. Juli 2003 in seiner Wohnung in einer Obdachlosenunterkunft in Scharnebeck bei Lüneburg (Niedersachsen) zu Tode getreten. Der 38-jährige Angreifer hatte vorher mit seinem Opfer stundenlang getrunken. Als Fischhöder ihn ?arbeitsscheu? nennt, tritt er plötzlich auf den 49-Jährigen ein. Insgesamt 18 gebrochene Rippen durchspießen die Lunge. Anwohner berichten, dass der Täter zu einer Neonaziclique gehörte, die regelmäßig vor dem Obdachlosenheim durch Pöbeleien, Gewalt und zeigen des Hitlergrußes auffiel. Der Täter wird im Dezember 2003 wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu vier Jahren Haft verurteilt. Das Gericht legte es zu seinen Gunsten aus, dass er sich durch die Bezeichnung als arbeitsscheu ?subjektiv gekränkt? gefühlt hätte.

Mit einer Pumpgun betrat Thomas A. am 7. Oktober 2003 die Kanzlei des Rechtsanwalts Hartmut Nickel in Overath (Nordrhein-Westfalen). Der 45-jährige, der nach eigenen Angaben in den achtziger Jahren im südlichen Afrika als Söldner tätig war, erschoss nacheinander den Anwalt, seine Tochter Alja Nickel (26) und seine Ehefrau, Mechthild Bucksteeg (53). Nickel hatte Jahre zuvor in einem Streit um Mietschulden A.s die Gegenseite vertreten. Der bekennende Rechtsextremist musste daraufhin ein Gehöft verlassen, auf dem er Treffen mit Neonazis veranstaltet hatte. Bei der Bluttat von Overath trug A. am Hemdkragen SS-Runen. Am nächsten Morgen verfasste er ein Flugblatt mit der Überschrift ?Deutsches Volk!? und schreibt darin, ?Teile der in der Schutzstaffel zusammengefassten Deutschen Streitkräfte? hätten nun ?mit der Befreiung des Reichsgebietes und der strafrechtlichen Verfolgung der Hochverräter begonnen?. Am 14. Oktober werden A. und seine 19-jährige Freundin Jennifer D., die bei der Tat geholfen hatte, festgenommen. Das Landgericht Köln verurteilt A. im Dezember 2004 wegen Mordes, mit besonderer Schwere der Schuld, zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Diese sei nötig, weil ? so die Richter ? A. ?den bewaffneten Kampf nach seiner Haftentlassung fortzusetzen gedenkt?. Die Komplizin erhält siebeneinhalb Jahre Jugendstrafe. Die Strafkammer beschreibt im Urteil, wie A. nach dem Mord an Mechthild Bucksteeg, die ihn am Eindringen in die Kanzlei hatte hindern wollen, seine Hemmung zur Tötung des Anwalts und dessen Tochter überwand: ?Er versetzte sich gedanklich in die Position des von ihm erdachten Sturmbannführers Hans Völker, dessen Pflicht es sei, gemäß den fortgeltenden Reichsgesetzen und Führerbefehlen Hochverräter, Kollaborateure und Staatsfeinde ? hier: Hartmut und Alja Nickel ? zu töten.? Außerdem heißt es, die NS-Anschauung habe A. ?ein Handeln mit Härte, Entschlossenheit und ungerührtem Vollstreckerwillen? ermöglicht?. In der Statistik rechts motivierter Tötungsdelikte wird der Dreifach-Mord trotzdem nicht aufgenommen.

Der Skinhead Leonhard S. (17) ersticht am 19. Dezember 2003 in Heidenheim (Baden-Württemberg) die Spätaussiedler Viktor Filimonov (15), Waldemar Ickert (16) und Aleksander Schleicher (17). Die Opfer waren nahe einer Diskothek mit dem Rechtsextremisten in Streit geraten. Leonhard S. sticht gezielt in die Herzen der Opfer, so wie er es in seiner Clique geübt hatte. Das Landgericht Ellwangen verurteilt S. im Juli 2004 zu neun Jahren Jugendstrafe wegen Totschlags. Die Tat sei nicht rassistisch motiviert, aber ohne den ausländerfeindlichen Hintergrund des Angeklagten nicht erklärbar, sagt die Kammer. Die Staatsanwaltschaft spricht noch heute von einem ?Kapitalverbrechen mit rechtsextremem Hintergrund?.

