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Ukraine Putin entsendet Truppen – Wie reagiert die rechte Szene?

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(Quelle: Shreenshot, Compact, Instagram, BTN)

Kurzfristig wendet sich Wladimir Putin am Montagabend mit einer Fernsehen-Ansprache an sein Volk. Der russische Präsident greift in seiner fast einstündigen Rede weit in die russische Geschichte zurück, zu Stalin, Lenins, der vor mehr als 100 Jahren die Grenzen zur Ukraine gezogen habe, und er betont: „Die Ukraine ist ein untrennbarer Teil unserer Geschichte.“ Er sieht den heutigen Staat nur als ein Konstrukt. Die Ukraine existiere überhaupt nur dank Russland, dank dem kommunistischen Revolutionsführer Wladimir Iljitsch Lenin, der vor mehr als 100 Jahren die Grenzen gezogen habe; er sei Autor und Architekt der Ukraine, sagt Putin.

Seit dem Untergang der UdSSR habe sich die Ukraine jedoch zu einer „Kolonie mit einem Marionettenregime“ unter Führung der USA machen lassen. Nationalisten und Neofaschisten würden hier eine antirussische Politik anstreben. Putin spricht von „Genozid“, durch aggressiven Nationalismus und Neonazismus, dem fast vier Millionen russischsprachige Menschen in der Ostukraine ausgesetzt seinen.

Fast schon nebenbei teilt er mit, dass er die Separatistengebiete in Donezk und Lugansk als eigenständige Volksrepubliken anerkennt. Er beendet die Rede mit einer deutlichen Warnung an Kiew, die Feindseligkeiten sofort einzustellen, oder selbst  für die Folgen weiterer Feindseligkeiten die Verantwortung zu übernehmen. Es wirkt wie eine Kriegserklärung – auch an den Westen.

 Wie reagiert nun die deutsche Rechte auf Putins Einmarsch in die Ostukraine? Die ist gespalten.

Alte Rechte: Historisch gewachsene Verbundenheit zur Ukraine

Die  „alte“ Rechte, also die klassisch neonazistische Szene, scheinen momentan eher auf Seiten der Ukraine zu stehen. Was auf die Rückbeziehung auf die NS-Zeit nur logisch ist: Während des Zweiten Weltkriegs haben ukrainische Nationslist:innen an der Seite der Deutschen gegen die Sowjetunion gekämpft. Seit den Euromaidan-Protesten 2013/ 2014 werden pro-westlichen Kräfte in der Ukraine in den russischen Staatsmedien wiederholt als Faschisten und „Banderowzy“ bezeichnet – ein Ausdruck nach Stepan Bandera, ein ukrainischer, nationalistischer Politiker, der „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN), der im Zweiten Weltkrieg mit der deutschen Wehrmacht zusammenarbeitete.

Die Sowjetunion war als Teil der Alliierten im Zweiten Weltkrieg maßgeblich für den Sieg über  Nazi-Deutschlands verantwortlich. Daher wurde Russland von deutschen Neonazis lange Zeit her feindlich betrachtet. Dieses strikte Feindschema zu Russland änderte sich allerdings mit der Zeit. Und so gibt es heute enge Netzwerke zwischen deutschen und russischen Neonazis. Und dennoch scheint die Sympathie derzeit eher auf Seiten der Ukraine zu liegen.

Der Neonazi-Kader Sebastian Schmidtke nutzt unterdessen die Gunst der Stunde, um indirekt für seinen Security-Onlineshop zu werben. „Auch das Szenario Krieg sollte jeder im Bereich der Krisenvorsorge auf dem Schirm haben“, ist auf dem Telegram-Kanal zum Shop am Dienstagmorgen zu lesen. Der Shop wirbt mit Slogans wie „Deine Ausrüstung für den Ernstfall“ und verkauft unteranderem schnittsicheren Westen und Elektro-Schockern.

„Jungeuropa Verlag“ auf der Seite der Ukraine mit Propaganda für „Asow“

Seit Montagabend wird ein Buch in zahlreichen rechtsextremen Telegram-Kanälen verbreitet – „Natiokratie“ von Mykola Sziborskyj, das „Manifest des ukrainischen Nationalismus“. Es ist ein Klassiker des ukrainischen Ultranationalismus. Ihr Autor, Sziborskyj, war eine Führungsfigur der nationalistischen „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN), die für die Unabhängigkeit der Ukraine einstand. Die Fraktion der OUN, zu der Sziborskyjsich zählte kämpfte im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Waffen-SS.

2020 erschien „Natiokratie“ im neurechten Verlag „Jungeuropa“, der von Philip Stein geleitet wird. Das Vorwort lieferte Mykola Krawtschenko, Mitglied des rechtsextremen „Asow“-Regiments. Das ukrainische nationalistische „Bataillon Asow“ gibt es seit Beginn des Donbass-Krieges 2014. Hinter „Asow“ steht eine schwer bewaffnete Neonazi-Miliz mit militärischer Kampferfahrung. Hier kämpften die Söldner gegen prorussische Separatisten in der Ostukraine. 2017 warb „Asow“ auf einem Neonazi-Festival in Thüringen mit mehreren tausend Teilnehmer:innen um neue Mitglieder. Es besteht ein enges Netzwerk zwischen der sogenannten „neuen“ Rechten, wie auch zur alten Rechten. Immer mal wieder sind „Asow“-Mitglieder bei deutschen Neonazis für Vorträge und Weiterbildungen zu Gast.

