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Trump-Impeachment Auf Trumps Worte folgten gewalttätige Taten

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Das Kapitol: Der Sitz des US-amerikanischen Kongresses. (Quelle: Sam Bowman / Flickr / CC BY-NC 2.0)

Trump hat Geschichte geschrieben, nicht aber in seinem Sinne: Noch nie wurden zwei Amtsenthebungsverfahren gegen einen Präsidenten eingeleitet. Am 13. Januar 2021 stimmten eine Mehrheit von 232 Abgeordneten für eine Amtsenthebung im House of Representatives, dem US-amerikanischen Unterhaus. Gegen nur drei Präsidenten überhaupt gab es jemals ein Impeachment. Für Trumps zweites Impeachment stimmten sogar zehn seiner eigenen Parteifreund*innen – so viele im eigenen Lager wie noch nie in einem Impeachment-Verfahren.

Nun muss sich der Senat mit dem weiteren Verfahren befassen: Frühestens am 19. Januar, dem letzten Tag von Trumps Amtszeit, könnte es beginnen – und wird vermutlich Wochen dauern. Doch ein Impeachment wäre dennoch sinnvoll, auch wenn es nicht mehr darum geht, Trump aus dem Amt zu entfernen: Im Fall einer Verurteilung dürfte Trump künftig nicht mehr zur Wahl antreten und würde seine sechsstellige Pension sowie andere Vorteile für Ex-Präsidenten verlieren. Und das würde mehr erreichen als bloße Schadenfreude: Es wäre eine klare Botschaft an die Feinde der Demokratie.

Nach vier turbulenten und alarmierend ereignisvollen Jahren im Weißen Haus scheint eine Woche vor Trumps Abtritt sein politisches Vermächtnis nun in Stein gemeißelt zu sein: Trump, der Oberanstifter des rechten Mobs, der Demagoge der wütenden Masse. Fünf Menschen sind tot. Die Nation ist erschüttert und die Erstürmung des Kapitols wird noch lange Zeit in Erinnerung bleiben.

Die genaue Anklage des Impeachment lautet „Incitement of Insurrection“ – Anstiftung zum Aufruhr. Schließlich hatte Trump seine Anhänger*innen nach Washington DC mobilisiert. Und schließlich war es seine feurige Rede, die die Masse anstachelte: „Wenn ihr nicht wie der Teufel kämpft, werdet ihr kein Land mehr haben“, rief Trump von der Bühne, einen Steinwurf entfernt vom Kapitol, dem Sitz des US-amerikanischen Kongresses. Seine Anhänger*innen sollten zudem „Stärke“ zeigen und den „Diebstahl“ der Wahl stoppen. Auch Trumps persönlicher Anwalt und rechte Hand, Rudy Giuliani, mit dem er sich mittlerweile überworfen hat, forderte von derselben Bühne „trial by combat“ – ein „Kampfgericht“, um das Ergebnis der Wahl zu entscheiden. Seit November war es Giulianis Hauptaufgabe, Zweifel zu säen und das Ergebnis der Wahl anzufechten. Er ist somit nun endgültig gescheitert und wegen seiner Verwicklung in der Ukraine-Affäre, der Grund für Trumps erstes Impeachment, womöglich nun strafbar.

Total angemessen

Natürlich kann Trump nichts Problematisches an seinen Worten erkennen. Das Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelensky, in dem er Zelensky zu Ermittlungen gegen Joe Biden zwingen wollte, war ein „perfect phone call“. Und in typischer Trump-Manier war seine Rede vor den Krawallen im Kapitol „totally appropriate“.

Die Bilder und Videos vom 6. Januar 2021 beweisen das Gegenteil: Nichts war „appropriate“, weder an Trumps Worten, noch an der gewalttätigen Erstürmung des Kapitols, um das Ergebnis eine demokratische Wahl zu verhindern. Mittlerweile wurden mehr als 70 Menschen wegen ihrer Beteiligung an dem Angriff auf den Kongress verhaftet und angeklagt. Darunter: Der selbsternannte „QAnon-Shaman“ Jacob Anthony Chansley aka Jake Angeli, Eric Gavelek Munchel, der Kabelbinder mit sich trug, Adam Johnson, der ein Rednerpult aus dem Kongresssaal stahl, Richard „Bigo“ Barnett, der mit seinen Füßen auf dem Bürotisch von Nancy Pelosi, der Sprecherin des Repräsentantenhauses, für ein Foto posierte sowie Robert Keith Packer, der einen Pullover mit dem Schriftzug „Camp Auschwitz“ trug. Insgesamt konnte das Justizministerium bislang 170 Menschen identifizieren, die Straftaten begangen haben.