2004

Der 27-jährige russische Spätaussiedler Oleg Valger wird am 20. Januar 2004 in Gera (Thüringen) nach einem gemeinsamen Trinkgelage mit vier rechten Jugendlichen getötet. Nach einem Streit haben die 14- bis 19-Jährigen den ihnen aus der Nachbarschaft in einer Plattenbausiedlung bekannten Spätaussiedler in ein Wäldchen gelockt und verletzen ihn tödlich mit Tritten, Messerstichen und Hammerschlägen. Nach dem Tod Valgers sagt einer der Täter: „Wenigstens eine Russensau weniger.“ Das Landgericht Gera spricht von einer menschenverachtenden Gesinnung, die in der Tat zum Ausdruck komme, erkennt aber keinen fremdenfeindlichen Hintergrund. Im Juli 2004 werden die Haupttäter wegen Mordes zu Jugendstrafen von neun und zehn Jahren verurteilt.

In Burg (Sachsen-Anhalt) wird am 30. Januar 2004 der 46-jährige Martin Görges von fünf jungen Männern aus der rechten Szene getötet. Die 16 bis 22-Jährigen geben bei der Polizei an, sie hätten ihr Opfer angegriffen, weil er ein ?Kinderschänder? gewesen sei. Ihr Opfer haben sie bei einer Tanzveranstaltung kennen gelernt. Zunächst will einer der jungen Männer aus der Clique verhindern, dass seine Mutter mit dem ?Asozialen? tanzt. Dann erfährt die Clique, dass den wohnungslosen Görges wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Haft gesessen hatte. Die Rechtsextremisten schlagen Görges vor der Diskothek zusammen und lassen ihn schwer verletzt zurück. Einige Zeit später kommen die Täter wieder und töten ihr Opfer durch einen ?Bordsteinkick? ? sie zertrümmern seinen Hinterkopf mit Fußtritten auf einer Bordsteinkante. Vor Gericht geben sie den Film ?American History X? über einen US-amerikanischen Neonazi als Vorbild an. Die Täter erhalten Jugendstrafen zwischen drei und sieben Jahren. Das Landgericht Stendal stellte im Urteil fest, die Tatsache, dass es sich bei dem Opfer um einen ?Kinderschänder? gehandelt habe, sei ?Motivation und Rechtfertigung? für den tödlichen Angriff gewesen.

2005

Glatze, Springerstiefel, eine Rückentätowierung ?Skinhead? in altdeutschen Lettern ? seine Gesinnung stellte Sven K. gern zur Schau. So war der 17-jährige auch am Ostermontag 2005 als Rechtsextremist erkennbar, als er gegen 18.30 Uhr gemeinsam mit einer Freundin auf dem Heimweg von einem Fußballspiel in der Dortmunder U-Bahn-Station Kampstraße auf eine Gruppe von etwa zwanzig Punks traf. Über die Rolltreppen hinweg flogen wechselseitige Beschimpfungen. Die Punks zogen weiter zu einem Konzert ? bis auf den 31-jährigen Thomas Schulz. Der Familienvater, von seinen Freunden ?Schmuddel? genannt, war alkoholisiert und bekifft und wollte Sven K. zur Rede stellen. Nach weiteren gegenseitigen Beschimpfungen zog Sven K. ein beidseitig geschliffenes Wurfmesser aus der Innentasche seiner Bomberjacke und stach sein unbewaffnetes Opfer durch die Brust ins Herz. Schulz starb kurz darauf im Krankenhaus. Wenige Tage danach klebten Dortmunder Neonazis in der Stadt höhnische Plakate: ?Wer sich der Bewegung in den Weg stellt, muss mit den Konsequenzen leben.? Sven K. sei ein ?anerkanntes und respektiertes Mitglied? der neonazistischen Kameradschaftsszene in Dortmund, hielt das dortige Landgericht im November 2005 in seinem Urteil fest. ?Zu seinen Feindbildern gehörten auch ?Punker? … Diese bezeichnete er als ?Zecken ?.? Seinem Hass hatte Sven K. schon einmal, ein Dreivierteljahr vor der Tötung von Thomas Schulz, freien Lauf gelassen: In einem Regionalzug beschimpfte und schlug er einen Punk mehrfach ins Gesicht. Nur drei Wochen vor dem Angriff auf Schulz wurde K. dafür zu einer Woche Dauerarrest und Schmerzensgeld verurteilt. Ausführlich ging das Gericht auf die Behauptung des Täters ein, er habe sich nur gegen Thomas Schulz gewehrt, quasi in Notwehr. Eine Bedrohung habe es nicht gegeben, das Opfer sei ?in der konkreten Tatsituation arglos und damit wehrlos diesem Überraschungsangriff ausgesetzt? gewesen, so die Richter. Wegen Totschlags wird Sven K. zu sieben Jahren Haft verurteilt. Aus dem Gefängnis verschickt er über neonazistische Websites Grüße an ?die Kameraden? und bittet in einschlägigen Szenepostillen um Briefe.

