„Wie Philanthropie transformativ wird“ lautet der Untertitel ihres gemeinsam mit Justus Eisfeld und Claudia Bollwinkel verfassten Buches „Geben mit Vertrauen“. Das Überraschende daran: Die Rede ist nicht nur von Nachhaltigkeit, davon, dass Förderung Verhältnisse verändert und nicht nur lindert, sondern es geht um die Gebenden. Die Transformation bezieht sich vor allem auch auf sie – auf ihr Verhältnis zu den Spendenempfängern und zu den Anliegen, denen sie sich widmen. An ihrem eigenen Lebensweg zeigt uns Ise Bosch, wie der Umgang mit einem großen Vermögen sie herausgefordert, verändert und – im ideellen Wortsinne – bereichert hat.
In Zeiten, in denen wohlfeilen Eliten-„Bashing“ modern ist, statt eines „neutralen“ Ratgebers die eigene Person so in den Ring zu werfen – mit persönlichen, ja privaten Informationen, erfordert großen Mut und setzt dieses Buch von vielen anderen zum Thema ab. Ise Bosch gibt Auskunft über die Herkunft des Geldes, das sie investiert, über ihren Werdegang und die Genese der Themen, die sie bewegen, über ihre Entwicklung als Geberin und die kritischen Zusammenhänge, denen sie sich selbst stellen muss.
Denn ihr geht es nicht um Wohltätigkeit, sondern um Solidarität. Um Augenhöhe. Die Abwertung von „Verlierern“, „Sozialschmarotzern“ oder Menschen, die man dafür hält, ist ja das Gegenstück zum „Eliten-Bashing“ und verweist auf das gleiche Gefühl – dass Menschen angeblich ungleichwertig seien. Dies ist das Thema, das Ise Bosch umtreibt und das sie in all ihren Partnerschaften mit gemeinnützigen Organisationen zugrunde legt, beim Einsatz für LSBTIQ-Rechte, in der Entwicklungszusammenarbeit und beim Kampf gegen Rechtsextremismus. Es geht um Gleichwertigkeit. Das zeigt sich auch in ihrem eigenen Umgangs mit den Organisationen: Ise Boschs Förderstrategie basiert auf dem Respekt gegenüber der Kompetenz der Geförderten. Bei ihnen, nicht bei den Geldgebern, liegt die Expertise.
Diese Haltung führt sie zu einer ganz anderen Art, Geld einzusetzen und die Verwendung dann – auch mit Blick auf sich selbst – zu evaluieren: Ise Bosch beginnt bei Beziehungen. Was wir oft verächtlich als anrüchigen Seitenweg betrachten, ist für sie – professionell angelegt – die grundlegende Ressource für eine gute Zusammenarbeit. Und sie investiert in Organisationen, nicht in kurzfristige Projekte. Ungebundenes Geld ist das, was ihren Partnern vor Ort ermöglicht, sich zu entfalten, Themen und Entwicklungen zu folgen, anstatt sich in zyklischen Projektantrags- und -berichtsverfahren abzuarbeiten. Dies funktioniert, wenn auch die Fördernden selbst ihre Motive prüfen: Geht es dabei um die formulierten Ziele oder darum, Rechenschaft gegenüber den Geldgebern ablegen zu können – um einen vorwärts oder rückwärts gewandten Blick? Und was brauchen die Organisationen dann, um nachhaltig wirken zu können? Vertrauen wir ihnen, dass sie das wissen, dass das Potential zur Lösung von Problemen in den für die Organisationen engagierten Menschen, nicht in ihren Projekten liegt? Dann lohnt es sich, sie zu stärken und ihnen Entwicklungsfreiheit zu geben.
Dass dabei Rückschläge nicht ausbleiben, ist natürlich – und eine Lerngelegenheit. Hier setzt die Evaluation an, die für Ise Bosch zentral ist, aber nicht den immer ausgefeilteren Wirkungsrastern vieler anderer Geber folgt. Sie „evaluiere eher Vorgänge als Ergebnisse“, sagt sie, Vorgänge, die zum Wissensgewinn beitragen, bei den vor Ort Tätigen und bei den Gebenden. Und das, der gemeinsame Kenntniszuwachs und die Erfahrung der eigenen Handlungsmacht, führt, selbst nach Misserfolgen, zum „Ausdehnen von Freude“.
Ise Boschs ganzheitliche Förderstrategie ist eine Antwort auf den „Nonprofit Starvation Cycle“ von Gregory & Howard,1] (vgl. stern). Dabei besticht die Reflektiertheit, mit der sie umgekehrt auch die Fallstricke besonders großzügigen Förderns offenlegt, denn Geld ist Macht, und mit der Fördersumme steigt die Abhängigkeit der Organisationen von den Gebern. Dies sensibel zu beobachten und zu vermeiden (auch wenn es oft einfacher, effektiver und öffentlichkeitswirksamer sein mag, ein paar große Organisationen zu fördern als viele kleine), ist ein Anliegen von Ise Bosch. Dabei geht es wiederum um die Augenhöhe und die Unabhängigkeit der Geförderten – eine Grundbedingung kreativer zivilgesellschaftlicher Arbeit. Nicht ohne Grund hat Ise Bosch den Deutschen Stifterinnenpreis 2018 des Bundesverbands Deutscher Stiftungen erhalten, in der Hoffnung, dass sich viele von ihren Arbeitsprinzipien anregen lassen mögen.
Wer diese verstehen und mehr solcher Worte entdecken will, die man in Spendenratgebern sonst selten liest: Vertrauen, Macht, ungebunden, Freude – dem sei das Buch wärmstens empfohlen. Die Fotografien von Muholi machen es überdies zu einem besonderen künstlerischen Genuss.
Ise Bosch, Justus Eisfeld und Claudia Bollwinkel: „Geben mit Vertrauen. Wie Philanthropie transformativ wird“, mit Fotografien von Zanele Muholi (Südafrika). Dreilinden gGmbH, 2018