Seit der Erstürmung des Kapitols wurde das FBI mit Hinweisen überflutet: Über 100.000 Tipps hat die Bundesbehörde mittlerweile bekommen. Auf Social-Media-Plattformen wie Twitter und Instagram leisten Nutzer*innen akribische Recherchearbeit und werten Fotos und Videos aus, um Tatverdächtige zu identifizieren. Die Hackerin „donk_enby“ konnte zudem die schlecht abgesicherte Plattform Parler, die wegen ihrer fehlenden Moderation gerne von Rechtsextremen und Trump-Fans benutzt wird, knacken und archivieren. Mehr als 56,7 Terabyte an Daten von 70.000 Beiträgen konnten gesichert werden – inklusive Geodaten. So lässt sich die Erstürmung des Kapitol mit belastenden Fotos und Posts rekonstruieren, was vermutlich zu weiteren Anzeigen in den kommenden Wochen und Monaten führen wird. Bereits ein Parler-Nutzer konnte bislang identifiziert und angeklagt werden: Der User „LoneWolfWar“, ein Unterstützer der „Proud Boys“.

Der Online-Nachrichtenseite The Appeal zufolge waren auch zahlreiche Beamt*innen der Strafverfolgungsbehörden an dem Aufruhr beteiligt: Bislang konnte die Plattform 29 Polizist*innen identifizieren, die daran teilnahmen. Einige wurden mittlerweile vom Dienst suspendiert, andere sind nun Gegenstand von Ermittlungen. Auch gegen Polizeibeamt*innen, die auf Social Media ihre Unterstützung für den Aufruhr äußerten, wird nun ermittelt.

Bewaffnet und gefährlich

Dieser Vorgang, genauso wie Trumps zweites Impeachment, ist mehr als angebracht: Denn eine Woche seit dem Aufruhr in Washington sind noch mehr Fakten ans Tageslicht gekommen, die ein sehr düsteres Bild zeigen. So fuhr Lonnie Coffman, der Mann, in dessen Kühlbox elf Molotowcocktails gefunden wurden, eine Liste von „Guten“ und „Bösen“ mit sich. Auf der Liste von politischen Gegner*innen waren unter anderem die Namen von einem Bundesrichter und einem Abgeordneten. Die Molotowcocktails beschrieb die Staatsanwaltschaft als „besonders tödlich“, da sie einen Napalm-ähnlichen Stoff enthielten, der am potentiellen Opfer kleben und lange brennen würde. Coffman war zudem mit einem AR-15-ähnlichen Gewehr, einer Schrotflinte, einem Taser, einer Pistole und einer Armbrust ausgerüstet. Coffman sitzt nun in Untersuchungshaft und wurde in 17 Fällen angeklagt.

Ein weiterer, schwer bewaffneter Mann aus Colorado, Cleveland Grover Meredith Jr., war auf dem Weg nach Washington DC mit dem Plan, Nancy Pelosi und der demokratischen Bürgermeisterin Muriel Bowser in den Kopf zu schießen. Er war mit einem Sturmgewehr und einer Pistole in den Farben der US-amerikanischen Flagge sowie 2.500 Schuss Munition ausgerüstet. Den Sturm auf das Kapitol verpasste Meredith allerdings: Wegen einer Autopanne auf dem Weg in die Hauptstadt. Als er verspätet in Washington ankam, attackierte er einen Mann auf der Straße und wurde kurze Zeit danach festgenommen.

Doch während immer mehr Kapitol-Stürmer*innen verhaftet werden, bleiben noch viele Fragen offen. Aus bislang ungeklärten Gründen seien sämtliche Panikknöpfe, die im Büro der demokratischen Abgeordnete Ayanna Pressleys im Fall eines Angriffs installiert wurden, schon vor dem Sturm auf das Kapitol herausgerissen worden. Ein Ausschuss will jetzt ermitteln und der Frage nachgehen, ob der Trump-Mob womöglich Hilfe im Repräsentantenhaus hatte. Eine Frage bleibt auch, wieso viele Stürmer*innen so problemlos durch das labyrinthartige Gebäude navigieren konnten. Die demokratische Abgeordnete Mikie Sherrill behauptet, republikanische Abgeordnete hätten am Vortag Gruppen durch das Kapitol geführt, was sie als „Erkundungsmission“ wertet. Diese Menschen sahen aus, als gehörten sie zum Mob, der am nächsten Tag das Kapitol stürmte, so die Abgeordnete weiter. Auch der demokratische Abgeordnete James Clyburn fragt sich, wie die Stürmer*innen sein unausgeschildertes Büro so problemlos finden konnten.

Seit dem 6. Januar hat das Kapitol verschärfte Sicherheitsmaßnahmen eingeführt: Ein Metalldetektor wurde am Eingang des Gebäudes aufgebaut. Doch immer wieder verweigern sich Republikaner*innen, durch den Detektor zu laufen und weichen ihm stattdessen aus. Das hat auch konkrete Gründe: Die neugewählte QAnon-nahe Abgeordnete Lauren Boebert verkündete am 10. Januar entschlossen auf Twitter, dass sie im Kongress eine Schusswaffe bei sich tragen wird. Daraufhin kündigte Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, eine Geldstrafe von 5.000 Dollar an für Abgeordnete, die nicht durch den Metalldetektor laufen. So ist das in diesen Tagen in Washington: Die Demokratie wird von einem Metalldetektor verteidigt. Denn ihre Feinde kommen nicht nur von außen: Sie sitzen unter anderem schon drinnen im Kapitol.

Das Foto wurde unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC 2.0 veröffentlicht.

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