Tim Maier wird am 26. November 2005 in Bad Buchau (Baden-Württemberg) von einem 24-jährigen Neonazi erstochen. Als er mit vier Freunden, von denen einer Türke ist, ein Lokal verlässt, wird die Gruppe von dem ehemaligen NPD-Mitglied Achim M. und einem weiteren Rechtsextremisten verfolgt und als ?Scheiß Ausländer? beschimpft. Es kommt zu einer Rangelei, bei der Achim M. dem 20-Jährigen ein Messer in den Bauch stößt. In der Wohnung des Täters findet die Polizei Hakenkreuzfahnen, Landser-Hefte und eine Pistole. Er wird 2006 wegen Totschlag zu zehn Jahren Haft verurteilt. Laut Gericht kann der rechtsextreme Hintergrund nicht geleugnet werden, in den Parolen habe sich ?dumpfe Ausländerfeindlichkeit? ausgedrückt.

2006

In der Nacht zum 6. Mai 2006 tötet ein junger Neonazi im bayerischen Plattling einen 41-jährigen Obdachlosen Andreas Pietrzak. Nachdem der 19-Jährige erst mit dem Opfer getrunken hat, schlägt er mit einem Holzpflock auf ihn ein und tritt dann mit seinen Springerstiefeln auf den Kopf des wehrlosen Mannes. Anschließend beraubt er den Bewusstlosen, übergießt ihn mit Spiritus und zündet ihn an. Ein Bekannter habe vor der Tat gesagt, ?dass man dem Polen eine Abreibung verpassen müsse?, gibt der Angeklagte vor Gericht zu. Das Opfer hatte die deutsche und polnische Staatsbürgerschaft. Schon früher hatte der Mörder Pietrzak gemeinsam mit einem Bekannten misshandelt. Obwohl im Urteil die ?ausländerfeindliche Gesinnung? des Täters ausdrücklich festgestellt wird, sieht der Richter darin nicht das führende Motiv für die Tat. Der Angreifer wird im Mai 2007 vom Landgericht Deggendorf zu neun Jahren Jugendstrafe wegen Raubmordes verurteilt.

2007

Der 17-jährige M. S. wird in der Nacht zum 14. Juli 2007 von dem ehemaligen NPD-Mitglied Garvin K. (23) in Brinjahe (Schleswig-Holstein) mit einer Eisenstange erschlagen. Das Opfer hatte früher Kontakt zu einer rechtsextremen Clique, sich aber inzwischen von der Szene gelöst. Schon am Abend wird der junge Mann von dem Bundeswehrsoldaten auf einer Privatfeier mehrfach geschlagen. Nachdem sich die Gruppe zu einem Waldfest begibt, spricht das Opfer zwei Polizisten an, die eine Anzeige gegen Unbekannt aufnehmen. Auf dem Heimweg trifft die Gruppe um K. an einem Waldweg erneut auf das Opfer. Sie ziehen ihm ein Polizei-Merkblatt zum Thema Opferschutz aus der Hosentasche und beschimpfen ihn als ?Spitzel?, der einen aus der Gruppe angezeigt habe. K. fordert ihn auf das Papier laut vorzulesen und schlägt ihm dann mindestens sechs Mal mit der Eisenstange auf den Kopf. Nach der Tat verbrennt der Täter das Merkblatt und geht mit Freunden in einem Fastfoodrestaurant essen. Er wird im Februar 2008 vom Landgericht Kiel wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt.

2008

In der Nacht zum 26. April 2008 ersticht der Rechtsextremist Alexander B. (21) in Memmingen (Bayern) seinen 40 Jahre alten Nachbarn Peter Siebert. Die beiden hatten häufig Streit, weil Alexander B. mehrfach rechtsextreme Musik in größerer Lautstärke abspielte. Am Abend vor der Tat sind Siebert und B., beide alkoholisiert, wieder aneinander geraten, in der Nacht gibt es weiteren Streit. Erneut beschwert sich Siebert über zu laute Musik und wirft B. seine braune Gesinnung vor. Der Rechtsextremist holt ein Bajonett und folgt Siebert in dessen Wohnung und sticht ihn tot. Das Landgericht Memmingen verurteilt den Täter im Dezember 2008 wegen Totschlags zu acht Jahren und drei Monaten Haft. Die Richter sehen kein rechtes Motiv, doch der Vizepräsident des Landgerichts, Manfred Mürbe, sagt jetzt, ein rechtsextremer Hintergrund sei wahrscheinlich. Die Kammer habe es allerdings dabei belassen, den ?äußeren Sachverhalt? zu klären, da der Täter geständig war.

Der 55-jährige Bernd Köhler wird in der Nacht zum 22. Juli 2008 in Templin von zwei Rechtsextremisten zu Tode geprügelt. Die Täter Sven P. (18) und Christian W. (21) hatten zuerst mit dem alkoholkranken Arbeitslosen getrunken. Dann schlug und trat vor allem Sven P. massiv auf das Opfer ein. Das Landgericht Neuruppin verurteilte im Mai 2009 Sven P. zu zehn Jahren Jugendhaft wegen Mordes, Christian W. erhielt wegen Beihilfe zum Mord durch Unterlassen neun Jahre und drei Monate Haft. Die Strafkammer verglich die Täter mit ?Folterknechten, die sich Hitler genommen hat, um die KZ zu betreiben?. Das neonazistische Menschenbild habe eine Rolle gespielt bei der Auswahl des Opfers, das die Täter als ?asozial? eingestuft hätten. Im Juli 2010 reduzierte das Landgericht die Haft für Sven P. auf neun Jahre, nachdem der Bundesgerichtshof das Strafmaß beanstandet hatte. Die Richter waren der Ansicht, das Neuruppiner Gericht habe den Tatbeitrag von Christian W. zu gering gewertet.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung im Jahr 2009 genannt.

Karl-Heinz Teichmann lag schlafend auf einer Parkbank, wehrlos gegen die Schläge des Angreifers: In den frühen Morgenstunden des 23. Juli 2008 wurde der Obdachlose in Leipzig von einem 18-jährigen Rechtsextremen brutal verprügelt und zusammengetreten, zwei Wochen später starb er im Krankenhaus. Der Täter, Michael H., war in jener Nacht auf dem Heimweg von einer Mahnwache unter dem Motto ?Todesstrafe für Kinderschänder?, die von der Neonazigruppe ?Freie Kräfte Leipzig? organisiert wurde. H. hatte viel Alkohol getrunken. Am Schwanenteich mitten im Stadtzentrum, direkt hinter der Leipziger Oper, traf er auf den 59-jährigen Teichmann. Der wird zum Opfer, weil er nicht in das Weltbild seines Mörders passt. Ein ?Assi?, wie Wohnungslose und Alkoholkranke im Jargon der rechten Szene genannt werden. Mindestens 20 Mal schlug H. dann auf den Mann ein, trat ihm ins Gesicht. Der Täter, übrigens in Lohn und Brot als Lehrling für Holzbearbeitung, ließ sein blutspuckendes Opfer für eine halbe Stunde liegen, um sich mit Freunden zu treffen. Danach kehrte er zum Tatort zurück und prügelte weiter. Am nächsten Morgen entdeckte eine Passantin den bewusstlosen Teichmann blutüberströmt und regennass auf der Parkbank. Neben massiven Kopfverletzungen wurden Prellungen am ganzen Körper, Brüche im Gesicht, eine Halswirbelfraktur und Hirnblutungen festgestellt. Wegen heimtückischen Mordes wird der H. 2009 zu einer Haftstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Richter stellt ?Reifedefizite? fest und wendet das mildere Jugendstrafrecht an. ?Aus seiner schlechten Laune heraus störte ihn der Anblick des schlafenden Mannes, dessen Schlafplatz er willkürlich als unpassend bewertete?, heißt im Urteil. ?Das kann man nicht wegdiskutieren, eine Tat mit rechtem Hintergrund. Natürlich?, sagt der Verteidiger des Täters in einem Fernsehinterview. Sein Mörder habe den Mann ?zum bloßen Objekt degradiert?, erklärt der Staatsanwalt. Trotzdem wertet das Gericht den Mord nicht als rechtsextrem motiviert. So bleibt es für die Polizeistatistik eine ?normale? Straftat unter Alkoholeinfluss.

In der Nacht zum 1. August 2008 schlagen und treten die alkoholisierten Rechtsextremisten Sebastian K. (23) und Thomas F. (34) in einem Park in Dessau den geistig behinderten Hans-Joachim Sbrzesny (50) tot. Der ärmlich aussehende Sbrzesny lag auf einer Bank und schlief. Vor allem Sebastian K. agiert mit extremer Brutalität. Er schlägt auf das wehrlose Opfer auch mit einem mehr als fünf Kilogramm schweren Müllbehälter ein. Die Polizei entdeckt auf den Handys der rasch fest genommenen Täter unter anderem Hakenkreuze, die Parole ?Juden sind unser Unglück? und Lieder rechtsextremistischer Bands wie der ?Zillertaler Türkenjäger?. Die Staatsanwaltschaft Dessau sagt in der Anklage, die Täter hätten eine ?tiefe innere Miss- und Verachtung? für Sbrzesny empfunden und deshalb ?aus ihrem Gefühl der Überlegenheit? heraus den Entschluss gefasst, ihn zu töten. Im Prozess berichtet ein Zeuge, Sebastian K. habe in der Untersuchungshaft das Opfer einen ?Unterbemittelten? genannt, der es ?nicht anders verdient?. Das Landgericht Dessau sieht kein rechtes Motiv und verurteilt im April 2009 beide Angeklagten wegen Mordes ?aus einem sonst niedrigen Beweggrund?. Sebastian K. habe ?schlechte Laune? gehabt, Thomas F. ?akzeptierte diesen Beweggrund auch für sein Handeln?. Sebastian K. erhält eine lebenslange Freiheitsstrafe, Thomas F. kommt mit zwölf Jahren davon ? wegen seiner mutmaßlich hohen Alkoholisierung zur Tatzeit.

Nach dem Besuch einer Diskothek in Magdeburg-Reform wird der 20-jährige Rick Langenstein in der Nacht zum 17. August 2008 von dem unter anderem wegen einer rassistisch motivierten Körperverletzung und Volksverhetzung vorbestraften Neonazi Bastian O. mit unzähligen Schlägen und Tritten tödlich misshandelt. Das Landgericht Magdeburg sah es in der Hauptverhandlung als erwiesen an, dass Bastian O. sich – nachdem ihn der angehende Kunststudent bei einem zufälligen Zusammentreffen vor der Diskothek ?Fun Park? als Hobbynazi? bezeichnet hatte ? provoziert fühlte und sich rächen wollte. Das Landgericht verurteilte den 20-jährigen Neonazi im Mai 2009 zu einer Jugendhaftstrafe von acht Jahren wegen Totschlags.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.

2009

Am 1. Juli 2009 ersticht der NPD-Sympathisant Alex W. (28) im Dresdner Landgericht die schwangere Ägypterin Marwa el-Sherbini (31) und verletzt ihren Ehemann Elwy Okaz schwer. Die Tat geschieht während einer Berufungsverhandlung gegen den Russlanddeutschen. Alex W. hatte die Frau im August 2008 auf einem Spielplatz grundlos als ?Islamistin? und ?Terroristin ? beschimpft. Dafür erhielt er eine Geldstrafe. Da W. sie nicht akzeptierte, war die Verhandlung notwendig. Im Gerichtssaal beleidigt W. die Ägypterin, dann sticht er überraschend und insgesamt 16-mal auf die Frau ein. Auch der Ehemann erhält 16 Stiche. Ein Bundespolizist greift ein und schießt versehentlich auf Elwy Okaz, da er ihn für den Täter hält. Im November 2009 verurteilt das Landgericht Dresden den Russlanddeutschen zu lebenslanger Haft wegen Mordes, außerdem verkündet die Kammer eine besondere Schwere der Schuld. Als ein Tatmotiv nennen die Richter Fremdenhass. Die Ermittlungen gegen den Bundespolizisten stellt die Staatsanwaltschaft Dresden im Dezember 2009 ein. Der Mord an Marwa el-Sherbini gilt als bislang schwerster Fall islamophober Gewalt in der Bundesrepublik.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung im Jahr 2009 genannt.

Dieser Text erschien am 16.09.2010 auf ZEIT Online. Mit freundlicher Genehmigung.

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Klaus Przybilla, ehemaliger Vorsitzender Richter am Potsdamer Landgericht, über rechtsextreme Gewalttäter und harte Urteile.

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Der Opferfonds Cura der Amadeu Antonio Stiftung hilft Opfern rechtsextremer Gewalt und dokumentiert ebenfalls die Todesopfer rechtsextremer Gewalt. Er kommt auf 149 Todesopfer seit 1990.

| www.opferfonds-cura.de

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