Der „Jungeuropa Verlag“ postete zum Bewerben des Buchs am Dienstagmorgen ein Foto eines „Asow“-Kämpfers mit Maschinengewehr.

Und Martin Sellner? Der hat mal wieder Angst vor Flüchtlingen

Zwar stehen viele Neo-Faschist:innen also auf Seiten der Ukraine, dennoch befürchten einige von ihnen „weitreichende demographische Folgen“ durch den Konflikt. So warnt etwa Martin Sellner, Kopf der deutschsprachigen rechtsextremen „Identitären Bewegung“, vor bis zu einer Million ukrainischer Flüchtlinge, die nach Westeuropa kommen könnten. In den Kommentaren zu dieser Theorie ist man sich jedoch fast einig: Diese Flüchtlinge hätten „eine größere Legitimation“ als andere, und sowieso seien sie „bessere“ Flüchtlinge.

Gratulation nach Russland von den „Freie Sachsen“

Unterdessen gratulierten am Montagabend die rechten Radikalisierungsbeschleuniger der „Freien Sachsen“, die selbst „eine Autonomie von Berlin anstreben“, Donezk und Lugansk zur Anerkennung als Volksrepubliken. „Wir glauben den westlichen Medien ohnehin nicht mehr und haben erkannt, wie seit Jahren versucht wird, die Aggression gegen Rußland zu schüren. Doch nicht mit uns!“, schreiben sie auf Telegram.

Jürgen Elsässer will eine neue „Friedensbewegung“

Auch der Apologet Jürgen Elsässer ist klar auf der Seite Russlands. Hat man seine Karriere vom ehemaligen linken Antideutschen zum rechtsextremen Propagandisten seines Magazins „Compact“ verfolgt, wundert es kaum: Aus der breiten Palette der Feindbilder ragt eines heraus: Amerika. „Wir sind nicht das Kanonenfutter für angloamerikanische Öl- und Gasinteressen. Was es jetzt braucht, ist eine Neuauflage der Friedensbewegung, die sich schon 2014 den NATO-Kriegstreibern entgegenstellte“, schreibt Elsässer am Dienstag auf „Compact“.

Ab 2014 gingen immer montags in zahlreichen deutschen Städten Menschen zu sogenannten „Montagsdemonstrationen“ und „Mahnwachen für den Frieden“ auf die Straße. Die Demonstrierenden verbanden Sorge um den Konflikt rund um die Ostukraine, die Krim und den Frieden in der Welt mit Protest gegen das herrschende System – angereichert mit antisemitischen und antiamerikanischen Verschwörungserzählungen. Und so wurden diese Demonstrationen schnell zu einem wöchentlichen Treffpunkt für Verschwörungsgläubige, Reichsbürger:innen, Israelhasser:innen und Esoteriker:innen, um gemeinsam gegen die angeblichen teuflischen Pläne der Mächtigen und gegen die Medien zu protestieren. Menschen, die an diesem Demonstrationen teilnahmen, radikalisierten sich im Eiltempo. Mit der Zeit wurden die verschiedenen Angstszenarien gegen andere ausgetauscht – Angst vor einer Islamisierung, Angst vor Flüchtlingen, Angst vor einer Diktatur, Angst vor dem System – heute ist dieses Milieu bei den geschürten Ängsten bezüglich der Corona-Impfungen und der Schutzmaßnahmen angelangt. Der nächste Halt dieser Protest-Szene kann tatsächlich eine weitere „Friedensbewegung“ sein, so wie es Elsässer fordert.

Ken Jebsen: USA sehne sich einen Krieg gegen Russland herbei

Einer, der auch schon seit 2014 auf den sogenannten „Mahnwachen für den Frieden“ prominent mitmischte, ist Ken Jebsen. Auch er feiert den aktuellen Einmarsch Russlands in die Ukraine. Der ehemals prominente YouTube-Verschwörungserzähler Ken Jebsen greift das russische Narrativ der „Friedensmission“ auf. In seinem Telegram-Kanal mit über 140.000 Abonnent:innen fragt er: „Ist das nun der Anlass für die USA, um den lang herbeigesehnten Krieg gegen Russland beginnen zu können?“ Schon im Sommer 2014 behauptete Jebsen, Europa solle in einen Krieg gegen Russland getrieben werden: „Wir bewegen uns mit Riesenschritten auf die Vorbereitung eines Dritten Weltkriegs zu!“

 Eine ähnliche Position, die einige Linke vertreten. Am Sonntagabend, einen Tag vor Putins Rede, sagte Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht in der Talkshow „Anne Will“, dass Putin faktisch gar keinen Grund zur Invasion hätte. „Die Aggressivität, mit der vor allem von amerikanischer Seite ein russischer Einmarsch geradezu herbeigeredet wird, ist ja schon bemerkenswert.“ Man habe den Eindruck, hier sei der Wunsch der Vater des Gedankens. Am Montagabend wurde sie eines Besseren belehrt.

 

 

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