Die rechtspopulistische Bürgerbewegung „pro Köln“ setzt jetzt scheinbar auf einen „Kuschelkurs“ mit der Antifa, denn auch die pro-Bewegung will nach eigenen Angaben den Antisemitismus „bekämpfen“. Die Glaubwürdigkeit der rechtspopulistischen Gruppierung dürfte allerdings auch in dieser Hinsicht gegen Null tendieren. Denn die Forderung an die Stadt Köln, ein „Maßnahmenpaket gegen den Antisemitismus“ zu schnüren, richtet sich nicht etwa gegen die grassierende Judenfeindlichkeit in rechtskonservativen bis rechtsextremen Kreisen. Wie immer sind nämlich die Muslime gemeint, gegen die „pro Köln“ bei jeder noch so kleinen Gelegenheit vorgeht und seine Hetzpropaganda verbreitet.
Auf dem passenden Auge blind
Die politische Klasse tabuisiere schon seit Jahren den sich ausbreitenden gefährlichen Antisemitismus muslimischer Zuwanderer, so „pro Köln“ in einer im Internet veröffentlichten Pressemitteilung. In Köln breite sich Hetze gegen Menschen jüdischen Glaubens und entsprechende Einrichtungen aus, der vor allem von jugendlichen Migranten aus islamischen Ländern ausgehe. Weiter heißt es in der Mitteilung, die größte Bedrohung für Mitbürger jüdischen Glaubens in Köln gehe nicht von ein paar versprengten Rechtsextremisten, sondern von dem importierten Antisemitismus zugewanderter islamistischer Migranten aus.
Feinheiten: Fehlanzeige
Dass die „pro“-Bewegung nach all den Jahren islamophober Hetze immer noch nicht fähig ist, den Unterschied zwischen Islam und Islamismus zu kennen, ist bezeichnend für die Zurechnungsfähigkeit der selbsternannten „Bürgerbewegung“. So weiß „pro Köln“ schließlich selbst nicht, ob der angeblich allgegenwärtige Antisemitismus nun bei „jugendlichen Migranten aus islamischen Ländern“ oder doch bei „islamistischen Migranten“ zu finden ist. Eine differenzierte Betrachtungsweise darf man von Rechtspopulisten in ihrer Einseitigkeit ohnehin nicht erwarten.
Antisemitismus: Nur in der rechtsextremen Szene Standard
Tatsächlich ist es so, dass in den islamistischen Gewaltphantasien ein latenter Antisemitismus existiert, welcher teilweise auch von jugendlichen Muslimen mitgetragen wird. Einen von einer breiten muslimischen Masse praktizierten Antisemitismus, wie er im Rechtsextremismus Konsens ist, gibt es jedoch nicht. Nach einer Studie des Bundesinnenministeriums im Jahr 2008 sind vor allem bildungsferne, junge Muslime für antisemitische Positionen empfänglich. So stimmten 26,7 Prozent der befragten Muslime unter 25 Jahren der Behauptung zu, Menschen jüdischen Glaubens seien überheblich und geldgierig.
Innerhalb der deutschen Bevölkerung sieht es dabei allerdings nicht viel anders aus: Dem Ergebnis einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2003 zufolge weisen 23 Prozent der Deutschen latente bis starke antisemitische Einstellungen auf. Eine Projizierung des Antisemitismus-Problems auf muslimische Zuwanderer ist deshalb ebenso Ablenkungsmanöver wie Rechtfertigung der eigenen Xenophobie.
„Pro Köln“ versucht jedes Ablenkungsmanöver vom eigenen Rassismus
Und diese Rechtfertigung benötigt gerade „pro Köln“ wie die Luft zum Atmen. Immer wieder beteuert die Gruppierung ihre angeblich „demokratische“ Grundorientierung. Auch die Forderung nach einem „Maßnahmenkatalog gegen Antisemitismus“ ist durch nichts anderes als durch das Ziel einer nachhaltigen Festigung dieses positiven Images begründet. Dabei wurden bereits Stimmen wie die des „Aussteigers“ René Emmerich laut, welcher der Führungsriege der „pro“-Bewegung indirekt eine antisemitische Einstellung attestierte. Zwar sei ein Großteil der einfachen Mitglieder israelfreundlich eingestellt, von den drei Führungspersonen Markus Beisicht, Manfred Rouhs und Markus Wiener könne davon jedoch keine Rede sein, so Emmerich. Was aber auch nicht verwunderlich ist – hatten und haben alle drei doch mehr oder weniger engen Kontakt zur rechtsextremen NPD. Der Antisemitismus ist und bleibt ein Problem – sowohl innerhalb des Islamismus als auch innerhalb des rechten Spektrums.
Verbreitet: Islamophobie
Viel präsenter und verbreiteter ist in der heutigen Zeit allerdings die Islamophobie. Sie basiert im Gegensatz zu einer berechtigten Islamkritik auf Vorurteilen und simplen Hasstiraden gegen Muslime und ist damit grundsätzlich mit dem Antisemitismus zu vergleichen. Das Allensbach-Institut führte 2007 eine Umfrage zur Einstellung der Deutschen zum Islam durch. Die Frage lautete: „Einmal angenommen, in einer deutschen Großstadt soll in einem Stadtviertel eine Moschee gebaut werden. Die Behörden haben dem Bau zugestimmt, aber die Bevölkerung in dem Stadtviertel ist dagegen. Wie ist Ihre Meinung: Sollte man die Moschee bauen, auch wenn die Bevölkerung dagegen ist, oder sollte man auf den Bau verzichten?“ Fast drei Viertel der Befragten entschied sich gegen den Bau der Moschee. Einer anderen, gleich großen und ähnlich strukturierten Gruppe stellte man die gleiche Frage mit dem Unterschied, dass nicht von einem Moscheebau, sondern vom Bau eines Jugendzentrums die Rede war: Hier waren nur 27 Prozent gegen das Bauprojekt – ein deutliches Zeichen für eine weite Verbreitung von Ressentiments gegen Muslime.
„Pro“ festigt Ressentiments, wo sie kann
Die rechtspopulistische „pro“-Bewegung trägt maßgeblich dazu bei, diese Ressentiments zu festigen, um damit letztendlich Verhältnisse zu schaffen, wie sie nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland alltäglich waren. Einer pseudodemokratischen Vereinigung von Altrechten die Aufgabe zu übertragen, gegen Antisemitismus vorzugehen, ist deshalb nicht nur absurd, sondern auch gefährlich. Mit dem vorgeblichen Ziel, sich gegen Antisemitismus stark machen zu wollen, verfolgt die „pro“-Bewegung nämlich einzig und allein die Strategie einer weitergehenden und an Aggressivität zunehmenden Propaganda gegen Muslime. Die geheuchelte Israelfreundlichkeit ist dementsprechend wie auch die angebliche Grundgesetztreue als bloßes Lippenbekenntnis zu verstehen.
Dieser Text erschien zuerst auf ao-wipperfuerth.blogspot.com. Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors.