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TV-Runden & Soziales Die AfD-Strategen sind nicht zufrieden

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Kubitschek (l.), Sellner (r.) und Kaiser sind nicht zufrieden mit dem AfD-Ergebnis (Quelle: KA)

Die AfD erhielt bei der Bundestagswahl 20 Prozent der Stimmen und hat sich damit im Vergleich zur vorherigen Wahl verdoppelt. Doch während große Teile der AfD und ihre Fans jubeln, sind einige rechtsextreme AfD-Strategen nicht so richtig zufrieden. Ausgerechnet sie kritisieren die Verengung auf das Thema Migration. Und fürchten sich inzwischen vor der Links-Partei.

Sellner: Angriff auf die Erinnerungskultur

Der Kopf der deutschsprachigen Identitären Bewegung, Martin Sellner, ist nicht zufrieden mit dem AfD-Ergebnis. Liegt die AfD in ostdeutschen Bundesländern bei 34 Prozent, kommt sie im Westen auf „nur“ 17,9 Prozent. Sellner weiß auch direkt, wieso das so ist: Wegen einer vermeintlichen „Schuldkult-Indoktrinierung“ des Westens. Was er damit meint? Die deutsche Erinnerungskultur und das Bewusstsein darüber, dass Deutschland das Land der Täter des Holocausts ist. Allein aufgrund dieser Verantwortung ist eine Zusammenarbeit mit den geistigen Nachfahren der NS-Verbrecher – der AfD – unzulässig.

Die AfD versucht seit Jahren, Geschichte und Erinnerungskultur umzudeuten. So forderte AfD-Thüringen-Chef Björn Höcke etwa eine  „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“. AfD-Ehrenvorsitzender Alexander Gauland sagte, dass die NS-Geschichte  „nur ein Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte gewesen sei. Auch Alice Weidel behauptete im Live-Talk mit Elon Musk, Adolf Hitler sei ein Linker und ein Kommunist gewesen, ein Versuch, sich so vom Vorwurf des Rechtsextremismus und Nationalismus zu befreien. Und zuletzt forderte Elon Musk auf einer AfD-Wahlkampfveranstaltung, Deutsche sollen endlich wieder stolz darauf sein, Deutsche zu sein („It’s good to be proud of German culture, German values, and not to lose that in some sort of multiculturalism that dilutes everything,“ „children should not be guilty of the sins of their parents, let alone their great grandparents“)

Kubitschek telefoniert mit AfD-Politiker: „Bloß Parlament? Gott bewahre“

Kurz nach der Wahl berichtet der völkische Landwirt, rechtsextreme Verleger und Spiritus Rector des Faschisten Björn Höcke, Götz Kubitschek, von einem Telefonat mit einem nicht näher genannten AfD-Politiker und zitiert: „Bloß Parlament? Gott bewahre.“ Und dennoch ist Kubitschek unzufrieden mit dem AfD-Ergebnis. Nach 16 Jahren unter Angela Merkel und einer gescheiterten und frühzeitig beendeten Ampelregierung, die so unbeliebt war, wie kaum eine andere Regierung vor ihr, hätte die „Alternative“ deutlich besser abschneiden müssen. „Die Partei stagniert in ihrer Entwicklung“, resümiert er.

Das Potenzial der Jungwähler*innen sei liegen gelassen worden. Es sei ein großer Fehler gewesen, so Kubitschek, die Jugendorganisation, JA, so kurz vor den Wahlen aufzulösen. Zur US-Wahlkampf-Unterstützung durch Elon Musk und den US-Vizepräsidenten J.D. Vance äußert der Verleger: Im politischen Feuilleton habe das zwar zu Schnappatmung geführt, doch die typischen AfD-Wähler*innen des Erzgebirges und des Saalekreis fragen sich viel eher, warum Antworten auf soziale Fragen von der Linkspartei kommen. 

Benedikt Kaiser: AfD hat die mediale Dauerpräsenz nicht genutzt

Ähnlich sieht es auch der Rechtsextreme Benedikt Kaiser, als Jugendlicher aktiv bei den Neonazis der „Autonomen Nationalisten“, mittlerweile Vordenker der Neuen Rechten, Buchautor und Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten, im Gespräch mit dem rechtsextremen Info-Direkt-Chefredakteur Michael Scharfmüller

Man müsse objektiv anerkennen, dass Heidi Reichinnek, die Spitzenkandidatin der Linken „die uns natürlich höchst unangenehm ist, mit dem hysterischen Antifaschismus“, mit ihren klaren einfachen TikTok-Botschaften alles richtig gemacht habe, erkennt Kaiser an. Klare einfache Botschaften, wie sie von den Linken kamen, wie etwa Steuern müssen runter, Mieten müssen gedeckelt werden, Nazis müssen raus, Rente muss gesichert sein, „so etwas hat bei der AfD gefehlt“. Um dann prompt einen „Migrations-Rechner“ vorzuschlagen, der ausrechnen soll, wie viel Geld den Deutschen Migration kostet. 

Angesichts der aktuellen Gemengelage, einer CDU im „Dauer Krisen-Zustand“, eines strauchelnden BSW, der vergangenen Terrortaten, einer ungeliebten Ampel-Regierung, des Hype von Musk und Co. sei das aktuelle Ergebnis nicht zufriedenstellend. Obwohl die AfD „24/7 permanent in den Medien zirkulierte und permanent in den Talkshows saß“, habe das der AfD wohl nichts gebracht, so Kaiser. 

Die AfD hat stets beklagt, dass es ungerecht sei, dass ihre verfassungs- und medienfeindlichen Vertreter*innen nicht in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingeladen werden. Die Partei war sich scheinbar sicher, sobald sie erstmal einen festen Platz in den Talkrunden bekommt, sei der bundesweite Erfolg nicht mehr aufzuhalten. Aber genau das sei nicht passiert, so Kaiser, trotz Dauerpräsenz der AfD in den Medien. „Die TV-Auftritte haben eben nicht dazu geführt, dass man noch stärker wird“, so seine Erkenntnis.  

Kaiser liefert auch eine Erklärung, warum das so ist: Ihm missfällt die Performance von AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel. In den Talkshows habe man den größtmöglichen Zugang zu den normalen Bürger*innen – den man sonst wegen der Brandmauer nicht habe. Hier habe Weidel aber nicht punkten können. Sie habe hier zu hölzern gewirkt, nicht sympathisch genug. Ihm fehlt eine Charme-Offensive von Weidel. Und außerdem seien die weißen Turnschuhe, die Weidel stets trug, nicht staatsmännisch genug für den Anlass.

Die Positionen vom Linnemann „waren teilweise pointierter“ 

Generell fehle schlicht die positive Erzählung der AfD. Und tatsächlich wird die AfD nach wie vor hauptsächlich wegen ihrer menschenfeindlichen Migrations-Politik und ihrem Rassismus gewählt. Stets zeichnen sie das Bild eines Deutschlands, das durch den Zuzug von Menschen aus anderen Ländern unsicherer geworden ist. Beim Thema Migration hat man sich aber von der Union die Butter vom Brot nehmen lassen. Die Positionen vom CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann „waren teilweise pointierter als die Positionen der AfD-Bundesspitze“, so Kaiser. Das Thema Rassismus müsse weiterhin bespielt werden, es ist schließlich das Kernthema der AfD, doch es müssen neue Themen her, meint Kaiser. 

Sein Vorschlag: Die AfD müsse sich wandeln, zu einer „Sozialen deutschen Volkspartei“, das klingt verdächtig nahe nach einer „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ (NSDAP). Das verwundert aber nicht wirklich, schließlich ist Kaisers Kernthema die soziale Frage, verknüpft mit der inneren Sicherheit. In seinem Weltbild läuft das schließlich auf eine modernisierte Form des Nationalsozialismus hinaus. 

Das AfD-Problem mit der sozialen Frage

Eine Neuausrichtung der AfD zum Sozialstaat birgt jedoch vermutlich einiges an Sprengpotential innerhalb der AfD mit sich: Hier stehen sich der libertäre Flügel, um Alice Weidel, und der sozial nationalistische, um Björn Höcke, gegenüber. Bereits 2018 unternahm Höcke den Versuch einer Neuausrichtung seiner Partei, die vor allem „national“ und „sozial“ sein soll – jener Versuch scheiterte. Nun fordern prominente Stimmen, das Thema wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Mit einer „sozialen“ oder „linken“ Programmatik würde sich die AfD im Bereich der Sozialpolitik besonders als Konkurrenz zur Linken aufstellen. Man merkt, der Wahlerfolg der Linken sorgt die AfD. 

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